Päpste sind immer Männer gewesen – oder doch nicht? Vor über 1.100 Jahren soll Päpstin Johanna das höchste Amt der katholischen Kirche ausgeübt haben. Erst als sie ein Kind bekam, flog sie angeblich auf. Was ist dran an der Geschichte und was sagt ein Vatikan-Experte?

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Der Papst ist das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Er muss ein geweihter Priester sein. Und er muss ein Mann sein. Unter den Päpsten, die es seit dem Apostel Petrus gegeben hat, soll aber auch eine Frau gewesen sein: Päpstin Johanna.

Davon erzählen jedenfalls Legenden, die seit Hunderten Jahren erzählt werden, vom Spätmittelalter bis heute. Es gibt Spielfilme und Fernsehdokumentationen über die Frau. In den 1990er-Jahren war der Roman "Die Päpstin" von Donna Cross ein Bestseller, und auch Bertolt Brecht hatte sich mit dem Stoff befasst.

Der Legende nach soll sich Johanna im 9. Jahrhundert als Mann verkleidet und später als Johannes VIII. auf dem Heiligen Stuhl gesessen haben. Aber warum kommt sie dann in der offiziellen Geschichtsschreibung der Kirche nicht vor?

Das ist die Legende der Päpstin Johanna

Der Moment, in dem Päpstin Johanna bei einer Prozession ihr Kind bekommen haben soll. © Getty Images/ZU_09

Mitte des 13. Jahrhunderts taucht der Mythos um Päpstin Johanna erstmals in zeitgenössischen Chroniken auf. Die Geschichte unterscheidet sich zwar je nach Erzählung in Details, aber in der Regel lautet sie so: Die spätere Päpstin kommt in der Nähe von Mainz zur Welt. Ihr Vater ermöglicht ihr eine gehobene Bildung, auch schon als Mann verkleidet studiert sie in Athen.

Sie entwickelt sich zur Gelehrten und macht als Johannes Anglicus in der katholischen Kirche Karriere. Als Nachfolgerin von Papst Leo IV. wird sie im September 855 zum Papst gewählt – und heisst ab dann Johannes VIII.

Johanna hat der Legende zufolge einige Liebschaften und wird sogar schwanger. Das wird ihr zum Verhängnis: Ausgerechnet während einer Prozession in Rom kommt das Kind zur Welt. Was dann passiert, ist unklar – die Quellen sind sich nicht einig. Einmal heisst es, dass die empörte Menge die Päpstin lyncht. In einer anderen Version wird sie in ein Kloster verbannt.

Die Päpstin wird das erste Mal erwähnt

Es dauert 400 Jahre, bis die Geschichte der Päpstin Johanna erstmals in Schriften erscheint. Mitte des 13. Jahrhunderts gibt es Berichte von einer namenlosen Päpstin, die im 11. Jahrhundert gelebt haben soll. Im Jahr 1277 greift der Dominikanermönch Martin von Troppau das Thema auf. Er verlegt die Erzählung ins 9. Jahrhundert und erwähnt als Erster eine Schwangerschaft.

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Danach verbreitet sich die Legende immer weiter – auch in kirchlichen und historischen Schriften. Alle beruhen aber auf von Troppaus Fassung. Eine offizielle Kirchenchronik über Päpste erwähnt Johanna, genau wie die "Schedel'sche Weltchronik". Beide erscheinen im 15. Jahrhundert.

Eine Schrift ist allerdings älter ist als alle anderen: Das "Liber Pontificalis" stammt aus dem 9. Jahrhundert, also aus der Zeit, in der Johanna angeblich lebte. Aber nur in einem einzigen Manuskript kommt Johanna vor. Dieses befindet sich heute ausgerechnet in der Bibliothek des Vatikans. Allerdings wurde der Verweis wohl später mit der Hand nachgetragen – nach dem 13. Jahrhundert.

Gibt es historische Beweise für die Existenz Johannas?

Spätestens im 17. Jahrhundert gibt es erste Zweifel an der Geschichte der Päpstin. Mehrere Kirchenhistoriker und Geistliche untersuchen den Fall, finden aber keine Belege dafür, dass er stimmt.

"In der offiziellen Geschichtsschreibung gibt es keine Belege für einen weiblichen Papst", sagt Vatikan-Experte Nino Galetti im Gespräch mit unserer Redaktion. "Päpstin Johanna ist eine Legende, die vielen Menschen gefällt." Er werde immer wieder nach der Päpstin Johanna gefragt – insbesondere von Menschen aus Deutschland. Die Idee "scheint also zu gefallen und zu faszinieren".

Und auch das Museum der Stadt, in der Johanna angeblich zur Welt kam, stellt klar: "In Ingelheim finden sich keinerlei Spuren dieser Frau", heisst es nüchtern auf der Webseite des "Museum bei der Kaiserpfalz".

Wie entstand die Sage rund um Johanna?

Wenn die Päpstin Johanna aber gar nicht existiert hat – warum hat sich die Legende dann entwickelt? Dazu gibt es verschiedene Hypothesen. Womöglich sollte damit Papst Johannes VIII. lächerlich gemacht werden: Er wird als "weibisch" beschrieben, weil er kompromissbereit war und gute Beziehungen zum byzantinischen Reich wollte, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt.

Einer anderen Hypothese zufolge hatte eine mächtige Frau namens Marozia versucht, Einfluss auf die Kirche zu nehmen. Sie war Mutter und Grossmutter von gleich zwei Päpsten. Sie galt dann als Vorbild für Johanna.

Mit dem Mythos eng verbunden ist der Glaube an einen Brauch – in diesem sehen Anhänger der Legende einen Beweis, dass die Päpstin existierte. Demnach mussten sich alle neu gewählten Päpste seit dem 9. Jahrhundert auf einen speziellen Stuhl setzen, der ein Loch in der Sitzfläche hatte, wie der "Standard" schreibt. Dann griff ein Priester von unten zwischen die päpstlichen Beine – um herauszufinden, ob es sich wirklich um einen Mann handelte.

Dieser Stuhl existierte zwar. Aber dafür, dass er für eben diesen Zweck benutzt wurde, gibt es keine historischen Beweise.

Über den Gesprächspartner

  • Der Vatikan-Experte Dr. Nino Galetti leitet seit 2020 das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom. Er befasst sich aktuell unter anderem damit, welche Kardinäle als Favoriten für das bevorstehende Konklave zur Wahl des neuen Papstes genannt werden.

Verwendete Quellen