"28 Days Later" reanimierte vor 20 Jahren das Untoten-Genre, jetzt kehrt die Reihe gleich mit drei Filmen ins Kino zurück. Mit dem Original hat das leider nicht mehr viel zu tun.
Zu Beginn der Nullerjahre war das Zombie-Genre so gut wie tot. Niemand wollte mehr die stöhnend herum torkelnden, Gehirn fressenden Leichen sehen, bis zwei Briten die Untoten aufmischten. Alex Garland hatte 1996 seinen ersten Roman "The Beach" veröffentlicht, während
2002 bringen sie zeitgleich zur Videospielverfilmung "Resident Evil" ihre Variante der Zombie-Apokalypse in die Kinos: "28 Days Later". Der Film ist nicht nur ein grosser Erfolg und reanimiert das Genre, er ist auch eine Blaupause für alles, was nach ihm folgt: roh und gnadenlos, gedreht mit billigen Digitalkameras, mit übermenschlich schnellen Zombies, die die trägen Monster der Vergangenheit ablösen. 2007 folgte der zweite Film "28 Weeks Later". Eine dritte Fortsetzung ist ebenfalls geplant, wird aber nie realisiert, weil sich die kreativen Beteiligten nicht auf die Ausrichtung einigen können.
Die folgt jetzt, 23 Jahre später, wieder mit Danny Boyle als Regisseur und Alex Garland, der das Drehbuch schrieb. "28 Years Later" (ab 19. Juni) spielt, wie der Titel schon sagt, deutlich später als die beiden Filme vor ihm. Die Neuauflage ignoriert die Ereignisse des zweiten Teils, an dem Boyle und Garland nicht beteiligt waren. "28 Years Later" ist der Auftakt einer Trilogie, deren zweiter Teil, "28 Decades Later: The Bone Temple", bereits im Januar 2026 erscheinen soll.
Die britischen Inseln sind vom Rest der Welt abgeschnitten
Grossbritannien ist noch immer fest in der Hand des "Wut-Virus", der Menschen in Blut kotzende Zombies verwandelt. Die ganze Insel ist eine Quarantänezone, getrennt vom Rest Europas – der Brexit lässt grüssen. Auf der kleinen Insel Holy Island, die nur bei Ebbe über einen Damm zu erreichen ist, hat sich eine kleine Gemeinschaft vor dem Virus in Sicherheit gebracht. Bei einem Trip aufs Festland, bei dem der zwölfjährige Spike (Alfie Williams) mit seinem Vater (Aaron Taylor-Johnson) lernen soll, Zombies zu töten, entdecken die beiden in der Ferne ein mysteriöses Feuer. Es stammt vom verrückten Dr. Ian Kelsen (Ralph Fiennes), der den Ausbruch des Virus überlebt hat. Da Spikes Mutter (Jodie Comer) schwer krank ist, macht er sich zusammen mit ihr auf den Weg, um sie zu retten.
Los geht es aber erst mal mit einer Horde Kindern, die vor dem Fernseher sitzen und die Teletubbies schauen. Kurze Zeit später stürmt eine Horde Zombies das Wohnzimmer und metzelt sie nieder. Das ist in bester Tradition zur Originalreihe, die mit besonders grimmigen Eröffnungssequenzen den Ton für alles Weitere setzte. In Teil eins wachte
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Gedreht wurde diesmal mit iPhones und diversen Aufsätzen, anzumerken ist das dem Horrorfilm nicht. Im Vergleich zu den rohen Bildern der ersten beiden Filme wirkt "28 Years Later" wie eine Hochglanzproduktion. Auch die genial reduzierte und eindringliche Filmmusik von John Murphy weicht einem generischen Mix aus Popsongs und ein paar Streicher-Kitsch-Einlagen. Das führt dazu, dass "28 Years Later" nie die Eindringlichkeit des Erstlings erreicht. Die grosse Kunst von "28 Days Later" war es, den Zuschauer unmittelbar in dieses Setting hineinzuwerfen und nur einen kleinen Ausschnitt zu zeigen. Charaktere tauchten auf und starben, am Ende überlebten einige wenige und der Film entliess sie in eine unsichere Zukunft.
Zombie-Standard statt Sozialkritik
"28 Years Later" kann oder will das nicht leisten. Hier steht der Aufbau eines neuen Franchises im Vordergrund, das braucht wiederkehrende Charaktere, die im ersten der drei Filme eingeführt werden, und eine neue Welt, die erschaffen wird. Das ist brutaler als die Vorgänger, emotionaler, auf Kosten von deutlichen Längen. Das eigentliche Problem von "28 Years Later" ist aber, dass es dem Zombie-Genre nichts Neues hinzuzufügen hat. In den letzten 20 Jahren waren die Menschenfresser nicht totzukriegen, und der britische Film, einst Trendsetter, bedient sich jetzt bei seinen Epigonen. Die Wutbürger sind auf einmal organisiert, es gibt superstarke und superschnelle Zombies sowie seltsame Zusammenrottungen von Überlebenden. Das haben elf Staffeln von "The Walking Dead" und zuletzt "The Last of Us" zur Genüge auserzählt.
In einem Internetforum berichtete zum Start von "28 Years Later" ein Filmstudent, Alex Garland habe in einem Seminar erzählt, dass eigentlich sein Film "Civil War" der dritte Teil der Reihe werden sollte. Darin begibt sich eine Gruppe Reporter auf Reportage in die Vereinigten Staaten, die sich im Bürgerkrieg befinden. Wer den Film gesehen hat, braucht nicht viel Vorstellungskraft, um ihn sich als Fortsetzung der Zombie-Apokalypse vorzustellen. Stattdessen deuten Danny Boyle und Alex Garland am Ende von "28 Years Later" einen Richtungswechsel an, der das Franchise ganz anders interpretieren dürfte. Mit "28 Days Later" wird der nächste Film demnach kaum noch etwas zu tun haben. Der sozialkritische Aspekt des Originals, bei dem das Virus nur die im Menschen schon vorhandene Wut verstärkt, geht damit vollkommen verloren. Dabei ist das Thema gerade so aktuell wie nie.