Jan Böhmermann verabschiedete sich und sein "ZDF Magazin Royale" am Freitagabend mit einer Spezialausgabe in die Sommerpause. So etwas kann man mit einem lauten Knall machen oder mit nicht enden wollenden Rückschaubildern. Böhmermann entschied sich aber für einen anderen Weg. Einen musikalischen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Jan Böhmermann ist ein Kämpfer. Nicht mit Waffen oder Fäusten, sondern mit Kamera, Satire und dem Team seines "ZDF Magazin Royale". Das guckt jeden Freitagabend mit ihm zusammen, ob da nicht was ist, wogegen es sich zu kämpfen lohnt. Und weil da mehr als genug ist, kämpft Jan Böhmermann. Gegen Online-Casinos, gegen Rassismus bei der Polizei, gegen Influencer in Dubai, gegen Orbáns Ungarn, gegen das Schlachthof-Imperium von Clemens Tönnies, gegen Transfeindlichkeit, gegen Ehegattensplitting und immer und immer wieder gegen Nazis, egal, in welcher Gestalt sie auftreten.

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Und Jan Böhmermann ist ein Musiker und Musikliebhaber. Denn Musik war und ist in seinem "ZDF Magazin Royale" ein fester Bestandteil, egal, ob durch die Auftritte von Künstlern, von Böhmermann selbst wie bei seinem Rapsong "Ich hab Polizei" oder durch sein Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld, das seine Kämpfe musikalisch begleitet. Das Tanzorchester hatte 2017 noch in der Vorgänger-Show, dem "Neo Magazin Royale", die Nachfolge des Rappers Dendemann angetreten und Böhmermanns musikalische Möglichkeiten um die eines Orchesters erweitert.

Am Freitagabend nun verabschiedete sich Jan Böhmermann für knapp zwei Monate in die Sommerpause. Ab nächster Woche vertritt ihn der Comedian Till Reiners, den man unter anderem aus "Die Anstalt" kennt und versucht sich dort zur selben Sendezeit mit seiner neuen Late-Night-Show "Till Tonight". Noch aber ist Böhmermann da – oder auch nicht. Denn so einen Abschied begleitet man im Fernsehen gerne mit Zusammenschnitten und Rückschauen auf das kurz zuvor Vollbrachte, was aber im Grunde nur ein Eingeständnis ist, dass einem entweder die Lust oder die Ideen ausgegangen sind, sich noch ein letztes Mal aufzuraffen.

Rausschmeisser Konzertmitschnitt

Böhmermann geht am Freitagabend nicht denselben, aber doch einen ähnlichen Weg. Denn Anfang des Jahres war er zusammen mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld mit der "Eisern Ehrenfeld"-Tour in den Konzertsälen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz unterwegs, nun zeigt er zum Abgang in die Sommerpause einen halbstündigen Zusammenschnitt aus dem Konzert in Stuttgart. Das kann man als Ideenlosigkeit werten, als Zeichen, dass man vielleicht wirklich nichts mehr gefunden hat, wogegen man ein letztes Mal in dieser Staffel kämpfen kann – oder mag. Man kann es aber auch ganz anders sehen.

Denn für Musiker Böhmermann war Musik nie nur eine Sache von Rhythmus, Pentatoniken, Takten oder Melodien, sondern diente fast immer auch einem Zweck. Und dieser Zweck ist derselbe, den Böhmermann auch in seiner Satireshow verfolgt: zu gucken, ob es nicht etwas gibt, wogegen es zu kämpfen lohnt. Für den preussischen General Carl von Clausewitz war bekanntlich "der Krieg eine blosse Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln". Für Jan Böhmermann muss es analog dazu heissen: "Das Lied ist eine blosse Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln."

Wenn Böhmermann also mit seinem Tanzorchester auf der Bühne steht, dann ist das nicht nur ein Konzert, sondern eine Mission. Mit dem Zusammenschnitt eines Konzerts bringt Böhmermann also all seine Feinde auf einmal mit in die Abschiedsfolge und seinen Lieblingsfeind knüpft er sich gleich im ersten Lied vor.

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Böhmermanns unermüdlicher Kampf

In dem falcoesken Song "Faschismus is back" nimmt er sich den aktuellen Faschismusvormarsch vor, aber auch die Mechanismen, die dieses Comeback erst möglich machen. "Uns geht’s doch gut. Uns geht’s doch sehr gut. Dax auf Rekordhoch, brandneue Chino, After-Work-Austern, Gigi D’Agostino. Nicht links und nicht rechts, gegen Zensur, geht’s hier raus oder rein in die Diktatur?", heisst es dort und später: "Faschismus is back – und keiner hat’s kommen sehen. Faschismus is back – noch immer radikal bequem. Faschismus is back – huch, wie konnte denn das passieren? Wir waren doch demonstrieren!"

Ja, Böhmermann ist unermüdlich in seinem Kampf, in dem man nicht unermüdlich genug sein kann. Weil es Menschen gibt, die diese Welt anzünden wollen und andere Menschen, die gerne das Streichholz reichen, weil sie den Schein der Flammen mögen und gar nicht merken, dass die aus ihrem eigenen Haus schlagen. Böhmermanns Rolle ist dabei nicht die des Feuerwehrmanns, sondern desjenigen, der zeigt, wer da das Streichholz in der Hand hält, was er damit vorhat und der die in Verantwortung nimmt, die das Streichholz reichen. Eben die Rolle des Künstlers und auch dafür hat Böhmermann einen Song.

"Eine Welt voller Fragen, Fragen, Fragen. Und das Schöne ist: Wenn man keine Antwort hat, dann kann man immer auf die Leute schauen, die immer Antworten haben: auf Künstlerinnen und Künstler. Ich bin ein Künstler. Nicht ernst zunehmen, aber das Schöne ist: In Zeiten, in denen es viele Fragezeichen gibt, sind wir KünstlerInnen in der Lage, Ausrufezeichen zu setzen", erklärt Böhmermann vorab, ehe er singt: "Pack die Idee bei ihren Hörnern, sie ist das Salz auf deiner Haut, mit grossen und mit kleinen Körnern kommt sie fremd und geht vertraut."

"Warum sind hier überall Autos?"

Ein bisschen zu poetisch für Böhmermann und so lässt er sich bei diesem Lied erst theatralisch in die Höhe ziehen, ehe er noch theatralischer einen Unfall-Absturz inszeniert und vermeintlich auf der Bühne aufschlägt. Und als er dann, während sein lebloser Körper davon getragen wird, aus dem Off um eine zweite Chance bettelt, wird ihm von der Stimme Gottes ein Comeback gewährt, mit "Strg Z und hex, hex". Böhmermann ist Kämpfer, Musiker und eben auch Künstler und für Böhmermann ist Kunst erst Kunst, wenn sie piekst. Und am meisten piekst sie, wenn man einfach nur Fragen stellt und das macht Böhmermann.

"Warum sind hier überall Autos?", zum Beispiel oder "Warum ist ein Discovery 4,90 Meter lang? Und was gibt es in Böblingen eigentlich zu discovern?" Oder: "Warum ist Heroin verboten, aber 320 fahren erlaubt?" und "Warum kostet Schwarzfahren 100 Euro und Falschparken nur 10?", fragt Böhmermann in dem Song "Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?" und in "Böhmermann ist schuld" bietet er sich als Projektionsfläche für alle Dauerunfzufriedenen und Nörgler an. Ja, auch hier hat Böhmermann etwas entdeckt, wogegen man kämpfen sollte. Aber jetzt ist erst einmal Sommerpause.