Kennen Sie das, wenn jemand als Starspieler gekauft wird, in den ersten Einsätzen alle Freiheiten bekommt, um dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken und mit seiner Genialität den Gegner zur Verzweiflung zu bringen – aber dann läuft es richtig schlecht, es gelingt einfach nichts, die Fans werden unruhig, das Umfeld auch, und dann sitzt man ab dem vierten Spiel plötzlich auf der Bank? Das passiert auch TV-Formaten. Der neue Sat.1-Starspieler "Club der guten Laune" (CDGL) ist mit sehr viel Vorschusslorbeeren in die Trash-TV-Saison gestartet. Abgesehen vom Altinternationalen Julian F. M. Stoeckel (dem Diego Maradona des Reality-Fernsehens) hat aber bislang niemand Normalform erreicht.

Eine Kritik
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Folgerichtig verbannt der Heimatsender der grössten TV-Flops der Geschichte die vierte Ausgabe CDGL eiskalt von der Primetime auf den eher schwierigen Sendeplatz um 22:30 Uhr. Quasi die Ersatzbank für abendfüllende TV-Events. Da die Geschichtsbücher nicht gerade mit Erfolgsstorys von Fernseh-Formaten überquellen, die durch eine Verlegung von 20:15 Uhr in die Nachtschiene plötzlich zum Quoten-Giganten wurden, ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass der CDGL dieses Jahr die Champions League holt. Dabei konnte Bundes-Club-Trainer Martin Semmelrogge mit Cora Schumacher, Jenny Elvers, Joey Heindle, Theresia Fischer oder Marc Terenzi eigentlich eine ganz illustre Startruppe auf den thailändischen Rasen schicken.

Bei Sat.1 fühlte man sich daher – auch im Vergleich zum aus Sicht der Besetzungscouch eher mauen "Sommerhaus der Stars" – irgendwie schon als das Paris St. Germain der Promi-Zurschaustellung. Bislang jedoch bewahrheitet sich lediglich der Klassiker von Otto Rehhagel: Geld schiesst keine Tore. Und bevor sich die Jüngeren jetzt fragen, bei welcher "Promi Big Brother" Staffel Otto Rehhagel wohl mitgemacht hat: König Otto ist Fussballtrainer und insofern für so manches Desaster verantwortlich (Kunden des FC Bayern werden sich schmerzvoll erinnern), nicht jedoch für Quotenabstürze im D-Promi-Resozialisierungsgewerbe.

Vanessa Marie Poser

Die Woche im CDGL beginnt dann auch entsprechend unterkomplex. Beinverlängerungs-Testimonial Theresia Fischer tanzt früh morgens mit Das-Boot-Ikone Semmelrogge den Rest der Trashtruppe wach. Schnell wird klar: Theresias wichtigster Ansprechpartner, auch intellektuell, bleibt Stoffmurmeltier Herbert, auch weil Charmebolzen Semmelrogge aktuell ein Kampfgewicht wie ein Öltanker auf das Wasserbett bringt. Auch von der Bewegungsdynamik her. Seine Verschwesterung mit Theresia und Vanessa Mariposa lässt dennoch nicht lange auf sich warten.

Kurz darauf trifft das neuformierte Trio mit vier Brüsten bereits erste Geheimabsprachen und verwandelt den CDGL in den CDMI (Club der miesen Intrigen). Erst Woche vier, und es werden schon mehr Hinterzimmer-Allianzen gebildet als in 16 Jahren Merkel-Kanzlerschaft. Oder "Merkel-Diktatur", wie man unter WELT-Abonnenten sagt.

Zum Glück startet umgehend das richtungsweisende Chefspiel "Wirbelsäulen der Antike". Cora Schumacher fühlt sich direkt abgeholt: "Genau mein Thema". Böse Zungen würden jetzt behaupten, das sei nachvollziehbar, denn immerhin habe sie ja selbst eine antike Wirbelsäule. Ich bin allerdings seriöse Chronistin eines TV-Formats und nicht Annemarie Eilfeld im "Sommerhaus der Stars" und sage das darum nicht. Im Spiel geht es darum, recht einfache Fragen zu beantworten. Bei "Wie heisst die Hauptstadt von Griechenland" kommt tatsächlich jeder auf die korrekte Antwort.

Bei "Die dümmsten Bauern haben die dicksten …" geht es niveauseitig dagegen bereits Richtung AfD-Stammtisch. Marc Terenzi tippt auf "Frauen", Vanessa Mariposa auf "Beine", Sexjunkie Cora auf "Eier". Da lacht Oliver Kahn zu Hause leise ins Sofakissen, Punkte gibt es trotzdem nicht. Lustiger wird es eigentlich nur noch, als Sebastian Fobe gefragt wird, wo das Trojanische Pferd stand, und zielsicher verkündet: "Jerusalem". Verpassen Sie nicht die kommende Woche, wenn Fobe auf folgende Fragen antwortet: "Was kostet das 9-Euro-Ticket?" ("12,80") und "Wann ist Mayday?" ("18. September").

Theresia ja ja

Im Prinzip das bislang unterhaltsamste Spiel. Spätestens als Jenny Elvers die Frage "Wie heisst der lateinamerikanische Tanzstil, der übersetzt Sauce heisst?" mit "Cha Cha Cha" beantwortet, schwindet allerdings der Glaube, dass sich das Prinzip der Schwarmintelligenz in Sat.1-Formaten je erfolgreich durchsetzen könnte. Das Prinzip der Mithäftlings-Parodie dagegen schon.

Club-Chefin Stoeckel ruft seine schwererziehbaren Insolvenzverschleppungsexperten zur grossen Nachahm-Challenge auf. Jeder Clubberer muss einen anderen Clubberer persiflieren. Quasi Stand-Up mit Parodie-Charakter. Theresia versucht sich an einer Vanessa-Performance, die in erster Linie aus sehr knappen Bikinis und Sportmoves besteht. Cora macht den Martin, Sebastian den Marc. An den Rest erinnere ich mich nicht. Vielleicht habe ich auch verdrängt, wie Jenny den Fobe gibt.

Am Ende steht es zwischen Cora und Theresia nach Stimmen 3:3, so dass Club-Feldwebelin Julian F. M. Stoeckel die entscheidende Stimme vergeben muss. Das F.M. steht übrigens für "Federboatragende Männerconaisseurin", aber das ist eine andere Geschichte. Die Königin Salomon des CDGL entscheidet sich für Theresia, da "Cora ja schon mal den goldenen Clubtaler gewonnen hat". Eine weise Entscheidung, zumal Cora aus Frust direkt ein paar Toiletten putzt und damit den Hygiene-Standard in der Promivilla von "Trainspotting-Klo" auf "Dixi-Klo bei einem Florian Silbereisen Open Air" hochschrubbt.

Steffan F.M. Berg

Am nächsten Morgen steht Juicy Stoeckli (wie die Jane Bond aus dem Blockbuster "LGBTQ-Grüsse aus Moskau" in der Schweiz genannt wird) gleich wieder. Also, im Mittelpunkt. Was habt ihr denn gedacht, ihr Ferkel? Als Clubchefin muss er traditionell zwei Teams zusammenstellen, die um ihre Nicht-Nominierbarkeit spielen. Als Mann des Volkes überbringt er die teamsymbolisierenden farblichen Schweissbänder persönlich – vor allem, um sich minutenlang an Sebastian Fobe zu reiben, der anschliessend unter einer Stoeckel-Paranoia leidet. Unter Starpsychologen heisst diese bei A-Promis und Sebastian Fobe sehr häufig diagnostizierte Krankheit F.M.-Phobie. Aber Vorsicht, nicht verwechseln: F.M.-Phobie = Krankheit. F.M.-Fobe = Traumpaar.

Als die Stoeckel nach einer ausführlichen Ganzkörper-Abtast-Orgie, während der selbst Theresia locker Japanisch lernen und das Abitur hätte nachholen können, endlich von Fobe ablässt, ist die erotische Spannung bereits auf "9 ½ Wochen"-Level hochgekocht und Julian F. M. Stoeckel steht kurz vor der Notbeatmung: "Unsere Schwerter haben sich gekreuzt". Auch wenn Insider-Quellen aus seiner "Bachelor"-Zeit das Gerücht in die Welt gesetzt haben, bei Fobe müsste man statt von Schwert eher von Zahnstocher sprechen, bleibt die Stoeckel schockverliebt. Harvey Weinstein wäre für einen derartig überstürzten Annäherungsversuch 12 Jahre in den Bau gegangen.

Double the Hühner

Für Gerichtsverfahren bleibt aber keine Zeit, denn das entscheidende Spiel beginnt recht zeitnah. In einer Mischung aus Blindverkostung und Formel 1 (einer recht plumpen Kopie des beliebten "Sommerhaus"-Blind-Parcours) möchte sich Vanessa lieber an Stimmen als an Richtungsbefehlen orientieren: "Julian, sag was Schönes". Der reagiert ungewöhnlich bescheiden und sagt statt "ich" nur "ja".

Beide Gruppen, also insgesamt acht Promis, scheitern dabei komplett an Fragen wie "5 Hühner legen in 5 Tagen 50 Eier. Wie viele Eier legen 10 Hühner in 10 Tagen?" Wobei, ganz richtig ist das nicht. Boygroup-Methusalem Terenzi entpuppt sich als Adam Riese des CDGL und rechnet vor: "Double the Hühner und double the time, das macht 200". Leider wird er von seinen Teamkollegen Elvers und Semmelrogge überstimmt, die Theresias Vorschlag "nach Dreisatz X gleich 1 Huhn" vertrauen und somit auf 100 tippen.

Ein fataler Fehler, denn so gewinnt Team Pink mit Vanessa, Sebastian, Cora und Teamleiter Julian. In seiner Eigenschaft als neuer Clubchef nominiert die fleischgewordene Cartier-Brosche Jules Äffäh Ämmäh Schdohgguelläh (wie er in Paris genannt wird) Marc Terenzi und Jenny Elvers aus dem Verliererteam.

Das bedeutet: Einer von diesen beiden wird von den stimmberechtigten Vanessa, Sebastian und Cora nach Hause geschickt. Die Stoeckel hat als Chefstratege keine Stimme. Vanessa bleibt dem vorab ausgeheckten Frauenpower-Protokoll treu und wählt Marc. Sebastian allerdings entscheidet sich für Jenny. Aller nicht so guten Dinge sind also drei: Die letzte Stimme von Cora Schumacher entscheidet.

Nach der gängigen "schwerste Entscheidung meines Lebens"-Prosa, ausreichend Tränen und einer wortreichen Beteuerung, sie würde sich keinesfalls an einem gemeinsamen "Männer raus"-Plan beteiligen, geht ihre Stimme an Marc. Marc Terenzi wird also den CDGL verlassen und wieder in seine Boygroup-WG mit Jay Khan zurückkehren müssen. Den Rest des Abends liegt Cora heulend Jenny und Marc im Arm, als hätte sie gerade ihr Rückflugticket buchen müssen. Ob sie sich bis nächste Woche wieder einzukriegen vermag – ich werde berichten. Bis dann!

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