Die Zeiten von "Frühstücks-Königinnen, die nur Hände schütteln und Bänder durchschneiden" sind laut Michael Begasse vorbei. Nach Einschätzung des Adelsexperten ist die neue royale Generation streitbarer und politischer. Wir haben ihn nach den Gründen dieser Entwicklung befragt – und erfahren, wie die jungen Kronprinzessinnen und Kronprinzen die europäischen Monarchien verändern könnten.

Ein Interview

Der royale Oktober steht im Zeichen der Geburtstage einiger Thronfolgerinnen und Thronfolger. Neben Christian zu Dänemark (am 15.10.) und Leonor von Spanien (am 31.10.), die beide in diesem Monat 20 werden, darf sich Elisabeth von Belgien (am 25.10.) zu ihrem 24. beglückwünschen lassen. Nimmt man noch Catharina-Amalia der Niederlande (wird im Dezember 22) hinzu, bereiten sich aktuell vier "royale Twens" auf ihre Rollen als künftige Königinnen und Könige vor. Scharrt dieses Quartett etwa schon mit den Hufen?

Von Willem-Alexander über Felipe bis Charles: Michael Begasse hat die Kinder der aktuellen Monarchen, die eines Tages in die Fussstapfen ihrer Väter treten werden, in drei Kategorien unterteilt.

Herr Begasse, welche Kronprinzessinnen und Kronprinzen scharren bereits mit den Hufen?

Michael Begasse: Da das mit Blick auf die aktuellen, teilweise alten Könige bedeuten würde, dass der Vater stirbt, scharrt niemand so wirklich mit den Hufen. Inhaltlich trifft das aber schon zu, weil die junge royale Generation weiss, dass sie etwas bewegen und die Monarchie in ihren Ländern in ein modernes Zeitalter führen kann.

Grundsätzlich lassen sich die europäischen Monarchien aktuell in drei Kategorien einteilen. In der Kategorie eins sitzt der Monarch noch fest auf dem Thron. Die Nachfolge ist gesichert, in dem eine erwachsene Familienmutter oder ein erwachsener Familienvater jederzeit übernehmen kann – und zwar im Sinne von "Können". Das trifft in Grossbritannien auf Prinz William (43), in Schweden auf Kronprinzessin Victoria (48) und in Norwegen auf Kronprinz Haakon (52) zu. Sie alle sind lange auf diesen Job vorbereitet worden. Die jeweiligen Könige Charles III. (76), Harald V. (88) und Carl XVI. Gustaf (79) haben die 70 längst überschritten und können jederzeit sterben. Oder in royale Rente gehen, wie es ja Königin Beatrix der Niederlande und Königin Margrethe II. von Dänemark getan haben.

In welchen Monarchien wäre die Abdankung oder der Tod des Monarchen ein grosses Problem?

Am anderen Ende der royalen Kette haben wir mit Monaco und Luxemburg zwei Monarchien, wo die Thronfolger noch so jung sind, dass ihre Väter die Geschäfte hoffentlich noch lange leiten können. Fürst Albert II. ist immerhin 67 Jahre alt, sein Sohn Jacques gerade mal zehn.

Der jüngste Thronfolger Europas ist 5 Jahre alt

In Luxemburg fand Anfang Oktober ein Thronwechsel statt. Als neuer Grossherzog wurde der 42-jährige Guillaume vereidigt. Dessen ältester Sohn Charles ist erst fünf – und damit der momentan jüngste Thronfolger Europas. Sowohl Albert als auch Guillaume müssten also noch locker 30 Jahre auf dem Thron sitzen, bis ihre Söhne überhaupt in der Lage wären, ihre Väter zu ersetzen.

Wie ordnen Sie die Generation um Leonor von Spanien und Christian zu Dänemark ein?

Diese Kategorie, die genau dazwischen liegt, ist für mich die spannendste. Denn hier blicken wir auf die Königreiche der "jungen Wilden" oder der "royalen Twens". Es gibt aktuell vier Monarchien, in denen die Thronfolgerin oder der Thronfolger um die 20 ist. Neben Leonor und Christian sind das Catharina-Amalia der Niederlande und Elisabeth von Belgien. Diese vier künftigen Königinnen und Könige werden langsam an den Thron herangeführt. Bis es so weit ist, haben sie aber hoffentlich noch viel Zeit. Wir sprechen hier von einem Lebensjob, den man lieber später als zu früh übernehmen möchte.


"Elisabeth, Catharina-Amalia, Leonor und Christian haben eigentlich nicht die Wahl, Nein zu sagen. Theoretisch könnten sie das, aber faktisch wird das nicht passieren. Sie werden für alle Zeiten – von der aktuellen Phase der Vorbereitung bis zu ihrem Tod – bei der Ausübung ihrer Lebensaufgabe beobachtet und beurteilt werden."

Adelsexperte Michael Begasse über die künftigen Königinnen und Könige


Was ist für Sie als Adelexperte so reizvoll daran, die Entwicklung dieses Quartetts zu beobachten?

An diesen vier Menschen kann man gut erkennen, was es bedeutet, ein Leben in der Öffentlichkeit zu führen, aber dem Land und dem Volk verpflichtet zu sein. Elisabeth, Catharina-Amalia, Leonor und Christian haben eigentlich nicht die Wahl, Nein zu sagen. Theoretisch könnten sie das, aber faktisch wird das nicht passieren. Sie werden für alle Zeiten – von der aktuellen Phase der Vorbereitung bis zu ihrem Tod – bei der Ausübung ihrer Lebensaufgabe beobachtet und beurteilt werden. Die gute Nachricht ist, dass sie alle in ihren Vätern ganz tolle Vorbilder haben, von denen sie lernen können. Royales learning by doing!

Teilen Sie den Eindruck, dass die "royalen Twens" streitbarer sind als ihre Väter? Und wenn ja, woran liegt das?

Diese Generation ist im Unterschied zu der ihrer Eltern mit dem Internet und mit Social Media aufgewachsen. Sie sind also viel sichtbarer und haben früh gelernt, für sich selbst einzustehen. Den härtesten Weg hat Catharina-Amalia der Niederlande zwangsweise zurückgelegt. Als sie in die Pubertät kam, trug sie eine Zahnspange und nahm etwas an Gewicht zu. Dafür wurde sie im Netz verhöhnt und verspottet. Und sie konnte sich als künftige Königin nicht einmal dagegen wehren. Später wurde sie dann durch Deepfake-Porno-Attacken verunglimpft.

Wen sehen Sie heute in ihr?

Eine starke, junge Frau, eine absolute Vorbildprinzessin. Catharina-Amalia musste eben wegen Social Media die harte Tour gehen. Sie ist daran gewachsen. Über ihren steinigen Weg hat sie sich anlässlich ihres 18. Geburtstags in ihrer autorisierten Biografie ("Amalia"; Anm. d. Red.) geäussert – und gesagt, dass sie professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat. Das war ein wichtiges Statement, das auch in anderen Monarchien wahrgenommen wurde.

Wie hat sich Leonor von Spanien entwickelt?

Leonor hat in den vergangenen zwei Jahren einen riesigen Schub in Richtung des Erwachsenwerdens gemacht. Dazu hat das halbe Jahr beigetragen, das sie an Bord eines Segelschulschiffs verbrachte. Dort war sie auf sich allein gestellt – nicht als künftige Königin, sondern als Kameradin, die sich behaupten musste und alle Kritiker beeindruckt hat.

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Ein Leben für die Krone: Bürde oder Chance?

Dass sie längst kein kleines Mädchen mehr ist, konnte man kürzlich im Rahmen des spanischen Nationalfeiertags beobachten. Leonor ist eine junge Frau, die mittlerweile Lust auf das hat, was auf sie zukommen wird. Natürlich ist es eine Bürde, eines Tages Königin zu werden. Es ist aber auch eine grosse Chance. Was können diese vier jungen Menschen in Zukunft alles bewegen? Welche Themen können sie in den hoffentlich nächsten 50 Jahren setzen?

Welche Themen könnten das sein?

Was Leonor zum Beispiel mit Elisabeth von Belgien eint, ist der militärische Weg, den sie gegangen sind. Beide künftigen Königinnen wissen, dass sie später Oberbefehlshaberinnen ihrer nationalen Armeen sein werden. Wir haben Krieg mitten in Europa. Daher wollen sie informiert sein und verstehen, was dort passiert. Sie wollen aktiv Politik machen und sich einmischen. Es ist nicht ihr Anspruch, als "Frühstücks-Königinnen", die nur Hände schütteln und Bänder durchschneiden, in die Geschichte einzugehen.

Was trauen Sie Elisabeth von Belgien zu?

Über Elisabeth weiss man relativ wenig, das belgische Königshaus verhält sich ziemlich diskret. Für mich ist sie die vielleicht Geheimnisvollste unter den jungen Prinzessinnen. Was man weiss, ist, dass sie gerade in Harvard studiert. Übrigens hat auch Catharina-Amalia studiert, obwohl oder gerade weil dieser Schritt nach der Entführungsdrohung durch eine Mafia-Organisation in grosser Gefahr war. Beide bereiten sich wirklich akribisch auf ihre künftigen Rollen vor. Zielstrebig und stark. Indem sie als Teil der Gesellschaft ihre Pflichten wahrnehmen, können sie in Zukunft vieles bewegen.

Garanten für den Weg in die nächste Generation

Darin besteht auch eine grosse Chance für die Monarchie im Allgemeinen. Für mich sind die drei Prinzessinnen und Prinz Christian ein "Real Royal Flush", weil sie für ihre Länder absolute Garanten für den Weg in die nächste Generation sind.

Und Sie zählen Christian zu Dänemark dazu, obwohl er als "Partyprinz" gilt und hin und wieder abtaucht?

Anders als die drei Prinzessinnen im ähnlichen Alter wirkt Christian in der Tat noch etwas unerfahren, wenngleich auch er beim Militär war. Bei ihm habe ich aber das Gefühl, dass er sein Leben so privat wie möglich leben möchte – solange er es eben noch kann. Zum Beispiel wurde er bei einem Musikfestival wild knutschend mit einer jungen Dame namens Emma erwischt und fotografiert.

Empfehlungen der Redaktion

Mir persönlich ist bei diesen Bildern das Herz aufgegangen. Insbesondere für künftige Königinnen und Könige läuft die Zeit des freien Lebens nämlich rasant schnell ab. Mit Frederik und Mary hat er zum Glück Eltern, die ihm nicht gleich die Ohren langziehen, wenn er mit Emma knutscht. Mary ist ohnehin cooler als wir alle zusammen (lacht).

Über den Gesprächspartner

  • Michael Begasse ist deutscher Adelsexperte, Journalist, Moderator und Sprecher. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er im Fernsehen und Radio. Begasse berichtet regelmässig von den grossen royalen Events, darunter Hochzeiten und Inthronisierungen. 2021 ist sein erstes Buch "111 royale Momente für die Ewigkeit" erschienen.