Die Europäer drohen Russland mit neuen Strafmassnahmen, falls es in der Ukraine nicht schnell zu einer Waffenruhe kommt. Doch vor allem in den USA liegen Sanktionen auf dem Tisch, die es in sich hätten.

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Eine Drohung ist nur wirksam, wenn man im Notfall auch bereit ist, sie in die Tat umzusetzen. Vor diesem Problem stehen derzeit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Amtskollegen aus Frankreich, Grossbritannien und Polen. Sie hatten am 10. Mai angekündigt, den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, weitere Sanktionen zu verhängen, wenn es keine 30-tägige Waffenruhe in der Ukraine gibt. Das erste Ultimatum bis zum 13. Mai kümmerte den russischen Präsidenten Wladimir Putin aber nicht – die Attacken auf die Ukraine gingen weiter. Die Europäer verlängerten daraufhin die Frist bis zum Ende der vergangenen Woche.

Diese Woche hat nun auch geendet. Und jetzt?

Nächstes EU-Sanktionspaket soll Dienstag in Kraft treten

Am Dienstag soll ein neues Sanktionspaket der Europäischen Union verabschiedet werden. Es wäre bereits Paket Nummer 17 – war aber schon vor dem Ultimatum der Europäer in Planung. Es richtet sich gegen rund 200 Schiffe der sogenannten Schattenflotte, mit der Russland das im Zuge des Ukraine-Kriegs verhängte Öl-Embargo umgeht. Das sei ein erster Schritt, aber nicht ausreichend, kritisierte die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner am Montag. "Das entspreche nicht der Grössenordnung von Merz‘ Ankündigungen."

Ein weiteres Paket sei in Vorbereitung, deutete Merz vergangenen Donnerstag im ZDF an. Regierungssprecher Stefan Kornelius kündigte am Montag in der Bundespressekonferenz ebenfalls ein "18. Paket" an, ohne Einzelheiten zu nennen.

Ein Schritt, den Europa bisher nicht gegangen ist, wäre die Beschlagnahmung russischer Staatsvermögen. Diese sind bisher nur "eingefroren". Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass die EU gemeinsam so weit geht. Zudem wollen sich viele Mitgliedstaaten durch die Sanktionen nicht selbst wirtschaftlich schaden.

Die Wirkungen der bisherigen EU-Sanktionen sind schwer zu fassen. Viele Experten sind sich einig, dass sie Russland durchaus wirtschaftliche Probleme beschert haben. Doch schmerzhaft genug, um den russischen Krieg ganz zu beenden, waren sie nicht. Durch den Export von Öl und Gas kann Putin die Kriegskasse immer noch füllen.

Das "Knochenbrecher-Paket" aus den USA

Die wirkliche Drohung liegt deswegen nicht in Brüssel auf dem Tisch, sondern in Washington. Dort haben der republikanische Senator Lindsey Graham und sein Kollege Richard Blumenthal von den Demokraten bereits am 1. April einen Gesetzesvorschlag in den Senat eingebracht. Falls er beschlossen wird, würden die USA Zölle in Höhe von 500 Prozent auf Importe aus Staaten erheben, die russisches Gas oder Öl kaufen.

Aus Grahams Sicht würden diese Sanktionen Russlands Wirtschaft "die Knochen brechen". Auch in europäischen Regierungskreisen ist man der Meinung: Die USA halten damit wirklich ein mächtiges Druckmittel gegen Putin in der Hand. Die Durchschlagskraft von Sanktionen sei deutlich höher, wenn die Amerikaner mitziehen, sagte der deutsche Regierungssprecher Kornelius am Montag.

Lindsey Graham (Zweiter von links) beim Nato-Aussenministertreffen in Antalya. © AA/photothek.de/Thomas Koehler

Lindsey Graham ist eine schillernde Figur in Washington. Früher hat er Donald Trump einmal als "unwählbar" bezeichnet – doch dann wurde er zu einem seiner überzeugtesten Unterstützer. In der US-Administration hat er grossen Einfluss, in der vergangenen Woche begleitete er Marco Rubio zum Nato-Aussenministertreffen in Antalya. Auch dort sprach er offenbar mit den Vertretern der europäischen Nato-Staaten über sein Sanktionspaket.

Graham ist zwar ein Trump-Freund – aber kein Putin-Versteher. "Die vorherrschende Sichtweise in den USA lautet: Russland ist der Aggressor und dieser entsetzliche Krieg und Putins Aggression müssen jetzt enden und in der Zukunft verhindert werden", teilte er Anfang April mit, als er seinen Gesetzesvorschlag einbrachte.

Viele Unterstützer – aber noch keine Abstimmung

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge haben sich inzwischen 73 von 100 Senatoren hinter Grahams Sanktionspaket gestellt – eine durchaus ungewöhnlich hohe Zahl im politisch polarisierten Washington.

Allerdings gilt auch hier: Bis jetzt ist es nur eine Drohung. Denn über den Gesetzesvorschlag hat der Kongress bisher nicht abgestimmt – obwohl inzwischen sechs Wochen vergangenen sind, seit Graham und Blumenthal ihn eingebracht haben.

Möglicherweise spielt das Graham-Paket trotzdem eine Rolle: als Druckmittel im Gespräch, das US-Präsident Donald Trump am Montag mit Wladimir Putin führen will.

Verwendete Quellen