Kasper Hjulmand soll Bayer Leverkusen als Trainer durch den XXL-Umbruch führen. Dem Dänen soll das nicht nur durch sportliche Kompetenz, sondern auch durch Empathie und Authentizität gelingen. Passt das? Ex-Bayer-Profi Carsten Ramelow gibt seine Einschätzung.
Kasper Hjulmand deutete recht schnell an, warum Bayer Leverkusen mit ihm in die Zukunft gehen möchte. Der Däne wirkte selbstbewusst bei seinem ersten Auftritt als neuer Trainer des Werksklubs. Er agierte souverän, eloquent, als ein Mann mit Prinzipien und klaren Vorstellungen. "Ich bin sehr fordernd. Ich sehe Potenzial, überall Dinge zu optimieren", sagte er bei seiner Vorstellung. Lautstärke brauche er dafür keine: "Ich schreie Leute nicht an. Ich muss Leute nicht zerstören, um zu zeigen, dass ich ein starker Anführer bin."
Es ist ein Satz, der nachhallt. Weil er wie eine Antwort auf das ungewohnte Chaos der vergangenen Wochen rund um die Entlassung von Erik ten Hag klingt und weil er unterstreicht, warum die Bayer-Bosse gerade ihn ausgewählt haben. Denn es sei wichtig, "einfach einen guten Alltag zu haben: gute Arbeit, gute Trainingsarbeit, ein gutes Miteinander, dass die Chemie stimmt. Und auch Führung der Gruppe", sagte Geschäftsführer Simon Rolfes.
Feine Seitenhiebe gegen Ex-Trainer ten Hag
Es sind feine Seitenhiebe gegen den überraschend schnell geschassten ten Hag. Was genau vorgefallen ist zwischen Ex-Trainer, Mannschaft und Klub-Verantwortlichen, sind in erster Linie Gerüchte. Die Massnahme, den Niederländer nach nur zwei Bundesliga-Spieltagen zu entlassen, hat deshalb auch Klub-Legende Carsten Ramelow komplett überrascht.

Er macht im Gespräch mit unserer Redaktion klar, was jetzt zählt: "Wenn du keine Empathie hast, wird es schwierig. Kommunikation gehört genauso dazu – egal ob im Beruf oder privat. Spieler musst du erreichen, und das geht nur, wenn du authentisch bist und klare Regeln vorgibst. Fehlen diese Punkte, wird es für einen Trainer verdammt schwer."
Entscheidend werde sein, ob er die Spieler packen könne. "
Hjulmand "ein Freund der Spieler"
Genau hier setzt Hjulmand an. Der 53-Jährige, der zuletzt von 2020 bis 2024 Nationaltrainer Dänemarks war, gilt als ruhiger Stratege, als Trainer, der zuhört und Nähe schafft. 2021 moderierte er das Drama um
Für Wolfsburgs Joakim Maehle ist er laut n-tv "ein richtig guter Trainer, aber dazu auch ein Freund der Spieler". Der langjährige Dänen-Kapitän Simon Kjaer bezeichnete Hjulmand als "aussergewöhnlich". Er denke "rund um die Uhr an Fussball". Aber: Hjulmand habe auch gezeigt, "dass er viel mehr als das ist". Die Botschaft ist klar: Mit Hjulmand soll Bayer wieder einen Coach haben, der Kabine und Verein zusammenführt.
Ramelow hat bei Hjulmand "automatisch ein gutes Gefühl"
Hjulmand habe eine sympathische Ausstrahlung, wirke authentisch, findet Ramelow. "Ich glaube schon, dass er damit in einer Mannschaft gut ankommt. Vielleicht ist das auch etwas typisch Dänisches – da hat man automatisch ein gutes Gefühl", erklärte der Ex-Nationalspieler.
Bei Bayer setzt man darauf, dass Hjulmand ähnlich wie Alonso als Menschenfänger vor allem die Mannschaft packt, dann auch Fans und Umfeld, im Idealfall mit sportlichen Erfolgen. Ein Vorteil ist, dass die Verbindung zum Klub schon länger besteht.
Zum einen arbeitet sein früherer Mainzer Co-Trainer Keld Bordinggaard seit 2021 als Leiter der Trainerakademie bei Bayer. Zum anderen hatte Hjulmand Bayer seinen Nationalmannschafts-Assistenten Ismael Camenforte empfohlen, der in Leverkusen als Methodik-Trainer tätig war und zuletzt mit Alonso zu Real wechselte. "Unsere Trainingsmethodik ist Kasper sehr gut bekannt und auch wie wir Fussball spielen wollen. Deswegen ist er eine hervorragende Wahl", sagte Rolfes.
Hjulmand der perfekte Fit? Ramelow unschlüssig
Passt Hjulmand also zu Bayer? Ramelow ist noch unschlüssig. "Ich würde nicht sofort sagen: Das ist der perfekte Fit", sagt Ramelow und verweist darauf, dass Hjulmand keine grosse und erst recht nicht erfolgreiche Bundesliga-Erfahrung besitze. Dazu arbeitete der Däne zuletzt vor sechs Jahren im Vereinsfussball, sein grösster Erfolg war der Meistertitel 2012 in Dänemark mit dem FC Nordsjaelland.
Gerade Hjulmands magere Bilanz in der Bundesliga macht wenig Hoffnung. 2015 war er beim FSV Mainz 05 nach nur 21 Spieltagen entlassen worden. Mainz-Manager Christian Heidel, der ihn damals in die Bundesliga holte, glaubt aber fest daran, dass Trainer und Klub zusammenpassen: "Das kann sehr gut funktionieren mit ihm und Bayer – weil er genau den Fussball liebt, den Leverkusen auch spielen will. Kasper ist ein Top-Trainer!", sagte Heidel der "Bild". Und auch Ramelow sagt: "Wer die dänische Nationalmannschaft trainiert hat, bringt Qualität mit. Ob es am Ende wirklich passt, wird sich zeigen. Mein Bauchgefühl ist aber eher positiv."
Bayer Leverkusen im XXL-Umbruch
Hjulmand übernimmt bei Bayer eine Mannschaft, die sich in einem XXL-Umbruch befindet. Viele Leistungsträger sind nach Alonsos Abgang zu Real Madrid ebenfalls weitergezogen, eine ganze Achse mit Führungsspielern ist weggebrochen, Typen fehlen.
Disziplin bleibe ein zentrales Thema, betont Ramelow. "Da braucht ein Trainer Rückendeckung vom Verein. Er muss auch unpopuläre Entscheidungen treffen dürfen. Wenn diese Unterstützung fehlt und die Vereinsführung andere Vorstellungen hat, wird es problematisch. Und dazu geht es darum, den Kader zu einer Mannschaft zu formen."
Ramelow glaubt, dass es für Leverkusen "ein schwieriges Jahr" wird, meint das aber auf hohem Niveau. "Ziel sollte es sein, am Ende unter die Top 4 zu kommen und damit die Champions League zu erreichen. Das ist realistisch und auch machbar. Denn auch die Konkurrenz ist nicht frei von Schwankungen."
Das Knall-Potenzial bleibt durch die Chaos-Wochen aber trotzdem gross. "Ruhe zu bewahren, gehört zur DNA des Vereins. Spannend wird, ob man diese Ruhe auch behält, wenn die nächsten Spiele unter dem neuen Trainer nicht laufen", sagt Ramelow. Die Verantwortlichen sind mit der frühen Korrektur auf dem Trainerposten sowieso schon ein grosses Risiko eingegangen.
Dass die vergangenen beiden Jahre aussergewöhnlich waren, darf man bei Bayer nicht als Normalzustand betrachten. Der Kampf um die Königsklasse ist zwar die neue Normalität, aber auch noch kein Selbstläufer. Die Erwartung ist klar: Es muss sportlich funktionieren. Bleiben die Ergebnisse hingegen weiter aus, wird es noch ungemütlicher.
Hjulmand dämpft die Erwartungen
"Am Ende müssen die Spieler liefern, und der Trainer muss es schaffen, die Mannschaft schnellstmöglich wieder in die Spur zu bringen", sagt Ramelow: "Wenn das nicht gelingt, dann sind die schönen Zeiten ganz schnell vorbei. Denn irgendwann ist Schluss mit 'Neuanfang'."
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Das weiss auch Hjulmand. Er bremst die Erwartungen dann auch ein Stück weit. Es werde "eine grosse Herausforderung", betonte er, "denn im Fussball braucht man Prozesse. Man drückt nicht einfach einen Knopf und dann spielen sie so, wie man es sich vorstellt – das ist kein Fussball. Es wird harte Arbeit", unterstrich er, "aber ich glaube, das Potenzial hier ist gross." Ob er es ausschöpfen kann, wird sich schon sehr schnell zeigen. Denn angefangen mit dem schwierigen Heimspiel am Freitag gegen Eintracht Frankfurt wartet ein intensives Auftaktprogramm - mit insgesamt sechs Partien in 23 Tagen.
Verwendete Quellen
- n-tv.de: Eine extremere Trainerwende konnte Bayer Leverkusen nicht vornehmen
- bild.de: Heidel: Darum klappt’s mit Hjulmand bei Bayer
- Pressekonferenz Vorstellung Kasper Hjulmand
Zum Gesprächspartner
- Carsten Ramelow ist seit 2024 Präsident der VDV. Der Ehrenspielführer von Bayer 04 Leverkusen absolvierte für Bayer 431 Pflichtspiele, für Hertha BSC in der 2. Bundesliga 80 Begegnungen und zudem 46 Länderspiele. 2002 wurde er mit der deutschen Nationalmannschaft Vizeweltmeister.