Die russischen Drohnen über Polen sind eine neue Eskalationsstufe seitens Russland. Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend nun darüber, wie sich Europa gegenüber Russland am besten rüstet. Dabei erklärte ein Gast die Vorstellung, es werde möglicherweise 2029 eine Kriegserklärung Russlands geben, für naiv. Stattdessen werde der Konflikt mit Russland langsam eskalieren.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Christian Vock auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema bei Maybrit Illner

"Putins Drohnen, Trumps Spielchen – ist Europa nicht gerüstet?", fragt Maybrit Illner am späten Donnerstagabend ihre Gäste und sie hätte fast dieselbe Frage bereits vor einigen Wochen stellen können oder auch vor einigen Monaten. Denn US-Präsident Trump zeigt sich seit Regierungsantritt nur in seiner Unbeständigkeit beständig. Auch die Frage nach der Abwehrbereitschaft Europas ist alles andere als neu.

Neu ist lediglich, dass Wladimir Putin Europa seit kurzem auch mit Drohnen über Polen und Rumänien testet. Dementsprechend widmeten sich Illner und ihre Gäste am Donnerstag Fragen, die rund um diese drei Schwerpunkte kreisen: die Verlässlichkeit der USA als Bündnispartner, das Abrutschen der USA in eine Autokratie, die Drohnen-Abwehr an der Nato-Ostgrenze, den richtigen Umgang mit Donald Trump oder wie und vor allem wann Russland weitere Länder in Europa angreift.

Das waren die Gäste

  • Norbert Röttgen (CDU). Röttgen ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU und sagt: "Europäische Sicherheit ist jetzt eine europäische Aufgabe." Europa brauche noch die USA und müsse Zeit gewinnen, um sich selbst verteidigen zu können. Zum europäischen Drohnen-Wall sagt Röttgen: "Ja, wir brauchen Drohnen-Abwehr an der gesamten Nato-Ostgrenze." Der Krieg in der Ukraine sei inzwischen fast ein reiner Drohnen-Krieg geworden, die Armee der Zukunft sei deshalb nicht die alte. Putin werde zudem die Amtszeit Trumps nutzen, um die Nato zu spalten, so Röttgen.
  • Ralf Stegner (SPD). Stegner sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag. Er wünscht sich, dass mehr auf Diplomatie gesetzt werde und glaubt, dass Donald Trump tatsächlich ein Schlüssel sein könne, damit Putin sich bewege. Seine Gespräche mit Russen in Baku verteidigt Stegner. Sie seien wichtig, um zu analysieren, was man in Russland denkt und ob es Veränderungen gibt.
  • Rüdiger Bachmann. Bachmann ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Michigan und besitzt die amerikanische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Er sieht keinen Sinn, auf die Unterstützung der USA zu hoffen: "Diese Administration hat kein Interesse an Transatlantizismus", sagt Bachmann. Die aktuelle US-Regierung sei zwar heterogen, aber "machtpolitisch zusammengehalten von Autoritarismus und Kleptokratie." Es gehe darum, sich selbst wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die ideologische Klammer sei der Illiberalismus, so Bachmann.
  • Susanne Wiegand. Die Aufsichtsrätin der Volkswagen AG ist ehemalige Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Renk und berät den Drohnenhersteller Quantum Systems. Für Wiegand ist Abschreckung das wichtigste Mittel, um einen Angriff Russlands zu verhindern. Dafür seien wiederum vier Punkte wichtig: ein schlagkräftiges Militär, der politische Wille, es auch einzusetzen, eine leistungsfähige Industrie, etwa für den Nachschub sowie eine resiliente Gesellschaft, denn auch im Krieg müsse ein Staat weiter funktionieren.
  • Johannes Hano. Hano ist Journalist und drehte unter anderem verschiedene Dokumentationen über Putin und auch Donald Trump. Laut Hano könne man nicht rechtssicher sagen, dass Trump ein russischer Agent sei. Hano habe bei seinen Recherchen bei Sicherheitskreisen aber keine Zweifel gesehen, dass Trump für Russland arbeite, die Frage sei nur, ob er es wissentlich oder unwissentlich mache. Trumps Geschichte sei "eine Geschichte von extrem engen Kontakten zu russischen Mafiosi, zu ehemaligen Sowjet-Grössen, mit denen er Milliarden-Geschäfte gemacht hat, die ihm immer wieder aus der Patsche geholfen haben, wenn er gerade einmal wieder bankrott war", berichtet Hano.

Die Offenbarung des Abends

Rüdiger Bachmann berichtete bereits von seiner Beobachtung, dass die USA sich zur Autokratie wandle. Er selbst achte inzwischen darauf, was er in seinen Vorlesungen sage. "Man hat schon Angst, wie es noch weitergeht", so Bachmann. Johannes Hano teilt Bachmanns Sorge. Wahrscheinlich stehe noch nicht einmal die Mehrheit der Amerikaner hinter Trump, "aber das Gefährliche ist, dass er alles dafür tut, um die Verfassung, die bislang ja einen friedlichen Machtwechsel garantiert hat, so zu manipulieren, dass es nicht mehr zu einem friedlichen Machtwechsel kommt."

Der Kapitolsturm am 6. Januar sei das erste Zeichen gewesen, wozu Trump bereit ist. Das anstehende Urteil des Supreme Courts zur Rechtmässigkeit der Zölle sei "das entscheidende Urteil, ob der Supreme Court im Sinne Trumps entscheidet oder eben für die Verfassung und den Kongress. Wenn das fällt, haben mir viele Amerikaner erzählt, dann ist es fast vorbei", so Hano. In Trumps erster Amtszeit seien es die Medien, die am längsten aufrecht gegen Trump gestanden haben. In seiner zweiten Amtszeit versuche Trump nun gleich mit den ersten Schritten, "die Medien zum Schweigen zu bringen."

Der Schlagabtausch des Abends

Betrachtet man die grundsätzlichen Haltungen, könnte man am ehesten die Linie zwischen Ralf Stegner und dem Rest der Runde ziehen. Das war aber eigentlich zu erwarten, daher war ein vermeintliches Detail an diesem Abend spannender, als das Grundsätzliche. "Wir haben nicht die Zeit bis 2029, wir sehen, dass wir getestet werden. Polen war kein Zufall und kein Versehen", analysierte Susanne Wiegand die Situation bei der Herstellung von Drohnen für Europa. Daraus erwuchs eine Diskussion über das Jahr 2029 als mögliches Datum für einen Angriff Russlands auf ein Nato-Land.

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"Es ist ein rein politisches Datum", erklärt Wiegand und erhält prompt Widerspruch von Ralf Stegner: "Es ist eine Einschätzung der Geheimdienste, dass die Russen die Fähigkeit haben könnten, möglicherweise bis 2029 in der Lage zu sein, anzugreifen." Rüdiger Bachmann hält es da eher mit Susanne Wiegand: "Ich glaube, es ist eine völlig naive Vorstellung, zu sagen, dass es ein bestimmtes Datum geben wird, ab dem wir dann irgendwie im Dritten Weltkrieg sind. So wird das nicht", erklärt Bachmann und ergänzt: "Es wird dieses Datum nicht geben." Stattdessen werde es weiter Eskalationen geben wie Drohnen- oder Cyber-Angriffe oder nicht-identifizierbare Gruppen im Baltikum.

Die Erkenntnisse

Es kommt bei Politiktalkshows nicht oft vor, dass am Ende klare Erkenntnisse vorliegen. Am Donnerstagabend kam man dem bei "maybrit illner" aber doch recht nahe. Auch wenn es mit Ralf Stegner jemanden gab, der in Trumps Umgang mit Putin einen möglichen Vorteil sieht, war sich der Rest der Runde doch relativ einig, dass man sich auf diese US-Regierung nicht verlassen könne, Europa daher so schnell wie möglich selbständig werden müsse.

Die einzige Möglichkeit, dass sich die USA nicht komplett von der Ukraine abwendet, bestehe für Rüdiger Bachmann darin, dass jemand Trump erklärt, welches Knowhow die Ukraine inzwischen beim Einsatz von Drohnen habe – was für die USA nützlich sein könnte.

Empfehlungen der Redaktion

Die zweite grosse Einstimmigkeit, wieder mit Ausnahme von Ralf Stegner, der die US-Demokratie stabiler sieht, als andere, bestand darin, dass sich die USA in eine Autokratie und eine Kleptokratie wandle. "Er hat jetzt die Möglichkeit, sehr schnell sehr reich zu werden als Präsident", schätzt etwa Johannes Hano Trumps Kalkül ein.

Die letzte grosse Übereinstimmung, erneut ohne Ralf Stegner, bestand darin, dass sich nur mit der Politik der Abschreckung ein Krieg verhindern lasse. Wenn man diesen Punkt nämlich einmal empirisch untersuche, stelle man für Demokratien fest, "dass Aufrüstung nicht zu einer Erhöhung von Konflikten führt, sondern im Gegenteil", erklärt Rüdiger Bachmann.