Mit "Thunderbolts" meldet sich Marvel überzeugend im Kino zurück. Ausgerechnet mit seinen C-Promis. Die haben nicht nur schlechte Laune, sondern auch viele Probleme.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eine der grösseren Schwierigkeiten des MCU, des Marvel Cinematic Universe, war, dass es irgendwann einfach zu viel wurde. Zu viele Superhelden, zu viele Charaktere, zu viele Referenzen, Hinweise, Zeitsprünge, Dimensionen – da konnten selbst Superfans von Superhelden irgendwann nicht mehr mithalten. 36 Filme sind bisher im MCU entstanden, Serien und zusätzliche Inhalte nicht einberechnet.

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Dabei steuerte ursprünglich alles auf den 2019 erschienenen abschliessenden Film "Avengers: Endgame" zu, Film 22 in der Liste. Danach war zunächst wirklich alles zu Ende. Das MCU stagnierte.

Marvel-Filme waren keine Selbstläufer mehr, die Milliarden einspielten. Hin und wieder gelang ein Überraschungserfolg, doch insgesamt versucht der zu Disney gehörende Konzern seitdem, zu alter Grösse zurückzufinden.

Nachdem das Schwergewicht "Captain America: Brave New World" trotz neuem Titelhelden und Harrison Ford als Rotem Hulk in diesem Jahr eher mittelmässig erfolgreich war, versucht es Marvel jetzt mit den C-Promis seines Universums. Die “Thunderbolts” (ab 1. Mai im Kino) sind eine Ansammlung von Randfiguren anderer Marvel-Filme, die nun ihren grossen Auftritt bekommen.

So wie etwa John Walker (Wyatt Russell), der für einen kurzen Moment Captain America war, bis er einen Passanten in der Öffentlichkeit köpfte. Oder Ghost (Hannah John-Kamen), die Widersacherin von Ant-Man. Red Guardian (David Harbour), ehemals russischer Nationalheld. Am bekanntesten ist der Sidekick von Captain America, Winter Soldier Bucky Barnes (Sebastian Stan).

Marvel installiert Florence Pugh als neue Superheldin

Los geht es aber mit der Frau, die den Film quasi im Alleingang trägt und die gleich zu Beginn den Ton des neuen Marvel-Spektakels setzt: Florence Pugh als Killerin Yelena Belova. Fast schon gelangweilt prügelt sie sich mit imposantem Kampfsport-Einsatz durch ein Labor, während sie sich selbst in einem inneren Monolog auseinandernimmt.

Wie sinnlos ihre Existenz sei, dieses Morden, all die Einsätze, die sie verfolgen. Sie erledigt die schmutzigen Jobs abseits des Rampenlichts für CIA-Chefin Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus). Eine depressive Superkillerin, die mehr mit sich selbst kämpft als mit den Soldaten um sich herum, trotzdem aber immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat.

Als die Ausrangierten aus dem Marvel-Universum zusammentreffen und sich gegenseitig töten sollen, weil die CIA-Chefin vor einem Untersuchungsausschuss aussagen muss und schnell noch alle Beweismittel vernichten will, beschliesst der chaotische und selbstsüchtige Haufen zusammenzuarbeiten. Hier entdecken sie auch "Bob" (Lewis Pullman), der vor lauter Neurosen und Ängsten kaum Blickkontakt halten kann. Er ist ein weiteres Experiment von de Fontaine, ein neuer Superheld, der in die Fussstapfen der Avengers treten soll. Da er psychisch aber alles andere als stabil ist, muss das natürlich schiefgehen.

Starke Action nach zähem Start

Nun ist das alles keine Neuheit im Marvel-Universum. Helden zweifeln an sich, raufen sich zusammen und bezwingen den Bösewicht, der die Menschheit bedroht. Das ist quasi der Standard-Plot eines Superhelden-Films und erinnert an die DC-Konkurrenten der "Suicide Squad".

Trotzdem hebt sich "Thunderbolts" angenehm von den letzten Marvel-Produktionen ab. Die Bilder sind eher dunkel gehalten, alles wirkt weniger poliert, glatt und durchgestylt wie die Filme mit Superhelden auf Steroiden. Die Thunderbolts sind ganz normale Menschen, die bluten, wenn auf sie geschossen wird.

Die erste halbe Stunde des Films ist etwas zäh, setzt zu viel auf Sprücheklopfen und erzählt wenig über die Vorgeschichte der Protagonisten. Wer die vergessen hat, muss sich lange Videos auf YouTube ansehen, die sie erklären. Doch es geht auch ohne, und nach einem schwachen Start zieht der Film merklich an. Der Ton wird düsterer, wie der Endgegner Sentry, der zu The Void mutiert – einem Wesen, das Menschen in dunkle Schatten verwandelt.

Eine Depression als Superheld quasi. So gibt es zum Schluss auch keine gigantische Materialschlacht, wie sie die Avengers veranstaltet hätten, sondern ein Abtauchen in die Ängste und Tiefen der Thunderbolts, das an Filme wie "Being John Malkovich" und "Everything Everywhere All at Once" erinnert.

Das passt gut in die Zeit, ein Superhelden-Film, der sich ausgiebig mit der mentalen Gesundheit seiner Protagonisten beschäftigt, ist ein überraschender Twist in diesem oft schlichten Genre.

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Natürlich erfindet auch "Thunderbolts" den Superhelden-Film nicht neu, dafür sind inzwischen bereits alle Höhen und Tiefen ausgelotet worden. Von den unfehlbaren, übermenschlichen Supermännern bis hin zu den Psychopathen in "The Boys".

"Thunderbolts" bringt allerdings wieder Schwung ins MCU und gibt Hoffnung, dass sich die Blockbuster-Instanz gefangen hat. Schliesslich hat Disney mit seinen Superhelden noch viel vor. Im Juli startet bereits ein Reboot von "The Fantastic Four" mit dem aktuellen Hollywood-Darling Pedro Pascal, 2026 kehren die Avengers zurück. Schon jetzt bestätigt: Auch die Thunderbolts werden in diesem Film dabei sein. Inklusive aller aktuellen Darsteller. Die Marvel-Maschine läuft wieder.