Das DFB-Team musste gegen Schweden im dritten EM-Gruppenspiel gewinnen, um als Erster der Gruppe C in das Viertelfinale zu gehen. Die DFB-Frauen starteten furios und führten früh, doch die Schwedinnen hebelten immer wieder die deutsche Abwehr aus. Eine unglückliche Aktion von Wamser führt zum endgültigen Bruch.

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Das dritte Gruppenspiel versprach, ein Offensivfeuerwerk zu werden. Denn beide Mannschaften, Deutschland und Schweden, zeichnen sich durch ein kreatives und mutiges Angriffsspiel aus, ebenso aber auch für eine bisweilen verbesserungswürdige Abwehrarbeit. Wie es kam, stellt sich Bundestrainer Christian Wück die Partie aber trotz gutem Beginn nicht vor.

1:4 (1:3) verloren die DFB-Frauen gegen Schweden und beenden die EM-Gruppenphase auf dem zweiten Platz hinter ihren heutigen Gegnerinnen. Damit treffen sie kommende Woche Samstag (19.07.). auf den Ersten der Gruppe D, also auf Frankreich oder England. Theoretisch wären auch die Niederlande möglich – bei einem hohen Sieg über Frankreich.

Was vom Spiel hängen bleibt: Ein frühes Tor und Schwedens Dreifachschock

Die DFB-Frauen beginnen die Partie hellwach – schon nach wenigen Sekunden hat Jule Brand die erste Tormöglichkeit auf dem Fuss. Die Flügelspielerin ist es dann auch, die die deutsche Mannschaft nach etwas mehr als sechs Minuten in Führung bringt. Nach schönem Zuspiel durch Carlotta Wamser schiebt sie aus rund elf Metern ein. Doch die Schwedinnen treten genauso mutig wie die Deutschen auf und nutzen die Lücken, die sich insbesondere im defensiven Mittelfeld und in der Abwehr auftun, gut aus.

Stina Blackstenius macht den Anfang über die rechte Seite nach Zuspiel von Kosovare Arsllani – sie lässt Berger keine Chance (12.). Smilla Holmberg dreht das Spiel, wieder über die rechte Seite, in dem sie Sarai Linder und Klara Bühl eiskalt abblitzen lässt – 2:1 (25.). Endgültig bedient sind die DFB-Frauen dann mit dem Elfmeter, verursacht durch ein Handspiel von Wamser. Fridolina Rolfö netzt eiskalt ein (34). Zur Halbzeitpause muss Wück sein Team erst einmal sortieren.

Obwohl in der zweiten Halbzeit beide Teams munter durchwechseln und Christian Wück das System umstellen muss, wird sie wesentlich ruhiger als die erste. In der 80. Minute macht Lina Hurtig den Sack zu. Rytting Kaneryd passt im Sechzehner quer zur eingewechselten Stürmerin, die nur noch den Fuss hinhält.

Die Stars des Spiels: Die schwedische Offensivreihe

Die Schwedinnen sind nicht nur brillant im Pressing, sondern auch im Gegenpressing. Blitzschnell ist der Ball wieder und wieder in der eigenen Angriffsreihe, die deutsche Abwehr kommt häufig nicht schnell genug hinterher. Das liegt am deutschen Tempo, aber auch an der Extraklasse der Schwedinnen, die in diesem Turnier bislang eine besondere Dominanz unter Beweis stellen.

Das Zusammenspiel der drei Offensivkräfte – Johanna Rytting Kaneryd, Kosovare Asllani und Fridolina Rolfö – funktioniert fast schon mustergültig. Sie erkennen die Räume, die bei der DFB-Elf entstehen, und dribbeln sich blitzschnell hinein. Wie gut Stürmerin Stina Blackstenius vom FC Arsenal übernehmen kann, beweist sie beim 1:1, als sie nach schönem Pass von Asllani allein in den Sechzehner läuft und genau sieht, bei welcher Ecke Ann-Katrin Berger keine Chance hat.

Die Szene des Spiels: Rote Karte und Elfmeter: Wamser ist die tragische Figur

Es ist eine herzzerreissende Szene, als Carlotta Wamser sich das Trikot über das Gesicht zieht und im Boden versinken möchte. Als sie die Einwechselbank erreicht hat, kommen direkt mehrere Mitspielerinnen zum Trösten, darunter auch die verletzte Kapitänin Giulia Gwinn. Wamser, die so überraschend in diese Rolle als Aussenverteidigerin gestolpert ist, stolpert nun auch bei diesem Abwehrversuch: Filippa Angeldahl passt in einem weiteren Moment, in dem Schweden einen Ticken schneller war als Deutschland, zu Rytting Kaneryd. Innenverteidigerin Rebecca Knaak kommt zu spät.

Rytting Kaneryd legt quer zu Rolfö, deren Schuss in den leeren Kasten von Ann-Katrin Berger gehen muss – wäre da nicht Wamser, die den Schuss unglücklich mit der nach oben gehenden Hand abwehrt (31.). Augenblick sinkt sie zu Boden. Dass das nicht nur die Rote Karte, sondern auch einen Strafstoss für Schweden bedeutet, weiss sie. Ausgerechnet die einzige verbliebene Rechtsverteidigerin im Kader muss raus.

Die Lehren des Spiels: 1. Hellwach ab Sekunde eins

Die langen Findungsphasen, die die deutsche Mannschaft in den ersten beiden Gruppenspielen gegen Polen und Dänemark jeweils hatte, standen klar auf Wücks Änderungsliste. In beiden Partien gelang der Elf kein Tor in der ersten Halbzeit, gegen die Däninnen gerieten sie sogar in Rückstand. Diesen Mangel hat die Mannschaft offensichtlich behoben, denn ab Sekunde eins spürt man den Offensivdrang: Schon nach 18 Sekunden gelangt Jule Brand zu ihrem ersten Torabschluss, in der zweiten Minute zielt Stürmerin Lea Schüller das erste Mal auf den gegnerischen Kasten.

Die frühe Führung nach nur zwölf Minuten durch Brand (7.) ist die logische Schlussfolgerung – und zeigte, wie viel schneller die DFB-Elf ins Pressing startet. Ein Gegentor nur fünf Minuten später, ein weiteres nach 25 Minuten und ein Elfmeter-Gegentor standen jedoch nicht auf Wücks Matchplan. Die Gegentore zeigen die strukturellen Fehler der deutschen Mannschaft, die Verfügbarkeit ab Sekunde eins, sie ist aber vorhanden im Team.

2. Nur noch zu zehnt: Wück muss improvisieren

Nach Wamsers Roter Karte muss Wück improvisieren. Eine Rechtsverteidigerin hat der Bundestrainer nicht mehr mit dabei, deshalb stellt er auf eine defensive Dreierkette – bestehend aus Kapitänin Janina Minge, Kathrin Hendrich und Sarai Linder – um. Rebecca Knaak wechselt er zur Halbzeit aus, was auch an ihrer fehlenden Geschwindigkeit liegen dürfte. Mindestens bei dem von Wamser vereitelten Torschuss durch Rolfö ist das zu erkennen.

Zusätzlich rückt er Brand auf dem rechten Flügel etwas hinten, ebenso Bühl. Doch die 24-jährige Bayern-Spielerin ist während der Partie ohnehin seit dem Wamser-Schock überall zu finden. Für Zehnerin Laura Freigang steht Sydney Lohmann auf dem Platz. Das Spiel beruhigt sich etwas, die ganz grossen Torchancen bleiben nun aus, die DFB-Frauen stehen defensiver und insgesamt kompakter. Doch Schweden dominiert das Spiel weiterhin, insbesondere auf der linken Flügelseite klafft regelmässig ein grosses Loch hinter Sarai Linder.

3. Berger wird weiter in Wücks Visier sein

Auch wenn die Schwedinnen den DFB-Frauen spielerisch ihre Grenzen aufgezeigt haben: Torfrau Ann-Katrin Berger gab erneut keine allzu gute Figur ab. Schon nach den teils riskanten Aktionen im letzten Spiel gegen Dänemark, teils weit ausserhalb des Sechzehners, hatte der 52-Jährige seine Keeperin öffentlich kritisiert.

Auch gegen Schweden stand die 34-Jährige nicht immer richtig. Beim ersten Gegentor blieb sie quasi stehen, während Blackstenius an ihr vorbeischoss. In der 30. Minute muss Sjoeke Nüsken statt ihrer Torhüterin klären. In der 39. Minute läuft erneut die Arsenal-Stürmerin auf Berger zu und täuscht die falsche Seite an, Blackstenius‘ Schuss geht aber vorbei. Nach einer schwedischen Ecke (67.) kann Berger nicht klären, der Abpraller wird aber nicht genutzt. Man wird sehen, ob Wück doch noch einmal im Tor handelt.