Die Empörung ist gross: 2027 endet die Traumbeziehung zwischen dem Sportartikelhersteller Adidas und dem Deutschen Fussball-Bund (DFB). Ausgerechnet Amerikaner übernehmen dann unsere Nationalmannschaften: Nike zahlt für das Exklusiv-Recht an der Ausrüstung 100 Mio. Euro im Jahr. Politiker aller Parteien laufen Sturm. Aber warum eigentlich?

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Bei seiner Rechtfertigung könnte der DFB allein wirtschaftliche Argumente anführen. Nike zahlt in acht Jahren rund 800 Mio. Euro, damit die Nationalspieler in Nike-Klamotten auflaufen. Das ist ein gutes Drittel mehr als die Summe, die angeblich Adidas berappen wollte. Allein von der Differenz könnte der DFB Finanzlöcher stopfen und Amateurvereinen Gutes tun.

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Die Kritiker dieses Jahrhundert-Deals argumentieren deshalb lieber mit der Tradition. Adidas rüstet die Nationalmannschaft seit vielen Jahrzehnten aus und fütterte die Legende, dass Weltmeister in drei Streifen die beste Figur abgeben. Zuletzt wurde Deutschland 2014 mit Adidas Weltmeister.

Darauf war die Beziehung zwischen DFB und Adidas auch immer begründet, dass man gemeinsam durch dick und dünn geht. Jahrzehntelang war es Nationalspielern sogar untersagt, bei Länderspielen andere Fussballschuhe als die von Adidas zu tragen. Aber die Spieler und ihre Berater bauten so viel Druck auf: Irgendwann bröckelte die Blockade zugunsten von Nike.

Eine neue Ära mit einem neuen Look

Jetzt also ist der Wechsel zu Nike komplett. Der zweite Tabubruch in einem Jahrzehnt, schon der Sponsorenwechsel von Mercedes zu Volkswagen trieb Traditionalisten in den Wutanfall. Zumindest hier konnte man dagegenhalten: Das Exklusiv-Recht bei den Autobauern blieb in Deutschland. Bei Nike vermisst ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck "Standortpatriotismus" beim DFB.

Nun, Adidas selbst sollte sich besser nicht darauf berufen. Die Weltfirma aus Herzogenaurach hat ihre Sponsorenverträge in der Bundesliga über Jahre zurückgefahren, um das Geld international umso grosszügiger ausgeben zu können. Real Madrid, Juventus Turin und Manchester United - dort flossen Hunderte Millionen hin. Und nicht mehr zu Schalke 04.

Das ist auch verständlich. Der Markt der Sportartikelhersteller hält sich in der digitalisierten Welt nicht an Landesgrenzen auf. Der Ausrüstervertrag mit dem Messi-Klub Inter Miami ist wertvoller als einer mit, sagen wir mal, dem 1. FC Heidenheim (Den Klub schnappte sich Puma). Adidas ist ja auch deswegen so erfolgreich, weil man sich permanent von überholten Gepflogenheiten gelöst hat.

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Der DFB zeigt Willen zur Veränderung

Nichts anderes tut der DFB. Man wirft dem Verband sehr gerne und sehr schnell Verkrustung vor, also einen mangelhaften Willen zur Veränderung. Die Entscheidung pro Nike beweist genau das Gegenteil: Der DFB ist bereit, Bewährtes zu beenden und Neues zu wagen. Trotz Kritik aus der Politik, trotz Beschimpfung von Traditionspflegern, trotz Flüchen aus der falschen Ecke.

Veränderungswille aus der wirtschaftlichen Not heraus? Vielleicht. Aber ganz sicher auch aus der Einsicht heraus, dass ein „Weiter so“, weil man es immer schon so gemacht hat, keine belastbare Lösung sein kann. Neues wagen: Hier tut’s der DFB. So wie Frankreich vorher. Die Franzosen wurden zweimal Weltmeister: 1998 in Adidas, 2018 in Nike. Die Klamotte ist nicht entscheidend.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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