Ein Vergangenheitsmensch sei er nicht. Daher blickt Howard Carpendale im Gespräch mit unserer Redaktion nach vorne. Im nächsten Jahr wird der Schlagersänger nicht nur seinen 80. Geburtstag und sein 60-jähriges Bühnenjubiläum feiern, sondern auch seine letzte grosse Hallentournee spielen. Wir haben den Südafrikaner gefragt, ob wirklich das letzte Wort gesprochen ist und wie er sich seine Zukunft vorstellt.

Ein Interview

Als Howard Carpendale vor 18 Jahren in der damaligen Talkshow von Johannes B. Kerner seinen Rückzug vom Rückzug erklärte, gab es einen medialen Aufschrei. Es sollte das erste und einzige Comeback seiner Karriere sein. Am 20.09. (um 20:15 Uhr im ZDF) werden Jürgen Drews, Kerstin Ott, Sasha und Co. das musikalische Lebenswerk des 79-Jährigen in der Sendung "Die Giovanni Zarrella Show ‒ Eine Samstagnacht mit Howard Carpendale" würdigen.

Im Interview spricht Carpendale über seine heutige Hit-Unabhängigkeit, seinen Umgang mit Social Media und eine Band, die seiner Meinung nach "die Zukunft der deutschsprachigen Musik mitgestalten wird".

Herr Carpendale, Ihr Kollege Giovanni Zarrella widmet Ihnen eine Spezialausgabe seiner Show, die bereits im August in Dortmund aufgezeichnet wurde. Wie fühlt sich das für Sie an?

Howard Carpendale: Keine Frage, es ist eine sehr grosse Ehre. Ich möchte aber unbedingt auf eines hinweisen: Es ist keine Show, in der Leute auf mich zukommen, um mir zu gratulieren und kleine Geschenke zu überreichen. Wir haben wirklich versucht, Entertainment zu machen. In Deutschland ist es normalerweise üblich, Shows zu machen, in denen 20 bis 30 Musikerinnen und Musiker ihren jeweils neuesten Hit singen – und im Verlauf der Sendung vielleicht noch einen zweiten Titel. Das war hier ganz anders.

Sie sind kein Freund der klassischen Musikshows im deutschen TV?

Ich meine nur, dass einem in einer regulären Show nicht viel Zeit gelassen wird, um verschiedene Facetten von sich zu zeigen. In dieser Spezialausgabe der "Giovanni Zarrella Show" hatte ich hingegen die Möglichkeit, einzelne Titel anzusagen oder unterhaltsame Gespräche mit den Gästen zu führen. Auch meine Kolleginnen und Kollegen waren froh, mal eine andere Seite von sich zeigen zu können – indem sie nicht ihre eigenen, sondern in diesem Fall meine Songs interpretieren konnten.

So viel darf ich verraten: Die Stimmung in der Halle war unglaublich. Niemand wollte sich hinsetzen. Die Leute verfolgten die komplette vierstündige Aufzeichnung im Stehen. Meine grosse Hoffnung ist nun, dass sich das auch auf das TV-Publikum überträgt. Wenn die Zuschauer die ersten zehn Minuten schaffen, dann gucken sie die gesamte Show. Da bin ich mir sicher.

"Auch bei mir kam das Gefühl auf, dass wir das vielleicht nie wieder sehen werden."

Howard Carpendale über sein Duett mit Jürgen Drews

Laut Giovanni Zarrella soll Ihre Begegnung mit Jürgen Drews in der Show "ein Moment für die Geschichtsbücher" gewesen sein. Haben Sie das ähnlich empfunden?

Mir war schon im Vorfeld klar, dass die Begegnung mit Jürgen bewegend sein würde. Da standen zwei Männer auf der Bühne, die sich langsam im Winter ihrer Karrieren befinden. Auch bei mir kam das Gefühl auf, dass wir das vielleicht nie wieder sehen werden. Sein Song "Es war alles am besten", den wir im Duett gesungen haben, passte hervorragend. Ich kenne Jürgen schon seit 1967, also seit seiner Zeit bei den Les Humphries Singers. Und auch wenn er sich selbst als Mallorca-Sänger bezeichnet, habe ich ihn immer sehr geschätzt. Er hätte auch eine grosse internationale Karriere starten können, hat sich dann aber für Mallorca entschieden – was sicherlich kein Fehler war.

Jedenfalls waren wir beide während des Auftritts den Tränen nah. Allerdings war das nicht der einzige emotionale Moment in dieser Show. Auch bei meinen Konzerten lege ich grossen Wert darauf, dass echte Emotionen transportiert werden. Ich habe das Gefühl, dass der Fokus in vielen Shows mittlerweile auf dem Wort "Party" liegt. Mich macht das ein bisschen bekloppt (lacht).

Macht es Ihnen mit fast 80 Jahren mehr Spass denn je, auf der Bühne zu stehen? Und wenn ja, woran mag das liegen?

Den Eindruck habe ich auch. Es hat viel damit zu tun, dass ich mittlerweile Hit-unabhängig bin. Der Druck ist weg. Ich muss keine Hits mehr veröffentlichen, damit meine Konzerte erfolgreich werden. Ich mache es, weil ich es machen will. Mit Ausnahme von ein paar politischen Entwicklungen bin ich aktuell rundum sehr glücklich.

Howard Carpendale: "Ich bin kein Vergangenheitsmensch"

Leben Sie nur noch im Hier und Jetzt?

Zumindest vergesse ich das, was gestern war, sehr schnell. Ich bin kein Vergangenheitsmensch. Bei mir zu Hause hängt zum Beispiel keine goldene LP an der Wand. Das ist nicht mein Ding. Mich beschäftigt nicht das, was vorbei ist, sondern das, was noch kommt.

Warum besuchen die Menschen heute ein Howard-Carpendale-Konzert?

Mein Gefühl ist, dass das Vertrauen zwischen meinem Publikum und mir in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsen ist. Warum das so ist, ist schwer zu erklären. Ich hoffe, es liegt daran, dass wir nicht allzu viele Fehler gemacht haben. Zum Beispiel war ich immer dagegen, übertriebene Werbung für Dinge zu machen, die nicht einmal so gut sind. Zudem passe ich sehr genau auf, wie wir mit Social Media umgehen.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich betrachte Social Media weniger als einen geschäftlichen Zweig. Ja, auch ich bin dort präsent, um meinem Publikum ein Gefühl dafür zu geben, was ich gerade mache oder woran ich aktuell arbeite. Vertrauen und Fairness spielen in meinem Leben eine sehr grosse Rolle – sowohl beruflich als auch privat. Meine Familie geht sehr ehrlich miteinander um. Das ist nicht immer leicht, aber wir sprechen das aus, was wir denken. Ich glaube, das Publikum spürt so etwas.

Ein Abschied vom Tourleben – aber nicht von der Bühne

Im Frühjahr 2026 gehen Sie unter dem Motto "Let's Do It Again, Again!" auf Ihre Abschiedstournee. Sind Sie sicher, dass es wirklich Ihre letzte Tour sein wird?

Als das Wort "Abschied" fiel, wusste ich, dass ich ein Problem habe. Alle denken, dass ich mich nach jeder Tournee verabschieden würde, nur um später ein Comeback zu geben. Das stimmt einfach nicht. Es ist ein Phänomen (lacht).

Nein, mit dieser Tournee im nächsten Jahr verabschiede ich mich lediglich vom Tourleben. Das heisst aber noch lange nicht, dass ich keine Konzerte mehr geben werde. In Zukunft würde ich gerne an einem Standort mehrere Tage hintereinander auftreten – in einer kleineren, etwa 3000 Zuschauer fassenden Halle. Das ist ein Konzept, wie man es beispielsweise aus Las Vegas kennt, wo Künstler nicht für einen Abend, sondern für einen ganzen Monat anreisen. Damit würden die vielen Kilometer wegfallen, die man im Rahmen einer Tour zurücklegen muss. Erst mal ist das aber nur ein Traum, weil mein Fokus auf meiner Tournee 2026 liegt.

Für ein Open-Air-Konzert von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys haben Sie in diesem Jahr Ihre Komfortzone verlassen. Waren Sie nervöser als vor Ihren eigenen Konzerten?

Oh, ja. Es war das erste Mal, dass ich mit einer grossen Anspannung auf die Bühne gegangen bin. Denn ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder die 11.000 relativ jungen Leute im Publikum würden mich feiern oder ausbuhen. Letztendlich wurde ich sehr warmherzig empfangen. Und ich bin dankbar, dass ich mit Roy Bianco und den Abbruzati Boys das Lied "Sophia Loren", das ich wirklich sehr liebe, singen durfte. Die Jungs habe ich vor ein paar Monaten bei einem internen Event der Schallplattenfirma kennenlernen dürfen – und muss sagen: Diese Typen sind einfach nur geil. Ich habe selten so viel gelacht.

Wird sich die Band mit ihrem Italo-Schlager langfristig etablieren können?

Empfehlungen der Redaktion

Diese Band wird weiterhin sehr erfolgreich sein. Ich halte die Herangehensweise der Jungs für sehr clever. Sie halten sich rar, treten nur selten im Fernsehen auf. Aus meiner Sicht werden sie die Zukunft der deutschsprachigen Musik mitgestalten.

Über den Gesprächspartner

  • Howard Carpendale ist ein in Durban geborener deutsch-südafrikanischer Schlagersänger. Mit einer Coverversion des Beatles-Klassikers "Ob-La-Di, Ob-La-Da" gelang ihm 1969 sein erster Hit, ein Jahr später gewann er mit dem Titel "Das schöne Mädchen von Seite Eins" den "Deutschen Schlager-Wettbewerb". Zu seinen bekanntesten Songs zählen "Ti Amo" und "Hello Again". Der Musiker hat zwei Söhne, einer davon ist der Schauspieler Wayne Carpendale.