Für die kommenden Wochen ersetzt Till Reiners seinen ZDF-Kollegen Jan Böhmermann, und zwar mit einer neuen Show. "Till Tonight“ läuft freitags um 23:00 Uhr. Mit unserer Redaktion spricht der Moderator und Comedian über das Format, seine Vorbereitungen, politische Haltung und Gespräche mit besorgten Bürgern.
Herr
Till Reiners: Absolut. Unsere Kernzielgruppe sind die jungen Zuschauer unter 60.
Kann das klappen, mit einem Format, das man hierzulande bereits seit den 90ern kennt?
Ich denke, auf das Gefäss kommt es nicht an, sondern der Inhalt muss gut und zeitgemäss sein. Für den Zuschauer ist entscheidend: Ist da was drin, was mich unterhält? Das Late-Night-Format gibt ein bisschen den Rahmen vor, aber ansonsten bin ich sehr frei in dem, was ich in meinem Stand-up mache, wen ich einlade, mit wem ich einen Einspieler mache. Man muss das Rad nicht neu erfinden, aber man kann dem Reifen hier und da ein eigenes Profil verpassen.
"Till Tonight" vertritt Böhmermann im Sommer
Wie sieht dieses Profil bei "Till Tonight" aus?
Es wird eine leichte Sommer-Late-Night, in der abgebildet wird, was in der Woche passiert ist, was mir aus meinem persönlichen Blickwinkel wichtig ist, in Form von klassischem Stand-up-Comedy, mit Studio-Aktionen, Einspielern und Gästen.
Reichen Ihnen dafür die 30 Minuten Sendezeit oder hätten Sie gerne mehr?
Wir haben mit der Planung bereits vor zwei Jahren begonnen und arbeiten seit einem halben Jahr intensiv an der Sendung. Jetzt, wo man diese Maschine in Gang gesetzt hat, habe ich schon das Gefühl, wir könnten mehrere Sendungen pro Woche machen. Material hätten wir genug. Aber das bleibt erst mal ein frommer Wunsch. Momentan bin ich sehr froh über die acht Sendungstermine, die jetzt anstehen.
Wie viele Autoren schreiben für die Sendung?
Neben meinem Head-Autor Johannes Boss habe ich noch fünf Leute, die an der Sendung mitschreiben. Darüber hinaus gibt es Spezial-Beauftragte für Einspieler, Stand-up und Spiele.
Haben Sie noch einen gewissen Ehrgeiz, alle Witze selbst schreiben zu wollen?
Meine Stand-ups schreibe ich weitgehend selbst. Wobei ich auch da gerade versuche zu lernen, Dinge zu delegieren und abzugeben. In jedem Fall hilft es mir, wenn andere mit draufschauen und mir Feedback geben.
Ein Journalisten-Kollege beschrieb Sie als "Comedy-Workaholic" – stimmt das?
Inzwischen arbeite ich etwas weniger als früher, aber es ist immer noch viel. Es ist nun mal so: Wenn etwas lustig sein soll, muss man dafür arbeiten, das kann niemand aus dem Handgelenk schütteln. Und im Fernsehen gibt es diese Marotte, dass man ungetestetes Material aufs Publikum loslässt. Das mache ich anders.
Wenn ich neue Programme schreibe, teste ich die drei-, viermal pro Woche bei Open-Mic-Veranstaltungen. Mein Stand-up-Programm für "Till Tonight“ spiele ich vorher in kleinen Berliner Clubs. Die Auftritte werden aufgenommen, ich schaue mir sie anschliessend gemeinsam mit einem Co-Autor an, was nicht funktioniert hat, wird rausgeschmissen und wir überlegen dann, was man verbessern kann.
"Wir machen eine Comedy-Show, da steht meine politische Haltung nicht im Vordergrund."
Die "Heute-Show" hat früher gelegentlich Politiker in die Sendung eingeladen. Wäre das eine Option für Sie?
Ja, wir werden Politiker einladen, allerdings keine aktiven. Ich finde es spannend, mit Leuten zu reden, die lange im Politikbetrieb waren, die bei wichtigen Entscheidungen dabei waren, jetzt aber draussen sind und einen Blick von aussen auf die Politik werfen. Die können jetzt freier reden, weil sie sich nach keiner Parteilinie mehr richten müssen.
Das politische Spektrum der Komiker im deutschen Fernsehen reicht von konservativen wie Dieter Nuhr bis
Wir machen eine Comedy-Show, da steht meine politische Haltung nicht im Vordergrund. Ich würde mich freuen, wenn bei mir Leute einschalten, die bereit sind, sich überraschen zu lassen. Für mich ist es weniger wichtig, ob jemand meine Position teilt oder nicht. Ich will nur erreichen, dass das Publikum gut unterhalten wird, dass die Leute lustig finden, was ich mache.
Vor knapp zehn Jahren haben Sie für Ihr Buch "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen" viele Gespräche mit "besorgten Bürgern" geführt, waren auf Pegida-Demonstrationen und AfD-Parteitagen. Was haben Sie aus diesem Projekt mitgenommen für Ihre heutige Arbeit auf der Bühne?
Ich habe dadurch gelernt, nicht jede Äusserung direkt für bare Münze zu nehmen. Ich habe jetzt eine differenzierte Meinung darüber, wie man mit Menschen spricht, die vielleicht AfD wählen. Dass man sich von denen nicht mit der erstbesten Antwort abspeisen lässt, sondern lieber zwei-, dreimal nachfragt, um zu verstehen, wo das Problem liegt. Sind es wirklich die Ausländer oder liegt das eigentliche Problem woanders? Eine Person ernst zu nehmen, bedeutet eben auch, kritisch mit ihr zu sein, anstatt einfach nur stumpf Gefolgschaft zu leisten. Man darf solche Leute durchaus mal etwas robuster angehen.
Lesen Sie auch
Unter vielen Kabarettisten und Comedians ist es Methode, die AfD lächerlich zu machen. Ist diese Strategie – angesichts der gewachsenen AfD-Wählerschaft – gescheitert?
Ich denke, da schreiben Sie Comedy und Kabarett zu viel Wirkmacht zu. Dass die AfD so erstarkt ist, liegt in erster Linie am Versagen der Politik. Da haben viele Dinge nicht funktioniert. Über dieses Versagen mache ich mich dann auf der Bühne lustig und zeige, was ich für die grössten Fehler im Umgang mit der AfD halte.
Zum Beispiel?
Dass man immer weiter nachgibt, dass man deren Standpunkten immer mehr Raum gibt, statt zu sagen: Das ist und bleibt Unsinn. Man muss für die Demokratie werben und sie verteidigen! Und wenn die AfD demokratiefeindliche Positionen einnimmt, darf man die nicht zur neuen politischen Mitte erklären, sondern muss robust Widerstand leisten. Im Moment haben wir die Situation, dass die AfD die Agenda setzt, weil andere Politiker aus Angst, nicht mehr neutral zu wirken, rechte oder halbrechte Positionen eingenommen haben.
"Wir Komiker dürfen machen, was wir wollen, da vergebe ich keine Haltungsnoten."
Sie sind nun vorübergehend auf dem Sendeplatz von Jan Böhmermann. Gefällt Ihnen die Art, wie Böhmermann die AfD angeht?
Wir Komiker dürfen machen, was wir wollen, da vergebe ich keine Haltungsnoten. Aber die Politik muss handeln. Es kann nicht sein, dass Leute, die für Humor zuständig sind, mehr Haltung zeigen als diejenigen, die dafür gewählt und bezahlt werden.
In den letzten Jahren hat die Kritik am öffentlichen-rechtlichen Rundfunk zugenommen, nicht nur von Seiten der AfD. Was müsste der ÖRR besser machen, um wieder mehr Akzeptanz zu bekommen?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich entscheiden, was er möchte. Er ist damals gegründet worden als Reaktion auf die Nazi-Zeit, mit einem aufklärerischen Impetus und um die Demokratie zu bewahren. Man kann die Rechten nicht milde stimmen dadurch, dass man ihnen nachgibt. Und wenn man denen nachgibt, wenden sich diejenigen Zuschauer ab, die dem ÖRR sehr gewogen sind. Und dann hat man irgendwann nur noch Enttäuschte.
Hat aber nicht Ihr vorhin erwähntes Buch ein Stück weit das Konzept verfolgt 'mit Rechten reden'?
Absolut, aber das war 2016. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die AfD steht jetzt bundesweit bei 20 Prozent. So langsam sollten wir es verstanden haben.
Sprich, ein Buch in der Form würden Sie nicht mehr machen?
Nein, auf keinen Fall.
Sie sind nun Moderator im ZDF-Hauptprogramm. Der Sender vertritt bis heute die Position, dass Gehälter von frei beschäftigten Moderatoren, wie Markus Lanz oder Oliver Welke, nicht transparent gemacht werden. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Sind diese Zahlen nicht ohnehin schon geleaked worden? Ehrlich gesagt, habe ich mir zu den Pros und Contras so einer Transparenz noch keine Gedanken gemacht, auch weil Fernsehen nur einen kleinen Teil meines Einkommens ausmacht. Ja, das zumindest kann ich leaken: Von einer monatlichen Sendung bei 3sat wird man nicht reich. Das meiste Geld verdiene ich nach wie vor mit Live-Shows. Das entspricht auch meinem Selbstverständnis als Stand-up-Comedian, der auf der Bühne steht und auf Tour geht.
Zur Person
- Till Reiners ist Stand-up-Comedian, Podcaster und Moderator. Er wuchs in Geldern am Niederrhein auf, studierte in Trier Politikwissenschaften und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Er ist regelmässig mit seinen Soloprogrammen auf Tour und regelmässiger Gast in der "heute-show". Seit 2022 ist er auch Gastgeber der Comedyshow "Happy Hour" bei 3sat.