Eine Mischung aus "Sex sells" und einer "royalen Crime-Story": Kommenden Donnerstag erscheint das Enthüllungsbuch "The Rise and Fall of the House of York". In der Biografie geht es um Prinz Andrew und dessen Ex-Frau Sarah Ferguson, auch um Andrews Verbindung mit dem Epstein-Skandal. Wir haben den RTL-Adelsexperten Michael Begasse dazu befragt.

Ein Interview

Vor fast 30 Jahren endete die Ehe von Prinz Andrew und "Fergie". Heute bezeichnen sich die beiden gerne als das "glücklichste geschiedene Paar der Welt". Ein neues Buch, die englische Ausgabe erscheint am 14.08., könnte die vermeintlich heile Welt im Hause York nun zum Einsturz bringen. Es geht um pikante Anschuldigungen gegen den untreuen Prinzen. Laut Autor Andrew Lownie soll er mit über 1000 Frauen intim gewesen sein.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Adelsexperte Michael Begasse darüber, wie glaubwürdig die Biografie ist und welche Konsequenzen das Buch, das bereits jetzt hohe Wellen schlägt, nach sich ziehen kann. Zudem erklärt er, was den Sohn der verstorbenen Queen, US-Präsident Donald Trump und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein vereint.

Herr Begasse, wer ist dieser Autor, der das Enthüllungsbuch über Prinz Andrew und dessen geschiedene Frau Sarah Ferguson verfasst hat?

Michael Begasse: Andrew Lownie ist ein britischer Schriftsteller und Historiker, der bereits einige Biografien geschrieben hat. Er behauptet, mit ganz vielen Personen gesprochen zu haben, darunter ein Chauffeur, der damals die Frauen zu Prinz Andrew gebracht haben soll. Ich frage mich, ob dieser Fahrer auch einen Namen hat. Ist das also eine Person, die man nach dem Lesen fragen könnte, ob die Geschichte, die der Autor in diesem Buch erzählt, tatsächlich der Wahrheit entspricht? Die spannendste Frage ist also für mich, ob in dieser Biografie Ross und Reiter genannt werden.

Autor behauptet: "Randy Andy" war mit mehr als 1000 Frauen intim

Sie haben Zweifel?

Bei solchen royalen Biografien ist es ganz häufig so, dass im Vorfeld mit angeblichen Palast-Insidern gesprochen wurde. Diese Insider haben in der Regel aber keine Namen. Für mich als Journalist ist es immer schwierig, einer namenlosen Quelle zu glauben. Denn: Was hätte diese namentliche Quelle denn zu befürchten? Nichts. Wenn es also stimmt, was die Person gesagt hat, dann kann die Quelle auch mit vollem Namen genannt werden.

Medienberichten zufolge zitiert der Autor jenen ehemaligen Chauffeur des Paares, der behauptet, Andrew habe seine damalige Frau alleine im ersten Ehejahr mit einem Dutzend Frauen betrogen. Laut Lownie soll der Prinz bereits mit über 1000 Frauen intim gewesen sein. Welches Bild wird da von dem Sohn der verstorbenen Queen gezeichnet?

Als Adelsexperte, der Andrew seit nunmehr 25 Jahren im Fokus hat, kann ich nur darauf verweisen, dass wir im Zusammenhang mit dem Prinzen schon damals immer von "Randy Andy" ["geiler Andy"; Anm. d. Red.] gesprochen haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es Andrew früher "krachen" liess und dass er viele Gespielinnen hatte.

In meiner Beobachtung wurde Andrew aber in dem Moment deutlich ruhiger, als er "Fergie" kennenlernte und mit ihr eine Familie gründete. Ich frage mich nur, warum sich keine dieser 1000 Frauen in den vergangenen Jahren zu Wort gemeldet und gesagt hat: "Ja, ich hatte was mit ihm." Warum kommt diese Geschichte ausgerechnet jetzt?

"Auch mit einem kaltgestellten Royal lässt sich Geld verdienen."

Was glauben Sie?

Ich weiss es nicht. Und weil ich diese Frage nicht beantworten kann, habe ich die Vermutung, dass in diesem Buch viele Spekulationen zu lesen sind. Es fällt eindeutig in die Kategorie "Sex sells". Je mehr Sex in Schlagzeilen aufgegriffen wird, desto besser verkauft sich ein Buch. Und die Zahlen, die dort in den Raum gestellt werden, sind unvorstellbar hoch.

Auch mit einem kaltgestellten Royal lässt sich Geld verdienen. Letztendlich hat sich auch Harrys Geschichte ["Reserve"; Anm. d. Red.] so gut verkauft, weil nicht auf "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" verzichtet wurde.

Es gibt etwas, das mich mit Blick auf die Biografie über Andrew und "Fergie" stutzig gemacht hat: nämlich Harrys frühe Reaktion auf das Buch. Er hat bereits im Vorfeld über seinen Sprecher verlauten lassen, dass es nie – wie in dem Buch kolportiert – zu einer Prügelei zwischen seinem Onkel und ihm gekommen sei. Ich finde es spannend, dass eine Person, die in dem Buch namentlich genannt wird, schon vor der Veröffentlichung gegensteuert.

Von Jeffrey Epstein bis Prinz Andrew: Eine royale Crime-Story mit vier Protagonisten

Was geht aus dem Buch über die Beziehung von Prinz Andrew zu Jeffrey Epstein hervor? Und wie ordnen Sie diese Erkenntnisse ein?

Neben dem erwähnten "Sex sells"-Aspekt ist diese Biografie für mich eine royale Crime-Story. Und die hat vier Protagonistinnen und Protagonisten: Jeffrey Epstein, der erwiesenermassen ein Sexualstraftäter war. Prinz Andrew, der durch dieses Buch erneut in der Öffentlichkeit steht. Epsteins Freundin Ghislaine Maxwell, die aktuell im Gefängnis sitzt. Und die mittlerweile verstorbene Virginia Giuffre.

Diese Frau, deren gemeinsames Foto an der Seite des Prinzen die ganze Welt kennt, ist die tragischste Protagonistin. Sie war diejenige, die alles ins Rollen brachte und sich letztlich, im vergangenen April, das Leben nahm.

Wir dürfen niemals negieren, dass wir hier über möglicherweise minderjährige Opfer reden, die in den Fängen von Epstein, Maxwell und Prinz Andrew waren. Ebenso dürfen wir aber nicht vergessen, dass auch für Andrew die Unschuldsvermutung gilt. Auch hier frage ich mich, warum in den vergangenen 30 Jahren mit Ausnahme von Virginia Giuffre keine Frau an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Die "Daily Mail" hat Auszüge aus Lownies Buch veröffentlicht. Darin steht, Donald Trump habe Andrew im Jahr 2000 eine Liste mit Masseurinnen zukommen lassen – angeblich vermittelt über Epstein und Maxwell. Standen sich der US-Präsident und der britische Royal im Epstein-Umfeld noch näher als bislang bekannt?

Andrew konnte sich immer darauf berufen, der Lieblingssohn von Königin Elizabeth II. zu sein. Meiner Meinung nach gehören Prinz Andrew, Epstein und Trump zu einer ganzen Reihe von Männern, die meinen, sich alles leisten und erlauben zu können. Das vereint diese alten, weissen Männer. Und Andrew hat da mitgespielt.

Seine Verachtung für Frauen kam vor ein paar Jahren in einem BBC-Interview deutlich zum Vorschein. Breitbeinig sitzend, schien er nicht im Geringsten empfänglich für die Fragen der Journalistin Emily Maitlis. Ich bin mir sicher: Hätte ihm ein Mann die Fragen gestellt, hätte das Interview eine komplett andere Richtung angenommen.

Wer hat noch mitgespielt?

Zum Beispiel eben ein Donald Trump. Für ihn war es zu jener Zeit klasse, den Sohn der britischen Königin als Buddy zu haben. Ich kann mich noch daran erinnern, wie der heutige US-Präsident vor vielen Jahren versuchte, die damalige dänische Königin, Margrethe II., zu einer seiner Partys einzuladen. Sie schlug die Einladung aber aus, weil sie ihn nicht leiden konnte. Seitdem hat Trump einen Hals auf Margrethe. Schliesslich wollte er sich als Teil dieser royalen Welt sehen.

Insofern hat Trump auch von Andrew profitiert – und umgekehrt. Wenn es solche Anschuldigungen gegen Andrew gibt, dann gäbe es möglicherweise ähnliche Anschuldigungen gegen Trump. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – mit Blick darauf, dass der US-Präsident Ghislaine Maxwell theoretisch begnadigen könnte. Wenn jemand weiss, was passiert ist, dann sie.

"Harrys Biografie war definitiv erschütternder."

Wie explosiv ist dieses Buch und welche Auswirkungen könnte es auf die Royal Family haben? Die "Daily Mail" bezeichnet das Werk als "die vernichtendste königliche Biografie, die je geschrieben wurde".

Da stimme ich der "Daily Mail" zu – allerdings nur mit Blick auf die pikanten Details, die in dem Buch zu lesen sind. Denn Harrys Biografie war definitiv erschütternder. "The Rise and Fall of the House of York" hingegen wird die Monarchie ganz sicher nicht erschüttern.

Empfehlungen der Redaktion

Indem die verstorbene Queen ihren eigenen Sohn damals kaltstellte, traf sie eine richtige und wichtige Entscheidung. Heute hat Andrew in der königlichen Familie keinerlei Bedeutung mehr. Er ist ein privates Familienmitglied, das sich an Weihnachten und Ostern beim Gottesdienst blicken lässt und nach wie vor bockig in der Royal Lodge wohnt. Das war es aber auch schon. Diese Geschichte mag zwar eine gewisse Belastung für die Krone sein, doch weder König Charles noch die "Next Generation" werden davon irgendeinen Schaden nehmen.

Das Haus York dafür umso mehr?

Ja. Wie muss es Fergie damit gehen – sollte es stimmen – zu wissen, dass ihr Ex-Mann im ersten Ehejahr mit zwölf anderen Frauen geschlafen hat? Wie gehen seine beiden erwachsenen Töchter Beatrice und Eugenie mit diesen Enthüllungen über ihren Vater um? Und man stelle sich vor, deren Kinder lesen eines Tages dieses Buch über ihren Opa. Die emotionalen Konsequenzen sind für das Haus York viel dramatischer als für die Royal Family. Nicht ohne Grund lautet der Titel der Biografie "Der Aufstieg und Fall des Hauses York".

Über den Gesprächspartner

  • Michael Begasse ist deutscher Adelsexperte, Journalist, Moderator und Sprecher. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er im Fernsehen und Radio. Begasse berichtet regelmässig von den grossen royalen Events, darunter Hochzeiten und Inthronisierungen. 2021 ist sein erstes Buch "111 royale Momente für die Ewigkeit" erschienen.