Die Kämpfe im Zuge der neuen israelischen Offensive gehen unvermindert weiter. Täglich werden Dutzende Tote im Gazastreifen gemeldet. Der britische Aussenminister David Lammy verkündete nun erste Konsequenzen.

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Grossbritannien setzt wegen des Gaza-Kriegs Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Israel aus. "Das Handeln der Regierung Netanjahu hat das notwendig gemacht", sagte der britische Aussenminister David Lammy im Unterhaus in London. Auch die israelische Botschafterin werde einbestellt. Zudem kündigte Lammy weitere Sanktionen gegen Siedler im Westjordanland an.

"Seit elf Wochen blockieren israelische Streitkräfte den Gazastreifen, sodass das Welternährungsprogramm keinerlei – wirklich keinerlei – Vorräte mehr hat", sagte Lammy. Israel habe zudem wiederholt Krankenhäuser angegriffen, Hilfskräfte und medizinisches Personal seien getötet worden.

Am Montag hatte Israel erstmals seit März wieder Hilfstransporte in das abgeriegelte Küstengebiet gelassen. Fünf Lastwagen mit Hilfsgütern überquerten den Grenzübergang Kerem Schalom. Nach Angaben der UN gab Israel zudem inzwischen die Zusage, dass 100 weitere Hilfstransporte in den Gazastreifen fahren dürfen.

Lammy: 9.000 Lastwagen warten auf Einlass

Für Grossbritannien ist das lange nicht ausreichend. Über 9.000 Lastwagen stünden an der Grenze zum Gazastreifen bereit, Hilfe zu bringen, sagte Lammy. An Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gerichtet, appellierte er: "Beenden Sie diese Blockade jetzt und lassen Sie die Hilfe hinein."

Zu Plänen des israelischen Regierungschefs, die Bewohner des Gazastreifens in einen kleinen Bereich im Süden zu zwingen und zu Drohungen von dessen Finanzminister Bezalel Smotrich mit Zerstörung und dauerhafter Vertreibung sagte der Labour-Politiker: "Wir müssen das beim Namen nennen. Es ist Extremismus. Es ist gefährlich. Es ist abscheulich. Es ist monströs. Und ich verurteile es auf das Schärfste."

Auch Spanien, Frankreich und Kanada haben mit Sanktionen gedroht, sollte Israel seine Offensive fortsetzen und weiter Hilfslieferungen blockieren. Am Montag hatte Israels Premier Benjamin Netanyahu angekündigt, den gesamten Gazastreifen einnehmen zu wollen.

Nun habe Israels Militär in verschiedenen Gebieten des Gazastreifens Angriffe geflogen, teilte die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa mit. Zwölf Menschen sind dem Bericht zufolge in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens getötet worden. Weitere Tote habe es in Chan Junis im Süden des Küstengebiets, in Nuseirat sowie in der Nähe der Stadt Gaza gegeben, meldete Wafa unter Berufung auf medizinische Kreise im Gazastreifen. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Dutzende Tote täglich nach neuer Offensive

Israels Armee erklärte, im Laufe des vergangenen Tages mehr als 100 Ziele im gesamten Gazastreifen angegriffen zu haben. Das Militär sprach von "Terrorzielen". Darunter seien Waffenlager sowie von Terroristen genutzte Militäreinrichtungen gewesen. Auch unterirdische Infrastruktur sowie Beobachtungseinrichtungen seien angegriffen worden, hiess es. Auch diese Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe im Zuge der neuen Grossoffensive massive Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. Inzwischen sind dort auch Bodentruppen im Einsatz. In den vergangenen Tagen waren aus dem Küstengebiet bereits täglich Dutzende Tote gemeldet worden. Das erklärte Ziel der israelischen Regierung ist neben der Einnahme des Gazastreifens, die islamistische Terrororganisation Hamas vollends zu zerschlagen sowie die von Extremisten noch immer festgehaltenen Geiseln zu befreien.

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UN und Hilfsorganisationen warnen vor Hungersnot

Die UN und Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in dem abgeriegelten Küstenstreifen; die Appelle an Israel wurden zuletzt immer vehementer. Während der Feuerpause Anfang des Jahres waren jeden Tag bis zu 600 Lastwagen mit Hilfsgütern über die Grenze in den Gazastreifen gefahren.

Israel wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Angenommen wurde ausserdem, dass Israel mit dieser Blockade den Druck auf die Hamas erhöhen wollte.

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Indes geraten die Gespräche zur Beendigung des Gaza-Kriegs in der katarischen Hauptstadt Doha nach Angaben des Vermittlerstaats Katar weiter ins Stocken. Bereits seit Monaten geht es zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas bei den indirekten Verhandlungen nicht voran. Auch die jüngsten Gespräche nach dem Start der Offensive waren nicht erfolgreich.

"Die Gesprächsrunden der vergangenen Wochen haben uns leider nirgendwohin geführt", sagte der katarische Aussenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani bei einem Wirtschaftsforum in Doha. Es gebe eine "grundlegende Lücke" zwischen den beiden Konfliktparteien.

Der israelische TV-Sender Kan berichtete unterdessen, Netanjahu erwäge, die israelische Delegation aus Doha noch am heutigen Dienstag abzuziehen. Sollte es keine Fortschritte bei den Verhandlungen geben, würde er das Team zurückschicken. Offizielle Angaben von Netanjahus Büro gab es zu dem Bericht zunächst nicht.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das die Hamas und andere Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 verübt hatten. (dpa/bearbeitet von lko)

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