Nach dem sechsten Triumph im Gesamt-Weltcup in Folge muss Marcel Hirscher neue Ziele definieren. Olympia steht auf der Agenda, aber wohl auch eine softe Umschulung auf die Speed-Disziplinen.

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Der einzige, der Marcel Hirscher noch stoppen könnte, ist Marcel Hirscher selbst. Bereits am vorletzten Rennwochenende hat sich der Dominator des Ski-Weltcups die grosse Kristallkugel wieder abgegriffen, es ist Hirschers sechster Sieg im Gesamt-Weltcup in Folge.

Das hat vor dem Österreicher noch keiner geschafft. Kein Thöni, kein Stenmark, kein Mahre, kein Girardelli, kein Zurbriggen oder Maier. Begonnen hat dieser Wahnsinn im Dezember 2007, als Hirscher im Slalom von Bad Kleinkirchheim seine ersten Weltcup-Punkte einfahren konnte.

So richtig Schwung nahm die famose Karriere nach Hirschers erstem Sieg im Riesenslalom zwei Jahre später auf. Da war er zwar schon ein Top-Ten-Fahrer, der Durchbruch in Val d'Isere machte aus dem Talent aber einen Contender.

Ein Olympiasieg fehlt noch

Langsam pirschte sich Hirscher an die Granden heran, wurde dann aber vor dem ersten Höhepunkt seiner Karriere jäh gestoppt. Unmittelbar vor der Weltmeisterschaft 2011, bei der Hirscher im Slalom, Riesenslalom und in der Kombination als Mitfavorit gehandelt wurde, brach er sich das Kahnbein.

Ein Jahr später gewann er in Adelboden an einem Wochenende Riesenslalom und Slalom, ein Novum in der Weltcup-Geschichte. Mit der ersten grossen Kristallkugel am Ende dieser Saison begann dann die totale Dominanz im Gesamt-Weltcup, die bis heute anhält und auch kaum zu unterbrechen sein dürfte. Es sei denn, Hirscher will es so.

Er hat alle Klassiker gewonnen, in Kitzbühel, Wengen, Schladming, er ist sechsfacher Weltmeister - aber ein Sieg bei Olympia fehlt noch. Nach dem triumphalen Winter 2016/17 wird diesem grossen Ziel in der Vorbereitung ab Sommer alles untergeordnet. Und vielleicht nimmt Hirscher auch einen Strategiewechsel vor.

Mehr Fokus auf Super G und Abfahrt?

In den letzten sechs Jahren ist er immer auf den Gesamtweltcup aus gewesen und hat dementsprechend wohl temperiert seine Rennen ausgesucht und dann auch gefahren. Die riskanten Speed-Disziplinen verweigerte er fast ausnahmslos. Kalkül schlug da immer auch ein wenig das Herz.

Gerne hätte er mehr Abfahrten bestritten, aber als einer der besten Techniker im Ski-Zirkus sammelt man die wichtigen Punkte eben im Slalom, Riesenslalom und in der Kombination. Letzten Winter hatte er Blut geleckt. "Es wäre das Verrückteste, einen Super-G und eine Abfahrt zu gewinnen", hatte er damals gesagt. Und ein paar Tage später gleich den Super G in Beaver Creek gewonnen.

Fehlt also noch ein Sieg in der Abfahrt. "Ich werde niemals Möglichkeiten im Vorfeld komplett ausschliessen. Fix ist gar nichts", sagt er über mögliche Abfahrts-Starts in der Zukunft. Längst wird spekuliert, dass Hirscher bald einen grösseren Fokus auf die Speed-Disziplinen legt. Allerdings: Mit dem ganz grossen Ziel Olympia im Hinterkopf dürfte das in der kommenden Saison schwer werden.

Nur noch ausgewählte Rennen fahren

"Der Marcel hat jetzt ein Problem", sagt Peter Schröcksnadel. Der ÖSV-Präsident glaubt fest an Hirschers Total-Attacke auf Olympia im kommenden Winter und rät seinem besten Fahrer deshalb zu mehr Selektion.

"Das Problem ist der Gesamtweltcup. Der erzeugt Druck. Sollte er ihn in der nächsten Saison nicht gewinnen, wird es heissen, jetzt lässt er nach. Ich rate ihm, ausgesuchte Rennen zu fahren und von vornherein zu sagen, dass es ihm nicht mehr um den Gesamtsieg geht."

Hirscher hat gezeigt, dass er sich in Aufgaben verbeissen und härter arbeiten kann als viele andere. Die vielen Siege, die Titel: Das alles sind gewiss die Resultate eines überragenden Talents, aber mindestens genauso wichtig ist Hirschers Akribie, seine Versessenheit und sein Wille. Deshalb glauben die meisten Experten auch daran, dass Hirscher auch in der Abfahrt in naher Zukunft vorne mitfahren könnte.

Und ganz nebenbei könnte Hirscher ja auch noch den einen oder anderen Slalom oder Riesenslalom gewinnen. Es soll tatsächlich noch ein paar Rekorde geben, die der Salzburger nicht hält. Ingemar Stenmarks 86 Weltcup-Siege wird wohl auch Hirscher (aktuell 44) nicht mehr knacken können.

Aber mit ein paar Teilnahmen an der Abfahrt und im Super G wären Stenmarks 13 Siege pro Saison durchaus erreichbar. Und Hermann Maiers 54 Weltcup-Siege sollten für Hirscher keine grosse Herausforderung mehr darstellen. Am Donnerstag ist Hirscher schliesslich erst 28 Jahre alt geworden. Vier, fünf gute Winter stehen dem Dominator auf jeden Fall noch bevor.

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