"Wir müssen reden", behauptet Moderator Jochen Schropp am Mittwochabend zu Beginn der "grossen Aussprache" von "Promis unter Palmen" und dehnt damit die Bedeutung von "müssen" unerträglich weit. Denn das, was da geredet wurde, unterschied sich nicht gross von dem Gezeter der letzten Wochen. Mit gutem Fernsehen hatte das jedenfalls nichts zu tun und das könnte an einem Missverständnis liegen.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Die macht alle fertig und dreht und wendet die Leute, wie sie will." "Sagst du mir Beschied, wenn sie fertig ist, ich muss mal auf Toilette." "Ich hab doch mit dir gar nichts am Hut!" "Zur Schlampe musst du dich erstmal hocharbeiten. Du bist doch ein billiges Flittchen!" "Man erreicht sie ja nicht. Das ist ja wie Autismus." "Sie gehört weg von der Platte!"

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Ja, Mensch. Da hatte man in der vergangenen Woche schon jubiliert, dass das ganze Gezeter und Gemobbe von "Promis unter Palmen" endlich Geschichte ist – und da ruft dann Sat.1 noch einmal "zur grossen Aussprache." Und so kamen sie noch einmal alle an: Claudia Obert, Janine Pink, Tobias Wegener, Carina Spack, Désirée Nick, Matthias Mangiapane, Ennesto Monté und Eva Benetatou sassen mit Corona-Abstand im Studio, Ronald Schill wurde aus Brasilien zugeschaltet.

"Promis unter Palmen": Der Gewinner ist nicht eingeladen

Moment, da fehlt doch einer! In der Tat wurde Bastian Yotta nicht eingeladen, "denn Sat.1 steht zu seinem Wort, in Zukunft nicht mehr mit Yotta zu arbeiten", erklärt der Moderator des Abends, Jochen Schropp, und übergeht dabei galant die Zwickmühle, in der sich Sat.1. befunden hat. Denn ganz offenbar hat der Sender angesichts des Verhaltens von Bastian Yotta das Urteil über ihn schon gefällt, denn sonst hätte Sat.1 ihn ja eingeladen.

Zu einem Urteil gehört aber im Zweifel ein Prozess, bei dem sich der Beschuldigte verteidigen darf. Aber, Sie ahnen es, so ganz ernst nimmt sich der Sender selbst nicht, denn zum einen verurteilt Sat.1. Yottas Benehmen, aber eben nicht so sehr, dass man es nicht doch zeigen wollte. Man hätte ja genug Zeit gehabt, den Bastian Yotta mal beiseite zu nehmen und gleichzeitig den Unfug, den er getrieben hat, herauszuschneiden. Aber offenbar lief es einfach zu gut.

Vielleicht ist diese Inkonsequenz aber auch einfach dem allgemeinen Missverständnis geschuldet, das über den Sinn einer Show wie "Promis unter Palmen" herrscht und das sich auch bei der "grossen Aussprache" wieder zeigen sollte.

Désirée Nick: "Es ist ein Trash-Format"

Da gab es nämlich die eine Gruppe, vorrangig aus Désirée Nick, Ronald Schill und Matthias Mangiapane, die das Ganze als das genommen hat, was es ist: eine Show. Und zu einer Show gehört nun einmal, dass man dem Zuschauer etwas bietet und sei es nur ein Streit mit diversen Beleidigungen: "Es ist ein Trash-Format, das weiss jeder, der da mitgemacht hat", erklärt Nick ihre Sichtweise und verweist darauf, dass man daraus Kult machen könne.

Die zweite Gruppe, vertreten durch Carina Spack, Eva Benetatou und erstaunlicherweise auch durch Moderator Jochen Schropp, geht da realitätsnäher ran und ist von Beleidigungen tatsächlich getroffen, wie zum Beispiel Spack, die ein ums andere Mal Opfer von Nicks Kommentaren über ihren Körper wurde: "Ich finde nicht, dass man künstlerisches Talent braucht, um andere zu beleidigen." Problematisch wurde es daher immer dann, wenn diese verschiedenen Herangehensweisen aufeinandertrafen.

Aussprache bei PuP: Grenzen verschwimmen

Dennoch schafft es auch ein Selbstinszenierungsprofi wie Nick nicht, Show und Persönliches zu trennen. So echauffiert sie sich einerseits, sie sei von Carina wegen ihres Alters beleidigt worden. Andererseits rät sie Spack, sie solle sich selbst nicht so ernst nehmen. Und so verschwimmen auch bei der grossen Aussprache die Grenzen zwischen den eigenen Ansprüchen, der persönlichen Betroffenheit und dem Versuch, irgendeinen Unterhaltungswert zu kreieren.

Möchte man trotz allem so etwas wie einen gemeinsamen Nenner finden, dann ist das vielleicht die Erkenntnis, dass selbst die grösste Show irgendwann ihre Grenzen hat. Als Jochen Schropp beispielsweise Carina damit konfrontiert, dass Claudia wegen ihres Verhaltens geweint habe, gibt die sich reumütig: "Bei der Ausstrahlung war ich sehr erschrocken von mir selbst. (…) Ich war mir dessen nicht bewusst, dass sie das so getroffen hat."

Claudia Obert: "Was soll diese grosse Aussprache?"

Der selbst mit Beleidigungen nicht gerade zimperliche Mangiapane will zwar das Ganze immer als "Format" zur Unterhaltung verstanden wissen, aber selbst ihm ging es zu weit, als Bastian Yotta Claudia Obert mit einem Eiterpickel verglich. Am Ende geht es also darum, wer wann eine Grenze zieht und da hat offenbar jeder so eine andere Vorstellung darüber, wann Schluss ist.

Denn auch wenn Nick ihre in einen nicht enden wollenden Wortschwall verpackten Beleidigungen selbst für intellektuell überdurchschnittlich hält, bleiben es am Ende doch Beleidigungen. Da mag sie das noch so sehr für grosse Unterhaltungskunst halten. Und so schimpfte die Nick am Mittwochabend einfach unbeirrt weiter und nutzte die Zeit für Imagepflege.

Im Grunde hätte man bei dem ganzen Gezeter schon nach 20 Minuten in den Sack hauen können, denn da hatte längst jeder ausreichend Gelegenheit gehabt, sofern er bei Désirée Nicks unendlichen Monologen zu Wort kommen konnte, sich noch einmal zu produzieren. Stattdessen wollte Sat.1 tatsächlich jede vermeintlich brisante Szene der letzten Wochen noch einmal durchkauen.

Obert: "Was soll diese grosse Aussprache"

So war es an Claudia Obert, die quasi alleine die dritte Gruppe der Wurschtigkeit bildet, den Abend zusammenzufassen: "Die Leute konnten sich ein Bild machen, was soll diese grosse Aussprache?" Und Eva Benetatou merkt an: "Heute sitzen wir hier und keiner hat so richtig gelernt, weil es genauso weitergeht." Am Ende weiss dann niemand mehr, wer hier wirklich beleidigt ist, beleidigt wurde oder ob einfach nur wieder alles eine schlechte Show ist.

Daher am besten zur Sicherheit, damit wenigstens der Zuschauer keinen Schaden bei all dem Gekeife nimmt: Wenn ihr Palmen-Promis euch das nächste Mal wirklich aussprechen wollt: Gründet bitte einfach eine WhatsApp-Gruppe!

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