Die Menschen in Gaza hungern, es gibt kaum noch medizinische Versorgung, täglich sterben Dutzende bei Angriffen. Die Kritik am Vorgehen Israels wird immer lauter – international und selbst im Land.

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Der israelische TV-Sender N12 spricht von "einer politischen und diplomatischen Krise, wahrscheinlich der schwerwiegendsten und schwierigsten, die es (Israel) je erlebt hat". Immer mehr Staaten verlieren die Geduld mit Israel. Die neue Grossoffensive im Gazastreifen geht vielen zu weit. Wo die bisherigen Verbündeten stehen und wie es weitergehen könnte:

Wie reagieren ausländische Verbündete?

Drastische Worte fanden zuletzt die einstigen Freunde Israels Emmanuel Macron, Keir Starmer und Mark Carney. Die drei Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Grossbritannien und Kanada sprachen in einer Erklärung von einer "völlig unverhältnismässigen Eskalation". "Das menschliche Leid in Gaza ist unerträglich", hiess es. Sollte die neue Grossoffensive nicht eingestellt werden, würden die drei Länder mit "konkreten Massnahmen" reagieren. Weitere Details nannten sie nicht. London machte indes ernst und setzte Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Israel aus.

Die EU stellte derweil ihr Partnerschaftsabkommen mit Israel infrage: Bei einem Aussenministertreffen habe sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen, zu überprüfen, ob Israel sich noch an die Grundprinzipien des sogenannten Assoziierungsabkommens hält, sagte die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas in Brüssel. Zu diesen gehört, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte beruhen.

Familien im Gazastreifen: "Wir sterben, wir sind hungrig"

In einem Flüchtlingslager im Gazastreifen berichten Menschen, dass sie vergeblich auf Hilfslieferungen warten. Die teilweise Wiederaufnahme von Hilfslieferungen in den Gazastreifen nach mehr als zwei Monaten Blockade ist international als unzureichend angeprangert worden.

Was ist mit dem wichtigsten Partner USA?

Von der US-Regierung sind derart scharfe Worte nicht zu hören. Auf einem viertägigen Trip durch mehrere Golfstaaten sagte US-Präsident Donald Trump zuletzt auffallend wenig zum Gaza-Krieg. Er sprach an einer Station zwar wie schon zuvor von einer "sehr ernsten" Situation und beklagte das Leiden der Menschen in dem Gebiet. Auf einem anderen Stopp ging er wiederum nur auf seine umstrittene Idee ein, den Gazastreifen zu räumen und als Immobilienprojekt wirtschaftlich zu entwickeln. Trump will vor allem Geschäfte und Handel vorantreiben – und auch aus dem Grund dort Frieden erreichen.

Insgesamt war zuletzt etwas Distanz der US-Regierung zu Netanjahu zu beobachten. Die Amerikaner preschten teils im Alleingang und ohne Abstimmung mit Israel vor: etwa bei direkten Gesprächen mit der Hamas über eine Geiselbefreiung, direkten Gesprächen mit Teheran über das iranische Atomprogramm oder Absprachen zu einer Deeskalation mit der Huthi-Miliz. Trump legte auf seinem Nahost-Trip auch keinen Stopp in Israel ein. In US-Medien ist von zunehmender Frustration im Trump-Team mit Netanjahu die Rede. An der Unterstützung Israels ändert das aber nichts.

Wie verhält sich Deutschland?

Die neue Bundesregierung hält sich wie die USA zurück. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat vergangene Woche in seiner Regierungserklärung die aus dem Holocaust entstandene historische Verantwortung Deutschlands für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel bekräftigt. "Wir stehen unverbrüchlich an der Seite Israels", sagte er.

Merz hat sich zwar besorgt zur Lage im Gazastreifen geäussert, direkte Kritik am militärischen Vorgehen Israels war von ihm bisher aber nicht zu hören. Er hat zuletzt sogar erneut erklärt, dass er sich trotz internationalen Haftbefehls einen Besuch Netanjahus in Deutschland vorstellen kann.

Für diplomatische Verstimmung sorgt allerdings der jüngste Vorfall im besetzten Westjordanland, bei dem Schüsse auf eine Delegation, darunter auch ein deutscher Vertreter, abgegeben wurden.

Das Auswärtige Amt verlangt von der israelischen Regierung Aufklärung, wie es zu Schüssen in Richtung einer angemeldeten Delegation kommen konnte. "Diesen unprovozierten Beschuss verurteilt das Auswärtige Amt scharf. Wir können von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist", erklärte eine Sprecherin. Auch ein deutscher Diplomat und ein Fahrer aus dem Vertretungsbüro Ramallah gehörten zu der Gruppe, die in Koordination mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Armee unterwegs war.

Nach Angaben des israelischen Militärs soll die Delegation von einer zuvor genehmigten Route abgewichen sein. Das Auswärtige Amt betont jedoch, dass die unabhängige Beobachterrolle von Diplomatinnen und Diplomaten keine Bedrohung für israelische Sicherheitsinteressen darstelle – und dass ihre Unversehrtheit garantiert werden müsse.

Wie reagiert die israelische Opposition?

Bisher war Israels Opposition eher zurückhaltend mit ihrer Kritik an der Kriegsführung im Gazastreifen. Hohe Wellen schlug nun ein Interview des linksliberalen Politikers Jair Golan im Radio des Kan-Senders. Dort sagte er, Israel laufe Gefahr, zu einem international geächteten "Pariastaat" zu werden. Er sagte: "Ein vernünftiges Land führt keinen Krieg gegen Zivilisten, es tötet keine Babys als Hobby und zielt nicht auf die Vertreibung der Bevölkerung." Sowohl Regierungs- als auch Oppositionspolitiker kritisierten den Vorsitzenden der linken Partei "Die Demokraten" dafür scharf. Golan war früher Vizegeneralstabschef der israelischen Armee.

Israels Ex-Regierungschef Ehud Olmert meldete sich in der britischen BBC zu Wort. Er sagte, dass das, was Israel "jetzt im Gazastreifen tut, einem Kriegsverbrechen sehr nahe kommt". Den Krieg bezeichnete er als "Krieg ohne Ziel, ein Krieg ohne die Chance, irgendetwas zu erreichen, dass das Leben der Geiseln retten kann". Unschuldige Palästinenser und israelische Soldaten würden sterben. Dies sei "in jeder Hinsicht abscheulich und empörend".

Wird Israels Regierung auf die Kritik eingehen?

Es ist unklar, ob die Netanjahu-Regierung auf den Druck aus dem Ausland reagieren wird. Im Hinblick auf die Hilfslieferungen in den Gazastreifen hat sich jedoch gezeigt, dass massiver Druck aus den USA die Regierung zum Umdenken bewegen kann. Nach fast dreimonatiger Blockade teilte Netanjahu am Sonntag mit, wieder Hilfstransporte in das Gebiet zuzulassen – allerdings nur zur "Grundversorgung".

Israels "beste Freunde in der Welt" hätten ihm jede Hilfe zur Erreichung der israelischen Kriegsziele zugesagt, allerdings seien für sie die "Bilder des Hungers, des Massenhungers" unerträglich, sagte Netanjahu in einer Videoansprache. Aus seiner rechtsreligiösen Regierung gab es Kritik an dem Schritt. Ohne Abstimmung wurde dieser dann jedoch im Kabinett durchgeboxt.

Die Kritik aus Paris, London und Ottawa wies Netanjahu zurück. Mit ihrer gemeinsamen Erklärung böten sie eine "riesige Belohnung für den völkermörderischen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und laden gleichzeitig zu weiteren solchen Gräueltaten ein", schrieb er bei X. Zu Golan und Olmert schrieb er: "Während IDF-Soldaten die Hamas bekämpfen, gibt es diejenigen, die die lügnerische Propaganda gegen den Staat Israel unterstützen." (dpa/bearbeitet von mcf und amb)