Vor knapp einem Jahr fragte Sat.1 Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet "Kannste Kanzleramt?". Nun, nach der Bundestagswahl lautet die Frage "Kannste regieren?" und geht diesmal an Baerbock, Scholz und Karl Lauterbach. Bei den Antworten, die die drei Politiker am Donnerstagabend gaben, darf man sich allerdings vom Titel der Show nicht täuschen lassen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Erinnern Sie sich noch an Armin Laschet? So ungefähr 1,72 Meter gross, CDU-Mitglied, gemütliches Äusseres und rheinländischer Akzent. Besondere Merkmale: Wollte vor nicht allzu langer Zeit Bundeskanzler werden. Auf dem Weg dorthin machte er in der Late-Night-Show "Late Night Berlin" von Klaas Heufer-Umlauf Zwischenstopp und stellte sich dort den Fragen von zwei Kindern.

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Die Sache mit dem Bundeskanzlerwerden ging für Armin Laschet nicht so gut aus. Ob das nun alleine daran lag, dass er bei dem Gespräch mit den beiden Kindern eine eher unglückliche Figur gemacht hat, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Und Laschet wegen dieses Auftritts die Regierungsfähigkeit abzusprechen, wäre auch unfair, denn dafür braucht es noch ganz andere Fähigkeiten, als nur Souveränität bei einem Kreuzverhör von Kindern.

Dennoch haben solche Formate ihren Reiz – für den Zuschauer. Denn man erlebt hier Politiker einmal ausserhalb ihrer Komfortzone und kann sich zumindest ein Bild davon machen, wie sympathisch sie sich bei diesem Ausflug geben – wenn man schon keine wirklich Aussage über ihre Fähigkeiten in der Politik treffen kann. Wenn überhaupt ist es also eher ein persönliches Kennenlernen als ein politischer Eignungstest.

"Kannste regieren?": "Fragen, die sich sonst keiner traut"

Unter diesen Gesichtspunkten hat ein Format wie "Kannste regieren?" also seine Berechtigung und so konnte man am Donnerstagabend bei Sat.1 Aussenministerin Annalena Baerbock, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeskanzler Olaf Scholz eben ein bisschen auf der persönlichen Ebene kennenlernen – auch wenn der Titel "Kannste regieren?" mehr verspricht als das.

Annalena Baerbock ist die erste, die sich den Fragen von 17 Schülern in deren Klassenzimmer stellt. Das hat die heutige Aussenministerin bereits vor gut einem Jahr schon einmal gemacht, damals noch zusammen mit Olaf Scholz und Armin Laschet und unter dem Titel "Kannste Kanzleramt?". Daher ist ihr die Situation bereits vertraut, als ihr die Kinder und Jugendlichen ihre Fragen stellen und diese haben es zumindest laut Ankündigung in sich.

"Grosse Themen, auf die sich unsere Kinder hier und heute Antworten wünschen", erklärt die Off-Sprecherin und eines der Kinder behauptet vorab: "Wir stellen die Fragen, die sich sonst keiner traut." Damit liegt er nur teilweise richtig, denn viele Fragen wurden den Interviewten bereits an anderer Stelle gestellt. Interessant sind die Fragen aber dennoch, wie auch Karl Lauterbach nach seinem Gespräch feststellt: "Kinder sind in der Lage, sehr ehrlich, sehr wahrhaftig und sehr allgemein zu fragen. Daher haben die Kinderfragen oft eine philosophische Dimension, die dem journalistischen Austausch schon abgeht. Da wird schon sehr viel vorausgesetzt."

Codewort für Annalena Baerbock: "Dann verlasse ich jede Sitzung und rufe sie an"

Und dieses Nicht-Voraussetzen zwingt die interviewten Politiker, mehr erklären zu müssen, wie etwa Annalena Baerbock zu Fragen nach feministischer Aussenpolitik, zu Waffenlieferungen an die Ukraine oder zu ihrem Job als Aussenministerin. Da erfährt man etwas aus dem Nähkästchen internationaler Beziehung wie dem Treffen mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow, aber auch Privates, wie ein Codewort, das sie mit ihrer Tochter vereinbart hat, sollte etwas wirklich Dringendes sein: "Dann verlasse ich jede Sitzung und rufe sie an."

Ähnliches gilt für das Gespräch mit Gesundheitsminister Lauterbach. Der erklärt die Gründe seiner Corona-Politik, aber auch, wie er sich den Umgang in der Politik wünscht. Als es um seinen Streit mit FDP-Justizminister Marco Buschmann geht, fragt eine Schülerin, wer gewonnen habe und Lauterbach antwortet: "Das sollte man nie sagen. In der Politik ist es immer schlecht, wenn man sich selbst als Sieger darstellt. Ich habe das mehr so gesehen, dass wir das partnerschaftlich gemacht haben. Wenn man sich auf die Schulter klopft: Wie toll war ich doch! - das ist eher für schwächere Politiker", erklärt Lauterbach und zeigt dann, wie er das meint.

Ein Schüler fragt ihn: "Das hört sich immer so schlau an, wenn Sie reden. Sind Sie wirklich so schlau?" Lauterbachs Antwort: "Ob ich wirklich schlau bin, das müsst ihr beurteilen. […] Ich bin immer der Meinung, dass es gerade Kinder sind, die schlaue Leute von nicht so schlauen Leuten besonders gut unterscheiden können", erklärt Lauterbach, fügt aber hinzu: "Ob ein Mensch schlau ist oder nicht entscheidet nicht darüber, wie man ihn respektieren sollte, wie man mit Menschen umgeht." Das bedeutet aber nicht, dass Lauterbach keine klaren Worte findet, wenn ihm etwas nicht passt.

Als es um die AfD und Alice Weidel geht, wird Karl Lauterbach deutlich

Denn nach seiner Definition von "Querdenker" gefragt, antwortet der Gesundheitsminister etwa: "Für den Querdenker spielt Wissen keine Rolle, aber die Meinung ist sehr wichtig und dabei zählt nur seine eigene Meinung." Ähnlich deutlich wird er, als er Politiker nach Freund und Feind sortieren soll. Da landet AfD-Sprecherin Alice Weidel als einzige in der Kategorie "Feind" und Lauterbach erklärt, warum: "Empfinde ich als eine unehrliche, polemische Person, weil sie aus meiner Sicht weit weg von der Wissenschaft ist. Also Wissen spielt für sie wenig eine Rolle und sie hetzt Menschen gegeneinander auf. […] Wir sind in vielerlei Hinsicht politisch unterschiedlicher Meinung. Ich finde sie aber auch menschlich sehr problematisch, weil ich immer gerne hab, dass man Menschen nicht gegeneinander hetzt."

Klare Worte, die man beim letzten Gespräch in dieser Form nicht findet. Zum einen, weil entsprechende Fragen so nicht gestellt werden, vor allem aber, weil bei Olaf Scholz diese Klarheit in seinen Worten nicht unbedingt Standard ist. Die Kinder und Jugendlichen treffen Scholz nicht im Klassenzimmer, sondern besuchen ihn im Kanzleramt. Er zeigt sein Büro, lässt einen Jungen auf seinem Stuhl Platz nehmen. Auf die erste Frage, ob er ein guter Kanzler sei, antwortet Scholz: "Ich bemühe mich und ich glaube auch, dass das so ist." Es folgen Fragen nach seiner Schulhofliebe, nach Gerhard Schröder oder nach der Angst vor einem dritten Weltkrieg,

Wie auch Baerbock und Lauterbach antwortet Scholz so, wie er es auch in anderen Interviews machen würde, was man als ein Zeichen von Respekt durch gleiche Augenhöhe werten kann. Gleichzeitig fehlt Scholz im Gespräch mit den Kindern diese aktive Ungezwungenheit seiner Kabinettskollegen Baerbock und Lauterbach. Was Scholz aber wie den anderen beiden Interviewten gelingt, ist, mit einem positiven Bild aus "Kannste regieren?" herauszugehen – also genau das, was Armin Laschet seinerzeit bei "Late Night Berlin" nicht gelang. Und dennoch darf man sich hier nicht vom Titel täuschen lassen. Ob einer der Drei regieren kann, das lässt sich nicht in einer Unterhaltunsgsshow feststellen, sondern anhand ihrer politischen Entscheidungen. Und da gibt die 13-jährige Lara Olaf Scholz am Ende einen Auftrag mit auf den Weg: "Jetzt muss auch was passieren! Aber ich bin zuversichtlich und ich glaube, er kann das."

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