Nach der Erstrundenniederlage in Wimbledon gibt Alexander Zverev tiefe Einblicke in sein Innenleben. Er befinde sich in einem Loch und müsse wieder Freude ausserhalb des Tennisplatzes finden.
Alexander Zverev hat nach seinem frühen Wimbledon-Aus offen über mentale Probleme gesprochen und eine vierwöchige Tennis-Pause angekündigt. "Ich fühle mich generell gesprochen ziemlich alleine in meinem Leben, was kein schönes Gefühl ist", sagte der 28-Jährige zwei Stunden nach seiner Erstrundenniederlage beim Rasen-Klassiker. "Ich versuche, Wege zu finden, aus diesem Loch herauszukommen."
Der Weltranglistendritte hatte zuvor mit 6:7 (3:7), 7:6 (10:8), 3:6, 7:6 (7:5), 4:6 gegen den Franzosen Arthur Rinderknech verloren. Das Spiel war am Vorabend aufgrund der Sperrstunde unterbrochen und am Dienstag fortgesetzt worden.
"Es ist kein Gefühl auf dem Tennisplatz, es ist ein grundsätzliches Gefühl in meinem Leben. Ich habe mich noch nie so gefühlt", sagte er mit leiser Stimme. "Es ist schwierig für mich, ausserhalb des Tennisplatzes Freude zu finden."
Zverev: Brauche möglicherweise Therapie
Auf die Frage, ob er möglicherweise eine Therapie brauche, antwortete Zverev, dass dies möglicherweise das erste Mal in seinem Leben der Fall sei. Er habe sich noch nie so leer gefühlt. Er hoffe, beim Masters-1000-Turnier im kanadischen Toronto Ende Juli weitere Antworten geben zu können.
"Ich muss mich wieder selber ein bisschen finden und verstehen, welche Menschen mir Freude bringen, was mir Spass macht, was mich motiviert. Das ist für mich die Nummer eins Aufgabe mit 28", sagte Zverev. Er wolle dies nicht als Ausrede für die Niederlage nehmen, betonte er. Rinderknech habe verdient gewonnen. Zverev war immer wieder vorgeworfen worden, allerlei Ausreden für seine Niederlagen zu finden.
Tochter macht Zverev glücklich
Angesprochen auf seine Tochter Mayla, sagte Zverev: "Meine Tochter macht mich generell glücklich, das ist die Version, die mich am glücklichsten macht in meinem Leben. Aber sie ist vier. Normalerweise muss es andersrum sein, ich muss ihr Energie geben, ich muss sie glücklich machen und nicht andersrum. Das kann es nicht sein."
Zverev läuft seit Jahren seinem ersten Grand-Slam-Titel hinterher, nach dem verlorenen Finale bei den Australian Open und dem Aus gegen Djokovic bei den French Open musste sich Zverev harte Kritik unter anderem von Boris Becker gefallen lassen.
Bruder Mischa von Zverevs Aussagen überrascht
Zverevs zehn Jahre älterer Bruder Mischa sah einige dieser Aussagen als Experte von Prime Video am späten Abend zum ersten Mal. "Da hat sich nichts Grossartiges angedeutet, viele Sachen erfahre ich auch von euch", sagte der frühere Profi.
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Sie hätten sich bereits nach dem Match unterhalten, berichtete Mischa Zverev. "Wir haben über verschiedene Sachen gesprochen, auch über positive, auch über das Match. Wir haben über Dinge gesprochen, die Spass machen und die wir in den nächsten Wochen machen können. Aber das schien alles positiv zu sein." Er nehme die Aussagen seines Bruders ernst, betonte der 38-Jährige. "Ich versuche zuzuhören, und dann, wenn ich kann, zu helfen."
Die frühere Profispielerin Andrea Petkovic kann sich in die Situation von Zverev einfühlen. "Nach einer Niederlage kommen Sachen hoch, die du schön unter der Oberfläche halten kannst, wenn du gewinnst", sagte sie. "Das Tennisspielerdasein ist generell ein einsamer Sport. Du fühlst dich auf dem Tennisplatz alleine, du fühlst dich ausserhalb alleine. Ich hatte auch eine Riesenkrise mit 28."
(dpa/bearbeitet von cgo und ska)