ImApril2025 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Statue einer sogenannten "Trostfrau" bis mindestens September in Moabit stehen bleiben darf. In Köln sorgte die Aufstellung eines ähnlichen Denkmals für diplomatische Verstimmungen. Seit Jahren versucht Japan, diese Mahnmale zu verhindern und sieht sich deswegen heftiger Kritik ausgesetzt. Um diesen Streit zu verstehen, muss man die Geschichte hinter dem System massenhafter Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg kennen.

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"Trostfrauen" ist die Übersetzung eines japanischkoreanischen Begriffs, der wörtlich Frauen bezeichnet, die Männer "aufheitern", "unterhalten" oder eben "trösten" sollen. Heutzutage meint man damit vor allem die Frauen, die kurz vor oder während des Zweiten Weltkriegs von der japanischen Armee als Prostituierte in Militärbordellen für die Soldaten rekrutiert wurden – die grosse Mehrheit von ihnen gegen ihren Willen. Es handelte sich also um systematische Zwangsprostitution.

Staatlich organisiertes System der Zwangsprostitution

"Das Phänomen ist älter als die Moderne", erklärt ReinhardZöllner, Professor für Japanologie und Koreanistik an der Universität Bonn im Gespräch mit unserer Redaktion. Bereits in der frühen Neuzeit gab es Berufsgruppen, die in Japan als Geisha, in Korea als Gisaeng bekannt waren. Diese Frauen servierten Speisen, sangen, tanzten und mussten oft auch sexuelle Dienste leisten – teils freiwillig, teils unfreiwillig. Der Betrieb war meist staatlich organisiert und die Frauen mussten eine Ausbildung durchlaufen.

"Freiwillige Berufswahl war das nicht."

Reinhard Zöllner, Professor für Japanologie und Koreanistik, über das "Trostfrauen"-System

Im 20.Jahrhundert begann die japanische Armee gezielt nach Prostituierten für das Militär zu suchen. "Die rekrutierten Frauen stammten in der Regel aus armen Bauernfamilien und wurden von ihren Angehörigen verkauft. Freiwillige Berufswahl war das nicht", betont Zöllner.

Die Frauen wurden als Lizenzprostituierte registriert und medizinisch überwacht. Nach der Kolonisierung Koreas 1910 übertrug Japan dieses System auch auf die koreanische Halbinsel. "Die Behörden wussten genau, wer tätig war und wer die Bordelle betrieb", so Zöllner.

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Der Zweite Weltkrieg begann in Asien bereits 1937 mit Japans Angriff auf China. Um Massenvergewaltigungen in besetzten Gebieten zu verhindern, hatte das Militär bereits seit 1932 eigene Bordelle eingerichtet – teils in Eigenregie, teils mit Zuhältern oder in Form sogenannter "wilder Bordelle".

"Anfangs handelte es sich meist um angeworbene japanische Frauen, die bereits in der Prostitution arbeiteten", sagt Zöllner. Damit sind vor allem Frauen gemeint, die von ihren Familien – zur damaligen Zeit legal – in die Prostitution verkauft worden waren.

Doch 1938 trat Japan der Völkerbund­konvention gegen Menschenhandel bei. Fortan durften japanische Frauen nicht mehr verkauft werden. Für die Kolonien galt das Verbot jedoch nicht. "Die Regierung beschloss daraufhin, vor allem in Korea zu rekrutieren", erklärt Zöllner. Neben Korea geschah das beispielsweise aber auch in Taiwan oder auf den Philippinen.

"Es war sexuelle Sklaverei, weil die Möglichkeit, freiwillig wieder auszusteigen, äusserst gering war."

Prof. Reinhard Zöllner

Viele der Frauen oder sogar Mädchen wurden zur Prostitution gezwungen – häufig unter falschen Versprechungen, sie würden in Hotels oder Fabriken arbeiten. Tatsächlich landeten sie in einem System sexueller Ausbeutung, das ihnen zwar Lohn und medizinische Versorgung versprach, sie in der Realität jedoch wie Ware behandelte. "Es war sexuelle Sklaverei, weil die Möglichkeit, freiwillig wieder auszusteigen, äusserst gering war", fasst Zöllner zusammen. Mit fortschreitendem Krieg verschärften sich die Bedingungen weiter.

Wohl bis zu 200.000 "Trostfrauen"

Belastbare Zahlen, wie viele Frauen betroffen waren, existieren nicht; Schätzungen liegen zwischen 50.000 und 200.000. "Man kann Japan vorwerfen, die Buchhaltung bewusst verschleiert zu haben", sagt Zöllner. Rückschlüsse aus zeitgenössischen Berichten stützen diese Grössenordnung: 1945 meldeten sich beispielsweise in Shanghai über 700 koreanische Frauen, die nach Kriegsende nach aus Korea nach China heimkehren wollten – 700 Frauen allein für diese eine Stadt.

Nach dem Krieg kehrten die Frauen, soweit möglich, in ihre Heimat zurück. Manche gerieten in Kriegsgefangenschaft, weil sie offiziell als rekrutierte Angehörige der Armee galten. Manche wurden von US-amerikanischen Besatzungssoldaten zur Prostitution gezwungen. "Das ist ein Thema, das lange verschwiegen wurde", sagt Zöllner.

In Korea verhinderte der Koreakrieg (1950 bis 1953) zunächst jede Aufarbeitung oder Entschädigung. Auch danach tat sich lange nichts. In den 1980erJahren tauchte dann der Brief der 700 Shanghaier "Trostfrauen" erneut auf und löste eine Debatte aus. 1991 schilderte die KoreanerinKimHakSoon erstmals vor laufenden Kameras ihr Schicksal als damals minderjährige "Trostfrau".

Zwar räumte der japanische Staat die Existenz der "Trostfrauen" ein, doch den systematischen Menschenhandel leugnete er später wieder. "Dabei wurden die Frauen auf Militärschiffen transportiert – das System war gewollt und gefördert", betont Zöllner. 1995 richtete Japan die "Stiftung für die Frauen Asiens" ein, die bis 2007 bestand. Jede ehemalige "Trostfrau" konnte sich hier melden und erhielt umgerechnet rund 16.000Euro und ein Entschuldigungsschreiben des damaligen japanischen Premierministers.

Entschädigt wurden aber lediglich 285 Frauen aus Korea – ein Bruchteil der Betroffenen. Das liegt auch dran, dass der koreanische Frauenverband die Stiftung ablehnte. Er forderte zunächst eine offizielle Entschuldigung der japanischen Regierung im Namen des Kaisers. Ehemalige japanische "Trostfrauen" meldeten sich gar nicht. Scham und Angst, die nationale Ehre zu verletzen, spielten dabei wohl eine Rolle.

41 Euro Entschädigung für Betroffene

"Es ist äusserst unglücklich gelaufen", sagt Zöllner. Japanische und koreanische Frauenbewegungen überwarfen sich, nationalistische Strömungen standen sich unversöhnlich gegenüber. Der koreanische Verband geriet zudem in die Kritik: Ehemalige "Trostfrauen" mussten um Aufnahme ins verbandseigene "Haus des Teilens" bitten, fühlten sich bei Auftritten zensiert und ein Finanzskandal erschütterte die Organisation. Dennoch treibt gerade dieser Verband – unterstützt von der koreanischen Diaspora – weltweit das Aufstellen der "Trostfrauen"Statuen voran, auch in Köln und Berlin.

Ende der 1990erJahre näherten sich Japan und Südkorea dann an, aber erst 2015 unterzeichneten die beiden Länder ein historisches Abkommen, wonach die "Trostfrauen"Frage "endgültig und unwiderruflich geklärt" sei. Japan zahlte eine Milliarde Yen (umgerechnet 8,3 Millionen Euro) an Entschädigung. Geht man von 200.000 "Trostfrauen" aus, wären das 41 Euro pro Betroffene. Als Folge dieses Vertrags unterstützt die südkoreanische Regierung aber die Aufstellung neuer Statuen heute nicht.

Aktivisten und Aktivistinnen und viele Betroffene kritisieren das Abkommen: Es enthalte nach wie vor keine offizielle Entschuldigung. Manchen gilt das Abkommen sogar als Rückfall in postkoloniale Denkmuster und Geschichtsrevisionismus. So finden bis heute weltweit Demonstrationen und Performances vor japanischen Botschaften statt – gemeinsam mit den wenigen noch lebenden Frauen, die damals als zum Teil minderjährige Sexsklavinnen verkauft wurden und in den Jahrzehnten danach so gut wie keine Wiedergutmachung erhielten.

Über den Gesprächspartner

  • Prof.Dr.ReinhardZöllner leitet das Zentrum für Japanologie an der UniversitätBonn und ist Autor des Standardwerks Geschichte Japans. Von 1800 bis in die Gegenwart.

Verwendete Quellen