Tennis-Star Alexander Zverev scheidet in der ersten Runde von Wimbledon aus und offenbart anschliessend mentale Probleme. Ein Sportpsychologe erklärt, was ihm nach den Aussagen besonders grosse Sorge bereitet.
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Ein herber Rückschlag für den 28-Jährigen, den er nach dem Match mit mentalen Problemen begründete. "Ich fühle mich generell gesprochen ziemlich alleine in meinem Leben, was kein schönes Gefühl ist", sagte Zverev zwei Stunden nach seiner Niederlage beim Rasen-Klassiker. "Ich versuche, Wege zu finden, aus diesem Loch herauszukommen."
Zverev offenbarte auf der obligatorischen Pressekonferenz sein Innerstes: "Es ist kein Gefühl auf dem Tennisplatz, es ist ein grundsätzliches Gefühl in meinem Leben. Ich habe mich noch nie so gefühlt", sagte er mit leiser Stimme. "Es ist schwierig für mich, ausserhalb des Tennisplatzes Freude zu finden." All das wolle er jedoch nicht als Ausrede für die Niederlage nehmen, sein Gegner habe verdient gewonnen.
Dennoch: Die Worte von Zverev hallen noch immer nach, denn bislang war wohl nur seinem engsten Kreis bekannt, wie es um das Seelenleben des Tennis-Stars steht.
"Ich würde ihm raten, unbedingt einen Sportpsychologen zu kontaktieren."
"Was mir bei Zverev vor allem Sorge macht: Er ist einsam", erklärt Sportpsychologe Jürgen Walter im Gespräch mit unserer Redaktion: "Er ist Dritter in der Welt, er hat im Prinzip nur Luxusprobleme, aber jeder darf Probleme haben, so wie er sie halt beschreibt." Den Auftritt in der ersten Runde gegen die Nummer 71 der Welt aus Frankreich bezeichnet Walter als "ernüchternd. Er war ja selbst auch ratlos."
Bereits vor dem Wimbledon-Start plädierte Walter im Gespräch mit unserer Redaktion klar dafür, dass sich Zverev einen Mentaltrainer suchen solle. Von diesem Standpunkt weicht er auch nach der Pleite gegen Rinderknech nicht ab: "Ich würde ihm raten, unbedingt einen Sportpsychologen zu kontaktieren. Wichtig ist, dass er Vertrauen dazu hat. Aber er hat ja noch vor dem Spiel so etwas gesagt wie: 'Es wird viel über mich geschrieben, aber ich lese das sowieso nicht.'"
Eine Aussage, die Walter zufolge vor allem eins zeigt: "Zverev ist sehr beratungsresistent. Das wird sich jetzt durch die Niederlage vielleicht etwas aufweichen, weil er schon ganz klar gesagt hat, dass er nicht versteht, was da passiert ist."
Sportpsychologe rät Zverev zu einer mehrwöchigen Pause
Mischa Zverev spielte die Aussagen seines Bruders im Anschluss etwas herunter. "Es tut halt immer weh, aber auch das gehört zum Sport und zum Leben dazu. Da muss man durch", sagte der 37 Jahre alte Ex-Profi am Mittwoch am Mikrofon von Prime Video.
Zverev will nun eine vierwöchige Turnierpause einlegen. Bereits in der kommenden Woche werde er aber wieder trainieren, berichtete sein Bruder Mischa und erklärte weiter: "Es war eine Reaktion nach dem Match. Nach einer emotionalen Niederlage spürst du Sachen, sagst du Sachen. Wir werden in ein paar Tagen mehr wissen."
Zu einer Pause würde auch Sportpsychologe Walter raten, der einen Zeitraum von vier Wochen für angemessen hält. "Er muss das Ganze voll auf null setzen, sich wirklich mal zurücklehnen und mit Experten besprechen, was mental bei ihm abläuft und inwieweit er in der Lage ist, negative Gedanken auszuschalten."
Walter rät dem Tennis-Star auch dazu, einen "Test zum Thema Burnout zu machen" – "er ist auch ein Stück ausgebrannt". In einem solchen Fall würden ihm zufolge im Normalfall zwei Wochen Pausen nicht ausreichen. "Das heisst nicht, dass er ein halbes Jahr Pause machen muss. Aber das ist schwer zu sagen, das müsste man absprechen – vielleicht mal vier Wochen Pause? Wenn er sich allerdings gut fühlt, dann soll er auch nach zwei Wochen wieder spielen. So ist das nicht."
Sportpsychologe: Trainerwechsel bei Zverev wird nichts ändern
Ein Trainerwechsel – Zverev wird aktuell von seinem Vater trainiert – ändere laut Walter nichts an der Situation. "Es ändert an seinen mentalen Herausforderungen – ich versuche das Wort Problem zu vermeiden – gar nichts", sagt der Sportpsychologe.
Sein Rat an Zverev: "Das A und O ist es, sich darauf einlassen. Es kann überhaupt nichts nach hinten losgehen. Es kann ihm nur nützen, wenn er sich darauf einlässt. Aber wie gesagt, Vertrauen muss er haben."
Über den Gesprächspartner
- Jürgen Walter ist Diplom-Psychologe, Sportpsychologe und Vorstandsvorsitzender im Verband der praktischen Sportpsychologie e.V. Daneben ist Walter Lehrbeauftragter der Fresenius Hochschule Düsseldorf und der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. Der Sportpsychologe praktiziert in Düsseldorf.
Verwendete Quellen
- Interview mit Sportpsychologe Jürgen Walter