Christian Schottenhamel führt seit Jahrzehnten in vierter Generation das älteste Zelt auf dem Oktoberfest: das Schottenhamel. Im Interview spricht der Wirt über seine Wiesn-Begegnung mit Friedrich Merz – und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Heidi Klums gross inszeniertes "HeidiFest" geht.
Christian Schottenhamel leitet mit dem "Schottenhamel" das älteste Zelt auf dem Oktoberfest – dort, wo jedes Jahr traditionell der erste Anstich erfolgt und zum ersten Mal der Ausspruch "O’zapft is!" fiel. Im Interview erzählt er von prominenten Gästen wie
Deutliche Kritik äussert er am "HeidiFest", das
Herr Schottenhamel, das Oktoberfest ist ein Volksfest mit jahrzehntelangen Traditionen. Gibt es dennoch etwas, was sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren gravierend verändert hat?
Christian Schottenhamel: Social Media. Das Oktoberfest findet mittlerweile viel mehr auf dem Handy statt: so viele Handys; so viele Botschaften, die in die Welt gesendet werden, wie schön das Oktoberfest ist. Das ist die Werbung schlechthin, wenn 5,7 Millionen Menschen hierherkommen und ihr Handy benutzen.
Und sonst?
Früher stand die Jugend am Autoscooter. Heute sitzt sie auch im Zelt und feiert mit. Und die Musik hat sich natürlich geändert. Früher hat man bayerische Blasmusik gespielt. Jetzt sind es mehr die Gassenhauer und die englischen Lieder, die sich durchgesetzt haben.
Und die Küche ist anders: Sie ist immer aufwendiger geworden. Mittlerweile sind das Restaurantküchen. Es ist keine Volksfestküche mehr, in der es nur das Hendl und den Schweinsbraten gibt.
Christian Schottenhamel: "Wenn es ein sicheres Volksfest gibt, dann ist es das Oktoberfest"
Und wie sieht es beim Thema Sicherheit aus?
Als ich als Wiesn-Wirt angefangen habe, hatten wir 27 Ordner für das Zelt. Jetzt sind es fast 100. Auch die Polizei und die privaten Sicherheitsdienste haben deutlich aufgestockt. Es gibt einen Zaun um die Wiesn. Das ist natürlich extrem, wie wir auf die Sicherheit achten. Aber genau deswegen passiert auf der Wiesn relativ wenig für diese Masse an Menschen, die hier ist. Wenn es ein sicheres Volksfest gibt, dann ist es das Oktoberfest.
Eine Änderung ist der jährlich steigende Bier-Preis. Mittlerweile liegen wir bei 15,40 Euro die Mass. Was sagen Sie den Leuten, die sich darüber aufregen?
Wenn die Stadt München den Bierpreis veröffentlicht, gibt es immer erst einmal einen grossen Aufschrei. Aber wenn man in die Zelte reinschaut: Es sind trotzdem alle wieder da. 80 Prozent der Gäste kommen aus München und Umgebung. Und der Münchner kommt zwei- bis dreimal auf die Wiesn. Klar, der Preis ist im Laufe der zig Jahrzehnte extrem nach oben gegangen, aber es ist auch seinen Preis wert. Das Oktoberfest ist etwas ganz Besonderes, das gönnt man sich.
Wiesn-Wirt Schottenhamel: "Es ist keine Voraussetzung, 14 Mass zu tragen"
Worauf achten Sie am meisten bei Wiesn-Bedienungen?
Wir haben um die 250 Bedienungen und wir kennen jede über ein Einstellungsgespräch persönlich. Wir fragen ab, ob sie bereits Volksfest-Erfahrung haben. Und wenn einer vorher nur in der Studentenkneipe um die Ecke mal ein bisschen Bier ausgeschenkt hat, kommt der für uns nicht in Frage. Wir wollen Profis haben. Und mindestens 80 Prozent unserer Bedienungen kommen jedes Jahr wieder. Die geben das sogar an ihre Kinder weiter. Das ist wie ein Erbe, das man weitergibt.
Also für Sie zählt vorrangig die Erfahrung, sonst kann sich im Grunde jeder bewerben?
Ja. Wir hatten früher im Service nur Frauen. Mittlerweile können sich natürlich auch Männer bewerben. Und es ist keine Voraussetzung, 14 Mass zu tragen. Aber man sollte schon kräftig genug sein. Es ist zwar ein harter Job, auf der Wiesn zu arbeiten, aber man wird belohnt.
Sie sind an jedem der 16 Wiesn-Tage dabei. Bereiten Sie sich speziell auf diese Zeit vor?
Ich habe mir vorher die Grippespritze geben lassen und das muss reichen für die 16 Tage.
So erlebte Christian Schottenhamel den Besuch von Friedrich Merz
Ihr Zelt ist bekannt dafür, dass gerade am ersten Tag prominentere Leute vorbeikommen. Hat Sie ein Promi mal besonders überrascht?
Als Arnold Schwarzenegger auf einmal auf der Bühne stand und dirigiert hat. Ich habe ihn mir etwas grösser vorgestellt. Er ist relativ klein.
Friedrich Merz, Markus Söder, Bärbel Bas und Lars Klingbeil waren am zweiten Wiesn-Tag bei Ihnen im Zelt. Wie haben Sie den Besuch wahrgenommen?
Das war unheimlich spannend. Das musste absolut geheim gehalten werden. Im Vorfeld kamen das Landeskriminalamt und das Bundeskriminalamt, die das Zelt mit Hunden nach Sprengstoffen durchsucht haben. Das war eine riesige Entourage und ein Riesenaufwand. Und wie die vier dann da am Tisch so friedlich sassen und miteinander geratscht haben, habe ich mir gedacht: Vielleicht ist es doch nicht so schlimm in Berlin, wie die Presse oft schreibt.
Wie war Ihr persönlicher Kontakt zu den Vieren?
Ich bin kurz an den Tisch und habe mich dazugesetzt. Und das Lustige: Auf einmal gibt mir der Friedrich Merz sein Handy und sagt: "Machen Sie doch mal ein Foto von uns." Ich hatte das Handy vom Bundeskanzler in der Hand! Ich habe kurz überlegt: "Gebe ich es ihm jetzt wieder zurück oder nicht?" (lacht)
Wiesn-Wirt Schottenhamel: HeidiFest "war so peinlich"
Heidi Klum hat kurz vor der Wiesn ihr eigenes kleines Oktoberfest im Hofbräuhaus gefeiert.
Über das ich nicht glücklich bin.
Ist das aus Sicht bayrischer Tradition schon kriminell oder noch legitim?
Nein, das ist nicht legitim. Das wirft ein schlechtes Bild auf ganz Bayern. Ich finde es schade, dass so etwas stattfindet. Bayern besteht nicht aus Botox-gespritzten Frauen, prallen Brüsten, C-Klasse-Prominenz, diesem Pseudo-Anzapfen und Rüschendirndl. Bayern ist viel schöner als das, was dort vorgegaukelt wird. Diese Bilder, die da gesendet wurden, finde ich ganz, ganz schlimm. Das ist nicht Bayern, das ist nicht München, das ist nicht Hofbräu.
Das HeidiFest wurde ziemlich gross aufgezogen, es wurde vieles in der Stadt abgesperrt.
Das war so peinlich. Und dann hat sich ihre Familie, die Kaulitz‘, auch noch mit der Kutsche vorfahren lassen. Allein schon der Name: HeidiFest!
Wenn wir schon auf Abwegen bayrischer Tradition sind: Ein komplett alkoholfreies oder veganes Festzelt – wären Sie dabei?
Empfehlungen der Redaktion
Nein. Es wird uns immer gesagt, dass es Trends gibt und dass es sich mittlerweile die Mehrheit wünscht. Das ist aber nicht so. Ich sehe das an den Verkaufszahlen. Das Thema vegane und vegetarische Ernährung ist sicherlich beim Grossteil der Bevölkerung angekommen, aber bei uns sind es im Zelt nur vier Prozent. Und es stagniert dort. Zum Oktoberfest esse ich einfach ein Hendl und trinke Bier mit Alkohol. Das gehört dazu. Und das lasse ich mir nicht nehmen. Das lassen sich die Besucher hier nicht nehmen.
Über den Gesprächspartner
- Christian Schottenhamel ist stellvertretender Sprecher der Wiesnwirte und selbst Wiesn-Wirt des ältesten Zeltes auf dem Oktoberfest: dem Schottenhamel. Seit 1988 liegt die Leitung der Festhalle in vierter Generation bei Christian und seinem Vetter Peter, der 2010 von seinem Bruder Michael IV. abgelöst wurde. Das Schottenhamel ist das Anstich-Zelt: Hier wird seit 1950 vom Oberbürgermeister das erste Fass angezapft.
Verwendete Quellen
- festhalle-schottenhamel.de: "Geschichte"