Am Sonntagmittag bog der "ZDF-Fernsehgarten" in die Zielgerade ein. In der vorletzten regulären Ausgabe sollte der ganze Lerchenberg zum Singen gebracht werden. Nur einer sang nicht mit, sondern klopfte lieber einen fiesen Spruch gegen einen alten Weggefährten.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Sonntag 11.58 Uhr. Heute singt der Fernsehgarten", begrüsst der Off-Sprecher wie immer die Zuschauer und verkündet damit gleichzeitig das Motto des Tages: "Der 'Fernsehgarten' singt." "Aber Moment mal!", wird sich da der eine oder andere Zuschauer denken, denn beim "Fernsehgarten" wird doch immer gesungen. Das wäre ja fast so, als gäbe man einer Geburtstagsparty das Motto "Geburtstag".

Immerhin fällt Moderatorin Andrea Kiewel diese thematische Doppelbuchung gleich auf. Eigentlich brauche man dieses Motto nicht, erklärt Kiewel den Zuschauern, "weil wir singen immer." Warum man das Motto trotzdem gewählt hat, erklärt Kiewel aber nicht. Stattdessen stimmt sie ein "Waaahnsinn" an und öffnet damit die Büchse der Pandora, denn das Publikum nimmt die Einladung dankend an und antwortet mit Wolfgang Petrys dazugehörigem Hit.

"Kohle für die Chorkasse"

Vielleicht fällt Andrea Kiewel aber auch kein Grund für das Motto ein, weil die Sache mit dem singenden "Fernsehgarten" doch ein bisschen komplexer ist. Denn tatsächlich hat man in der "Fernsehgarten"-Redaktion Wege gefunden, wie man beim "Fernsehgarten" doch noch ein bisschen mehr singt als sonst. Zum Beispiel, indem man je einen Chor aus Berlin, Hamburg und Köln eingeladen hat.

Die eröffnen die Show mit Liedgut, haben aber noch eine zweite Funktion, denn sie müssen das Dümmste machen, was man mit Musik machen kann: einen Wettbewerb. "Alle drei Chöre batteln sich heute mit prominenter Unterstützung", was eine Umschreibung dafür ist, dass den Chören ein Jürgen Milski, eine Aleksandra Bechtel und ein Pierre Littbarski an die Seite gestellt werden.

"Ganz miese Spiele haben wir für euch ausgesucht", verkündet Kiewel, doch so mies sind die Spiele dann doch nicht, man kennt sie jedenfalls aus anderen Shows. Am Ende gibt es für die Gewinner aus Hamburg "Kohle für die Chorkasse", ehe der ganze Lerchenberg zusammen "Dein ist mein ganzes Herz" grölt.

Aber nicht nur die Chöre singen, sondern auch Andrea Kiewel und das, obwohl ihr Team das nicht so gerne sehe, wie sie erzählt. Trotzdem bekommt der Hamburger Chorleiter eine Kostprobe von Kiewels Gesangskunst. "War natürlich mit Absicht schlimm gesungen", behauptet Kiewel im Anschluss, aber warum sollte man das tun?

Kiewel jedenfalls zieht die Sache mit dem Absichtlich-schlimm-Singen den ganzen Nachmittag über durch. Aber, wie die Moderatorin anfangs erklärt: "In diesen Zeiten muss man singen und zwar gemeinsam" und damit hat sie nicht ganz unrecht – solange es nicht nur beim Singen bleibt.

Singen ist nicht gleich singen

Auch "Fernsehgarten"-Koch Armin Rossmeier wird in das Gesangsmotto einbezogen, doch Rossmeier muss nicht singen wollen, sondern darf das machen, was er immer macht: kochen. Diesmal Currywurst und Himbeereis, denn das hätten sich die Instgram-Follower des "Fernsehgarten" so gewünscht.

Im Rahmenprogramm kann der "Fernsehgarten" also mit Mottotreue punkten, hinzu kommen natürlich noch die musikalischen Gäste und diesmal waren das: Thomas Anders, Heinz Rudolf Kunze, Nik P., Toni Krahl und Die Kinx vom Prenzlauer Berg, Caleb Hearn, SOPHIA oder Tom Marks.

Auf der Bühne ist also auch alles wie immer und damit wären wir dann auch an dem Punkt, der das Motto "Der 'Fernsehgarten' singt" noch ein bisschen komplizierter macht. Denn hier kommt es ein bisschen auf die Definition von "singen" an. Wenn damit gemeint ist, dass am Ende Gesang aus den Lautsprechern tönt, ist der "Fernsehgarten" auch an diesem Sonntagmittag im Soll. Meint man mit "singen" aber Live-Gesang, sieh es schon ganz anders aus. Denn in der Regel gibt es den beim "Fernsehgarten" nicht, stattdessen regiert hier das Vollplayback.

Ein Umstand, den Schlager-Sänger Ikke Hüftgold alias Matthias Distel vor kurzem in Bezug auf die Mallorca-Ausgabe kritisierte: "Den Künstlern werden die Mikrofone stumm geschaltet, die Musik kommt vom Band, aber das Allerschlimmste ist die Zensur unserer Texte", sagte Distel im Interview mit t-online.

Das ZDF rechtfertigte sich zu diesen Vorwürfen so: "Im 'Fernsehgarten' gibt es durchaus Auftritte mit Halbplayback oder komplett live. Da diese aber mit einem höheren Zeit- und Probenaufwand sowie technischen Anforderungen verbunden sind, wird in der Regel auf Vollplayback zurückgegriffen."

Jürgen Milski mit fiesem Spruch

Nun klingt "Der 'Fernsehgaren' singt" als Motto natürlich besser als "Der 'Fernsehgarten' drückt die 'Play'-Taste" und auch die Zuschauer scheinen sich immer noch nicht daran zu stören, dass in der Regel alles nur Show ist auf der "Fernsehgarten"-Bühne.

Empfehlungen der Redaktion

Wenn man mit all den Abstrichen, die es beim "Fernsehgarten" eben so gibt, leben kann, dürfte man also auch an diesem Sonntag mit der Show zufrieden gewesen sein. Einen aber gibt es, der definitiv keinen Spass an dieser Ausgabe gehabt haben dürfte: Zlatko Trpkovski.

Trpkovski nahm zusammen mit Jürgen Milski 2000 an der ersten Staffel "Big Brother" teil, veröffentlichte mit ihm danach noch den Song "Grosser Bruder", ehe er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog. Dementsprechend gerechtfertigt ist es, als Kiewel Milski fragt "Was macht eigentlich Zlatko, Jürgen?" "Zlatko macht, glaub’ ich, hier vorne die Damentoiletten sauber. Ich hab keine Ahnung", antwortet Milski und scheint das lustig zu finden. Hätte er doch lieber gesungen.

Verwendete Quellen