Thomas Gottschalk hat im deutschen Fernsehen früher vor allem Baggerfahrer-Wetten und "dummes Zeugt" kommentiert, wie er selbst zugibt. Am Mittwochabend darf er aber an der Kommentatoren-Theke von Sandra Maischberger Platz nehmen, um die grosse und kleine Politik zu begutachten. Er schlägt sich achtbar und sorgt für die eine oder andere spitze Bemerkung. Sein flapsiger Ton kann aber auch nicht verhindern, dass die Talksendung eher spannungsarm vor sich hinplätschert.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Fabian Busch dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das sind die Gäste

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Ulrike Herrmann: Die Wirtschaftsredakteurin der "taz" ist voll des Lobes für die 100-Tage-Bilanz von US-Präsident Joe Biden. Konjunkturpaket, Reichensteuer, Klimapolitik: "Aus deutscher Sicht hat er noch mehr geliefert, als man von ihm erwartet hat."

Nena Schink: Die Journalistin der "Bild"-Zeitung ist wiederum begeistert von Schauspieler Jan Josef Liefers und seiner jüngsten Medienschelte: "Jan Josef Liefers hat recht: Am Anfang der Pandemie waren wir Journalisten nicht kritisch genug."

Thomas Gottschalk: Der Fernsehmoderator war erst nicht sicher, ob er kommen soll. Denn er gehört zur Sorte Prominenter, die glauben, öffentlich nicht mehr alles sagen zu dürfen, was ihnen durch den Kopf gehört: "Die Fähigkeit, einen Shitstorm zu erzeugen – die habe ich auch."

Sigmar Gabriel: Der frühere Aussenminister (SPD) fordert von Europa, auf internationaler Ebene mehr Macht zu zeigen. "Sonst ist es weiter so, dass wir in der Welt der Fleischfresser als Vegetarier gelten." Andererseits: Eine gemeinsame europäische Armee findet er eine grössenwahnsinnige Idee: "Es kommt mir so vor, dass da jemand Golf spielen will, der nicht mal Minigolf kann."

Helga Rübsamen-Schaeff: Die Virologin propagiert die Entwicklung von Medikamenten gegen Covid-19. Ob die Impfstoffe auch gegen zukünftige Mutationen des Virus wirken, ist für sie eher zweifelhaft. Sie verweist darauf, dass Hersteller schon über eine dritte Impfdosis nachdenken. "Das täte man nicht, wenn man sich sicher wäre, es wäre gut genug."

Peter Hornung: Der ARD-Korrespondent berichtet aus Indien von den derzeit schrecklichen Zuständen dort. Pro Tag meldet das Land mehr als 300.000 Corona-Neuinfektionen. In der 20-Millionen-Metropole Delhi gebe es nur noch 18 freie Intensivbetten. Die meisten Menschen sterben aber nicht in den Krankenhäusern, so Hornung: "Corona ist eine stille Katastrophe, die in den Wohnungen stattfindet."

Das ist das Rededuell des Abends

Für die Diskussionen ist das Kommentatoren-Trio zuständig. Und wie es die politischen Ausrichtungen ihrer Redaktionen erwarten lassen, sind die zwei Journalistinnen meistens unterschiedlicher Meinung. Ulrike Herrmann lobt zum Beispiel Schnelligkeit, Fachwissen und die "steile Lernkurve" von Grünen-Chefin Annalena Baerbock: Die ist nach Ansicht der "taz"-Redakteurin eine bessere Kanzlerkandidatin als der unberechenbare Robert Habeck: "Die Grünen haben auf Nummer sicher gesetzt."

"Fassungslos" ist dagegen Nena Schink angesichts des Umfrage-Höhenflugs der Grünen. "Ganz grosse Angst" macht ihr eine mögliche Kanzlerin Baerbock. Sie wirft der Kandidatin vor, keinen "Klartext" zu sprechen: Baerbock habe eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen. "Solange sie das nicht gemacht hat, ist eine Stimme für die Grünen eine Stimme für die Linke", findet die "Bild"-Journalistin.

Den Klartext-Vorwurf findet dann aber auch Thomas Gottschalk ungerecht. Schliesslich könne man diesen Vorwurf auch anderen machen, findet er: "Wer redet denn im Moment von den Politikern Klartext? Die murmeln doch alle rum: Wir bereiten uns auf irgendwas vor, was wir längst hätten vorbereiten müssen."

Das ist das Ergebnis

Es ist keine Sendung für die Geschichtsbücher. Zu vorhersehbar und zu wenig überraschend sind die Standpunkte von Ulrike Herrmann und Nena Schink. Zu bekannt sind auch die weltpolitischen Erörterungen von Sigmar Gabriel, bei denen die Grenze zur Besserwisserei immer dünn ist. Am interessantesten ist noch, dass sogar der frühere SPD-Chef nicht mehr viel von seiner eigenen Partei bei der anstehenden Bundestagswahl erwartet. Das Rennen um das Kanzleramt wird seiner Meinung nach zwischen CDU und Grünen entschieden. Annalena Baerbock räumt er dabei "eine richtige Chance" ein.

Dabei hätte es noch mehr zu besprechen gegeben. Über die umstrittene #allesdichtmachen-Aktion von deutschen Schauspielenden gegen den Corona-Lockdown liesse sich zum Beispiel ganz hervorragend diskutieren. Das Thema kommt zwar in der Kommentatoren-Runde zur Sprache (mit den zu erwartenden Positionen). Aber anschaulicher und spannender wäre es gewesen, einen der kritischen Schauspieler einzuladen und mit der geballten Kritik zu konfrontieren, die die Aktion ausgelöst hat.

Am Ende dieser Sendung bleibt ein bitterer Ausblick: Die gefährliche Pandemielage in Indien könnte dort nicht nur unzählige Menschen das Leben kosten, sie wird auch weitere Mutationen begünstigen. Und noch eine schlechte Nachricht gibt es: Thomas Gottschalk bezweifelt, dass das Comeback von "Wetten, dass…?" wie geplant am 6. November dieses Jahres über die Bühne gehen kann. Aber seien wir ehrlich: Es gibt in dieser Krisenzeit wahrlich Schlimmeres.

Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen nominiert

Baerbock wird die Grünen als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl 2021 führen. Das gab der Grünen-Bundesvorstand im Rahmen einer Pressekonferenz am Montag bekannt.
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