Ob Panama-Kanal oder Kanada – die imperialistischen Fantasien von US-Präsident Donald Trump sind beängstigend bis absurd. Den grössten Wirbel gab es um Grönland. Aber warum eigentlich? Das fragte sich auch Jan Böhmermann in seinem "ZDF Magazin Royale", vergass dabei aber die viel wichtigere Frage.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Wissen Sie manchmal auch nicht mehr, was gerade so angesagt ist in der Welt? Was in ist und was nicht?", beginnt Jan Böhmermann am Freitagabend sein Thema der Woche und fragt weiter: "Sind Sie auch manchmal so ein bisschen, was so aktuelle Trends angeht, ein bisschen lost? Welche Podcast-App ist gerade die beste, welchen TikTok-Tanz muss man gerade bei Instagram machen, um viele Donations zu bekommen? Welche Abnehmspritze benutzen gerade alle Kids unter zwölf? Man weiss ja oft gar nicht mehr: Was ist hot und was not?"

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Um hier eine Trend-Orientierung zu liefern, dafür gebe es aber ja das "ZDF Magazin Royale" und so sagt Böhmermann: "An einem Hype kommt man seit Monaten nicht vorbei." Gemeint ist Donald Trumps Fixierung auf Grönland: "Trump will Grönland haben, aber Grönland will Trump nicht haben", erklärt Böhmermann, liegt damit aber nicht so ganz richtig. Denn Trumps Absichten haben sich zwar nicht geändert, aber der Hype um den Hype um Grönland ist trotzdem schon ein paar Tage zu lange her, um noch ein Hype zu sein und das hat einen Grund.

Grönland: hot or not?

Denn Donald Trump hat eine ganz besondere Eigenschaft. Der US-Präsident stiftet in 24 Stunden so viel Chaos, dass der Wahnsinn des einen Tages am nächsten Tag schon wieder vergessen ist, einfach, weil Trump etwas noch Wahnsinnigeres gesagt, gepostet, angekündigt oder gar getan hat. Das kann man beängstigend oder beruhigend finden, so oder so steckt in seiner Unbeständigkeit aber doch ein Stück Beständigkeit.

Und so könnte im aktuellen Handelsstreit und dem noch aktuelleren Zoff mit Elon Musk fast in Vergessenheit geraten, dass Donald Trump und seine Steigbügelhalter tatsächlich noch vor kurzem ein ganz anderes Streitobjekt hatten: eben Grönland. Der US-Präsident war sich sicher, dass ein Beitritt Grönlands zu den USA nur eine Frage der Zeit sei, schliesslich bräuchten die USA dringend die arktische Insel und auch Grönland könne nur von einem Beitritt profitieren.

85 Prozent der Bewohner Grönlands sehen das laut einer Umfrage anders und auch Jan Böhmermann hat so seine Zweifel. Allerdings sind die grundsätzlicherer Natur und so fragt Böhmermann am Freitagabend: "Ist Grönland hot or not?" Böhmermann ist also der Hype um Grönland suspekt und um da Klarheit zu schaffen, beginnt der Satiriker erst einmal mit ein bisschen Geschichtsunterricht.

"Lage, Lage, Lage"

"Bis 1953 war Grönland eine dänische Kolonie. Aber die schlimmste Zeit kam danach: Die Insel wurde zu einer dänischen Provinz degradiert, die Einwohner sollten Dänen werden, sie wurden umgesiedelt und zwangssterilisiert, man nahm ihnen die Kinder weg, sie mussten Dänisch sprechen", zitiert Böhmermann aus einem "Zeit"-Artikel und ergänzt, dass 90 Prozent der Grönländer der Bevölkerungsgruppe der Inuit angehören und die wüssten: "Es war historisch gesehen nie geil, wenn Grönland mal im Trend war, weil dann fremde Mächte über sie bestimmt haben."

Auf dieser historischen Grundlage stehend, sieht sich Böhmermann mal die Gründe für den aktuellen Grönland-Trend an und das wären die dortigen Ressourcen und die geopolitische Bedeutung Grönlands für Wirtschaft und Militär. Oder wie es Böhmermann im besten Immobilienhändlersprech formuliert: "Lage, Lage, Lage." Was genau so gut an Grönlands Lage ist, sehe man, wenn man mal den Globus so dreht, dass Grönland nicht am Rand, sondern in der Mitte der Welt liegt, nämlich zwischen Kanada, den USA, Island, Norwegen und Russland.

Zur geopolitisch und strategisch günstigen Lage käme noch etwas anderes. Denn durch die Klimakrise schmelze die arktische Eisdecke, wodurch die darunter liegenden Ressourcen wie Gold, Zink, Uran und seltene Erden überhaupt erst zugänglich würden. Und gerade bei den seltenen Erden sei China Weltmarktführer, ein Zugang zu Grönlands Ressourcen würden die USA unabhängiger machen. Durch das schmelzende Eis entstünden zudem neue und kürzere Wasserwege, was gut für den Handel sei. Gleichzeitig seien Russland und China schon länger militärisch in der Arktis präsent. Grönland ist also hot, oder?

Die wichtigere Frage stellt Böhmermann nicht

Nicht wirklich, meint Böhmermann, denn der Abbau seltener Erden sei extrem aufwändig und damit teuer, ausserdem sei auch bei der Weiterverarbeitung China weit vorne. Für eine America-first-Politik auch in der Arktis sei es aufgrund der langen Präsenz von Russland und China schon längst zu spät. Und militärisch könnten die USA aufgrund bestehender Verträge mit Dänemark ihre bereits existierende Präsenz schon lange ausbauen, ohne dass Grönland Teil der USA werde. "Die USA brauchen Grönland nicht", so Böhmermanns Fazit.

Und so fasst der Satiriker den Grönland-Trend noch einmal zusammen: "Don’t believe the hype! Es lohnt sich einfach nicht: Rohstoffe – kommt man schwer dran; Seewege – umständlich und mieses Wetter; Grönland erobern, damit man da noch mehr Militär hinstellen kann – es macht keinen Sinn. Null von fünf Sternen. Also: Fallen Sie nicht rein auf den Grönland-Hype, So wie ich auf Crop Tops." Gut, dann wissen wir das, aber wenn wir nicht auf den Grönland-Hype reinfallen sollen, bleibt trotzdem noch eine Frage offen.

Denn was die Redaktion des "ZDF Magazin Royale" herausgefunden hat, dürfte die US-Regierung, selbst unter Donald Trump, auch herausgefunden haben. Daher wäre die logische zweite Frage: Wenn Grönland gar keinen Hype wert ist: Warum gibt es ihn dann? Warum ist Trump so auf Grönland fixiert? Warum engagieren sich Russland und China dort? Doch leider gibt sich Böhmermann nur mit einer Antwort auf die erste Frage zufrieden, die zweite, viel spannendere, stellt er leider nicht. Aber offenbar traut er der Sache doch nicht ganz, denn sollte sich etwas an der Sachlage ändern, "stellen wir dann eben nochmal die Frage: Grönland – hot or not."