Désirée Nick gibt ihr Debüt in der bayerischen Serie "Dahoam is Dahoam". Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Berlinerin über ihre Verwandlungskunst, den Niedergang des deutschen Fernsehens und die Reaktionen auf Ihren "Heuchelei"-Vorwurf rund um den Tod von Nadja Abd el Farrag.

Ein Interview

Schauspielerin und Entertainerin Désirée Nick spielt nicht nur in Bayern mit, sondern ist auch in der schwarzen Komödie "Keine Scheidung ohne Leiche" (am 29. Mai um 20:15 Uhr im ZDF) an der Seite von Tom Beck und Henrike Fehrs zu sehen.

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Mal verkörpert sie laut eigener Aussage eine "dramatische Braut, die vor dem Altar stehen gelassen wird", mal eine "Psychologin, die etwas von einer vertrockneten Intellektuellen hat". Ihr "Dahoam is Dahoam"-Debüt läuft am 2. Juni um 19:30 Uhr im BR-Fernsehen.

Frau Nick, wie hat es Ihnen als Berlinerin in dem fiktiven bayerischen Ort Lansing, in dem die TV-Serie "Dahoam is Dahoam" spielt, gefallen?

Désirée Nick: Ich war sehr geflasht davon, wie gut diese Welt erschaffen worden ist. Es handelt sich ja um ein bayerisches Musterdorf auf dem Land, das ein bisschen an Zell am See erinnert.

Auch in dem Film "Keine Scheidung ohne Leiche" spielen Sie mit. Kürzlich haben Sie via Instagram zum Ausdruck gebracht, wie überglücklich Sie seien, endlich in Ihrem Beruf als Schauspielerin arbeiten zu dürfen – und zwar im TV. Warum ist "Die Nick" auf einmal gefragt?

Da muss ich sehr weit ausholen, weil der Schauspiel-Beruf in der breiten Öffentlichkeit völlig missverstanden wird. Nur zwei Prozent aller Schauspieler und Schauspielerinnen arbeiten überhaupt. Katja Riemann hat vor kurzem gesagt, dass es für Frauen ab 50 keine Rollen mehr gäbe. Das ist nicht ganz richtig, da es auch für junge Schauspielerinnen keine Rollen gibt. Diejenigen, die in jungen Jahren regelmässig arbeiten und sich so einen Namen machen können, sind allesamt privilegiert. Einige dieser Auserwählten machen es gut, während man über manch andere nur den Kopf schütteln kann. Da fragt man sich schon, wie die zu ihren Jobs gekommen sind.

Sie sagen also, dass 98 Prozent aller Schauspielerinnen und Schauspieler keine Arbeit haben?

Ja, 98 Prozent arbeiten gar nie oder werden lediglich für Kleinstproduktionen mit vielleicht drei bis sechs Drehtagen pro Jahr gebucht. Das ist das normale Leben vor allem einer Schauspielerin, deren Arbeit man sieht. Hingegen sieht man die Arbeit derjenigen, die seit 25 Jahren oder sogar länger fest an einem Theater engagiert sind, überhaupt nicht. Diese Künstlerinnen können an ihrem jeweiligen Landestheater noch so beliebt und umjubelt sein: Das ändert aber nichts daran, dass niemand sie kennt.

Désirée Nick: "Wer ins Dschungelcamp geht, wird sofort in eine Kategorie einsortiert"

Sie sind seit 40 Jahren auf den Theaterbühnen zu Hause – und man kennt sie …

Aber nicht, weil ich Theater spiele. Man mag es kaum glauben, aber auch ich gehöre zu dieser breiten Masse, deren Arbeit nie gesehen worden ist. Ich habe am Berliner Renaissance-Theater die Florence Foster Jenkins gespielt. Umjubelt! Ich habe unter anderem auch am Gorki, am Hans-Otto-Theater und an der Volksbühne gespielt. Was will man denn mehr? Insofern stehe ich symbolisch für diesen Beruf. Du kommst nicht einfach so ins Fernsehen. Irgendwann wollte auch ich mal stattfinden, bekam aber nur Absagen und Lügen aufgetischt.

Inwiefern wurden Sie belogen?

Ich könnte Romane darüber schreiben. Entweder kam das Drehbuch, das mir zugesagt wurde, nie an oder mir wurden andere leere Versprechungen gemacht. Zum Beispiel von Dieter Kehler, dem Regisseur der Rosamunde-Pilcher-Filme. Er hatte sich meine Show angesehen und danach zu mir gesagt: "Frau Nick, Sie sind ja eine Legende! Was für eine grosse Künstlerin! Wir müssen Pilcher machen." Ich bekam aber nie ein Angebot, weil Judy Winter den Regisseur vor die Wahl gestellt hatte – nach dem Motto "Sie oder ich". Nachdem ich mich 20 Jahre lang vergeblich beworben hatte und zu einer Désirée Nick offensichtlich niemandem etwas eingefallen war, entschied ich mich eben für einen anderen Weg. Ich ging in den Dschungel. Und auf einmal war ich bekannt ...

allerdings zunächst als Reality-Star und nicht als Schauspielerin. Hatten Sie sich einen anderen Effekt erhofft?

Es ist doch klar: Wer in Deutschland in ein Format wie das Dschungelcamp geht, wird sofort in eine Kategorie einsortiert. Ich wurde auf eine Stufe mit Gina-Lisa Lohfink, Melody Haase und Co. gestellt. Meine "grosse, legendäre Reality-Karriere" hat mir also auch nicht zu Angeboten verholfen. Der grosse Unterschied aber ist, dass es in 40 Jahren dann doch diesen einen Menschen gibt, der schlauer ist als der Rest. Und diese eine Person ist Frederike Hess, die mich für "Keine Scheidung ohne Leiche" engagiert hat. Es sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Kaum war der Film abgedreht, kamen "SOKO Potsdam", "In aller Freundschaft" und "Dahoam is Dahoam".

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Désirée Nick: Das ist ihr bei "Let's Dance" passiert

Haben manche Filmemacher und Programmdirektoren Angst vor Ihnen?

Das ist doch nur eine faule Ausrede. Bei "Let's Dance" ist mir allerdings Folgendes passiert: Die Oberchefin hatte ausrichten lassen, dass man ja ein Familiensender sei und keine Pöbeleien brauche. Was soll dieser Quatsch? Wenn ich eine Rolle spiele, dann verkörpere ich doch die Figur. Als käme ich dahin und würde die Leute schubsen. Ich amüsiere mich über die Branche mindestens so sehr, wie sich die Branche über mich amüsiert. Aber bei solch dilettantischen Verantwortlichen muss man sich nicht über den Niedergang des deutschen Fernsehens wundern. Ich bin sehr froh, dass es positive Ausnahmen gibt. Ich glaube, wenn man von Angst spricht, dann fürchtet man nicht mich, sondern generell Qualität.

Sind Sie nun da angekommen, wo Sie immer sein wollten?

Ich hoffe zumindest, dass es genauso weitergeht. Bei diesem Portfolio, das nun vorliegt, sieht man etwas, was bei anderen festgenagelten Schauspielern überhaupt nicht auffällt: nämlich die Verwandlungskunst. Die Mehrzahl der im TV erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen sind doch über Jahre, wenn nicht über Jahrzehnte, in ein und derselben Figur zu sehen. Gratulation dazu, aber in unterschiedliche Charaktere schlüpfen zu können, das ist ein ganz besonderer Glücksfall.

An welchen Ihrer Rollen machen Sie Ihre Wandlungsfähigkeit fest?

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Désirée Nick (l.) gibt ihr "Dahoam is Dahoam"-Debüt. © BR/Marco Orlando Pichler

Ich kann das Publikum mal als dramatische Braut, die nach der Rente vor dem Altar stehen gelassen wird ("Keine Scheidung ohne Leiche"; Anm. d. Red.) und mal als Schwiegermutter sehen. Diese Psychologin Dr. Barbara Hülsmann, die ich in "Dahoam in Dahoam" spiele, hat etwas von einer vertrockneten Intellektuellen. Zudem kann man mich als Komödiantin par excellence erleben, weil ich "In aller Freundschaft" die romantische Liebesgeschichte eines "Golden Girl" auf Sächsisch interpretiere. In meiner nächsten Rolle werde ich übrigens eine Berliner Eisbudenbesitzerin verkörpern.

"Wenn sich Frauen über andere unterhalten, nennt es sich lästern"

Wie bewerten Sie den angekündigten Samstagabend-Abschied von Thomas Gottschalk sowie die Absetzung der Shows von Stefan Raab ("Du gewinnst hier nicht die Million") und Dieter Bohlen ("Das Supertalent")? Warum erreichen die einst gefeierten Entertainer deutlich weniger Zuschauer als zu ihren Glanzzeiten

Erstens sind die genannten Shows nicht zeitgemäss, zweitens ist ein Moderator noch lange kein Verwandlungskünstler. Vielen fehlt zudem die Expertise. Wir sprechen hier aber auch von generationsübergreifenden Unterschieden. Das, was Stefan Raab früher gemacht hat, war zu dem Zeitpunkt neu. Mit seiner Late Night und seiner frechen Schnauze ist er damals aus dem Schema F gefallen. Thomas Gottschalk hingegen hat dem Familienfernsehen einer völlig anderen Generation entsprochen. Das gilt auch für Dieter Hallervorden. Diese Männer, die mal sehr erfolgreich waren, werden wie Götter behandelt – und sie halten sich auch für Götter. Sie sind weder kritikzugänglich noch haben sie es nötig, sich mit Veränderungen zu befassen. Wenn sie dann aber zeigen wollen, wie cool, divers und LGBTQ-konform sie auf einmal sind, kann das nur in die Hose gehen. Es ist nicht authentisch.

Werden Frauen und Männer demnach nicht gleichgestellt behandelt?

Wenn Jan Böhmermann etwas sagt, dann ist es Kult. Wenn ich als Frau genau dasselbe sage, wird es als Gezicke bezeichnet. Wenn sich Frauen über andere unterhalten, nennt es sich lästern. Wenn aber Männer über andere lästern, nennt es sich Podcast. Unterm Strich geht es nur darum, Frauen mit Qualität zu unterdrücken, im Keim zu ersticken und wegzubeissen. Wenn man das alles summiert, ist es feinstes Mobbing. Und die meist gemobbte Frau von allen bin ich. Denn meine Gegenfrage lautet: Warum habe ich nie eine eigene Sendung bekommen? Was Böhmermann macht, konnte ich schon 20 Jahre vor ihm.

Désirée Nick über die Reaktionen auf ihre Kritik am "Reality-Pool"

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Statement zum Tod von Nadja Abd el Farrag ausgefallen, in dem Sie der "Branche" Heuchelei vorgeworfen hatten?

Die üblichen Verdächtigen, die überall sind – allen voran Julian F. M. Stoeckel – sind in meinem Umfeld längst abgetaucht. Da wagt sich niemand an mich heran. Ich habe mit keiner Person aus diesem Reality-Pool, der ja wie eine Karawane von einem roten Teppich zum nächsten immer weiter zieht, Kontakt. Ich spreche hier von den Leuten, die weder Entertainer noch Künstler, Schauspieler oder Comedian sind und demnach keinerlei Entertainment-Expertise haben. Und dann gibt es noch eine andere Abteilung: Diese besteht aus Menschen, die mir nur folgen, um mich zu beobachten und dann nachzumachen.

Lassen wir all diese unwesentlichen Personen mal aussen vor, habe ich 100-prozentigen Beifall der Bevölkerung für mein Statement bekommen. Die Menschen haben meine Meinung einstimmig und mit offenen Armen bejubelt. Mich haben tausende Nachrichten und E-Mails erreicht, in denen meine Worte gelobt worden sind und man sich für meine Ehrlichkeit bedankt hat.

Über die Gesprächspartnerin

  • Désirée Nick ist eine deutsche Schauspielerin, Entertainerin und Autorin. In Berlin-Charlottenburg geboren, absolvierte sie in jungen Jahren eine Ausbildung als klassische Balletttänzerin. Ihre Schauspielausbildung schloss sie in den 80ern in London an. Nick blickte bereits auf eine langjährige Laufbahn als Theaterdarstellerin zurück, ehe sie 2004 zur Dschungelkönigin gekürt wurde.