Alles hat ein Ende – sogar "Germany's Next Topmodel". Denn kaum wartet man vier Monate, steht auch schon das Halbfinale an. In dem müssen die letzten acht Models am Donnerstagabend alles geben und: sich an ein Auto lehnen. Aber das Risiko sollte sich lohnen, denn am Ende hat Klum ihre sechs Finalisten beisammen.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Halbfinale. In dieser Woche ist es endlich so weit. Die letzten Meter auf dem Weg ins grosse Live-Finale haben es in sich", feuert Heidi Klum am Donnerstagabend eine Floskel nach der anderen ab und ballert weiter, bis der Boden übersät ist mit Worthülsen: "18 Wochen liegen hinter den Models und auf den letzten Metern will niemand mehr nach Hause gehen. Doch wem gelingt es am Ende, das begehrteste Ticket Deutschlands zu ergattern?"

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Bevor Nachfragen kommen: Nein, die Klum meint nicht das 49-Euro-Ticket, obwohl das auch sehr begehrt ist, sondern natürlich das Ticket fürs GNTM-Finale. In das kommt natürlich nur, wer in der Heidi-Klum-Universität gut aufgepasst hat und zumindest was die Floskeln anbelangt, gibt es ein paar Streber unter den Kandidaten: "Ich werd Germany's Next Topmodel, weil ich hier durch Höhen und Tiefen gegangen bin und jetzt nur noch aufs Gas drücke. Ich hol mir den Titel", erklärt zum Beispiel Daniela.

Mode-Model Moritz hält es da schlichter: "Ich werde Germany's Next Topmodel, weil ich der beste im Walk und im Shooting bin." Das ist, ob korrekt oder nicht, eine nüchterne und aufs Wesentliche reduzierte Sicht, Kollegin Zoe hingegen bemüht noch die Statistik hinzu: "Es gab noch nie zweimal hintereinander eine mit kurzen Haaren. Also: Ich glaube, dafür hab ich das Zeug, ne." Ja, gucken wir mal.

Models, die auf Videos starren

Bevor hier nämlich irgendwer, ob mit kurzen oder langen Haaren, zum Topmodel gekürt wird, holt Eliob in der Model-Wohnung erst einmal einen goldenen Umschlag hervor. "Vor über vier Monaten hat eure Reise bei 'Germany‘s Next Topmodel' begonnen", beginnt Eliob, den Brief vorzulesen und er macht das so unnötig langsam, dass man Angst hat, dass das Ganze noch vier Monate dauert. Dabei hätte es den Brief gar nicht gebraucht, denn der sagt nur, dass die Models gleich ihre Casting-Videos ansehen werden.

Das ist allerdings spätestens dann offensichtlich, als die Models ihre Casting-Videos ansehen. "Man darf niemals vergessen, wie alles angefangen hat", erklärt Klum in dem Begleitbrief – eine Behauptung, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Gerade nach vier Monaten darf mal ruhig vergessen, wie alles angefangen hat. Tatsächlich sind die Casting-Videos aber eine gute Gelegenheit für die Produktion, die GNTM-Zeit noch ein bisschen zu dehnen, indem man den Models Videos zeigt, die sie kennen, einfach, weil sie ja selbst drin vorkommen.

Ein Prinzip, das man endlos fortführen kann und wir freuen uns schon aufs Finale, wenn die Models Videos ansehen, wie sie eine Woche zuvor ihre Casting-Videos angesehen haben. Inhaltlich haben die Videos nur den Zweck, noch einmal vor Augen zu führen, wie sehr die Models durch ihre Teilnahme bei "Germany's Next Topmodel" gewachsen sind. Also im übertragenden Sinn. Aber die Models müssen nun los, weitere spätere Rückschau-Momente erzeugen.

Wer lehnt sich am besten an?

"Endlich ist der Moment gekommen: Das 'Harper's Bazaar‘-Cover-Shooting steht an", verkündet Klum. Wo das Shooting ansteht und wie lange schon, erklärt Klum nicht, aber offenbar ist das Shooting auch schon an der Reihe, denn Klum fügt hinzu: "Wenn sie auftaucht, wird es ernst." Gemeint ist eine Frau namens Kerstin Schneider und die ist, laut Klum "aus dem 'Germany‘s Next Topmodel'-Inventar nicht mehr wegzudenken." Klingt jetzt nicht unbedingt wie ein Kompliment, aber Frau Schneider freu sich trotzdem, wieder dabei zu sein.

Wahrscheinlich, weil Frau Schneider dadurch nicht nur Aufmerksamkeit für ihr Modeheft bekommt, sondern auch noch zwei Coverfotos. Und genau für die sind die Models da und müssen laut Klum nun zeigen, "was sie in all den Wochen bei mir gelernt haben." Was könnte da also auf die Models zukommen? Werden sie wieder an einem Kran in die Höhe gezogen? Werden sie spärlich bekleidet auf einem Bett durch L.A. gefahren? Müssen sie sich nackt auf einem Motorrad rekeln oder als lebendige Puppen posieren?

Nein, die Models müssen sich diesmal an ein altes Auto lehnen. Fertig. "Das war viel simpler und viel weniger Bewegung", erkennt auch Model Moritz und fasst zusammen: "Man musste sich nur aufs Gesicht konzentrieren eigentlich." Offenbar enthält der Lehrplan der Heidi-Klum-Universität sehr viel Redundanz. "Er ist ein Naturtalent einfach", findet dann auch die Klum, wie sich Moritz aufs Gesicht konzentriert hat.

Klamotten für 1.500 Dollar

Es läuft allerdings nicht bei allen so naturtalentiert. "Versuche, zu Beginn weniger sexy zu sein", fordert der Fotograf beispielsweise Canel. Eine Vorgehensweise, die man bei "Germany's Next Topmodel" so eigentlich nicht kennt. Erst in der vergangenen Woche mussten sich die Models sexy durch ein Bettzeug wühlen. Offenbar muss man nicht immer sexy sein. Hat das jemand schon der Klum gesagt? Die wird überrascht sein.

Besser läuft es dann wieder bei Pierre. "Ich glaube auch, jemand, der noch nie Erfahrung sammeln konnte, ausser bei mir – der hat noch nie irgendwas gemacht", ist Klum von der Leistung Pierres beim Shooting begeistert, obwohl der keine Model-Erfahrung hat. Man kann also nur erahnen, wo Pierre heute überall zu sehen wäre, hätte er eine wirkliche Model-Schule besucht und keine Unterhaltungsshow auf Pro7.

Schlussendlich geht man mit acht potenziellen Coverfotos ins Finale, was eine ziemlich Verschwendung ist. Das hätte man besser planen können und um Planung geht es auch beim abschliessenden Walk. Hier bekommen die Models 1.500 Dollar in die Hand gedrückt, mit denen sie sich in Klamottenläden ein Tages- und ein Nacht-Outfit schiessen sollen. Dafür haben sie unnötig kurz Zeit, lediglich zwei Stunden dürfen sie dafür brauchen. Offenbar will man gegen Ende der Staffel noch ein bisschen Spannung unterrühren und kriegt das nicht ohne Hilfsmittel hin.

GNTM mit beeindruckenden Zahlen

Vielleicht ist die Geschichte des Hin- und Herlaufens ja nach 20 Staffeln auch einfach mal auserzählt. Für den letzten Entscheidungswalk vor dem Finale will man es aber noch einmal wissen und hat einen Quick-Change, also einen schnellen Klamottenwechsel von Tages- und Nachtoutfit eingeplant. Und weil der Walk auf einem riesigen Anwesen stattfindet, hat man auch noch den Luxus, sich eine unnötig lange Strecke zwischen Umkleide und Catwalk auszusuchen, so dass die Klum ein bisschen über die lange Wartezeit meckern kann.

Und so laufen und hetzten die Models wieder einmal hin und her, nur diesmal eben in selbst gekauften Klamotten – und mit unterschiedlichem Erfolg. "Er hat was an", erfüllt Eliob Klums Mindestanforderung, bei Magdalena erkennt Klum hingegen einen "Million-Dollar-Look". Bei einem Invest von 1.500 Dollar eine fantastische Rendite. So beeindruckende Zahlen kann eigentlich nur noch Zoe liefern. "Ich glaube, wenn man sich meine Reise anguckt, merkt man, dass ich jedesmal immer 1.000 Prozent gegeben habe", erzählt das Model über ihre GNTM-Zeit.

Überschlagen wir mal kurz: Wenn Zoe tatsächlich jedesmal immer 1.000 Prozent gegeben hat, dann wären das nach 18 Wochen zusammen fast vier Millionen Prozent. Bei solchen Zahlen muss Zoe gewinnen. Ach, was: Eigentlich müsste Zoe schon vor zwei Monaten gewonnen haben, als sie bereits zwei Millionen Prozent gegeben hatte. Hat sie aber nicht und so muss sich Zoe vorerst mit einem Platz im Finale begnügen – etwas, das Klum den Models Canel und Eliob am Ende nicht gönnt.