Barcelona - Am Morgen nach seiner folgenreichen Frustexplosion mit Rammstoss legte Max Verstappen seinen Konfrontationskurs doch ab. Noch auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya war von Einsicht oder Fehlereingeständnis nichts zu spüren. Stattdessen verhöhnte er Attacke-Opfer George Russell von Mercedes: "Das nächste Mal bringe ich Taschentücher mit."
Nach einer Nacht wandte sich
Verstappen-Statement: Hätte nicht passieren dürfen
Doch die langsamste Reifenmischung kam schlecht auf Temperatur und Verstappen nicht in Fahrt für den lange vorbereiteten und finalen Angriff auf den späteren Rennsieger Oscar Piastri und dessen McLaren-Teamkollegen Lando Norris. "Unsere Reifenwahl und einige Manöver nach dem Restart haben meine Frustration geschürt, was zu einem Manöver geführt hat, das nicht richtig war und nicht hätte passieren dürfen", erklärte Verstappen, nachdem er Russell absichtlich in den Mercedes gefahren war. Dafür hatte er zehn Strafsekunden bekommen und war auf Platz zehn zurückgefallen.
Zudem brummten ihm die Rennkommissare für die Aktion drei Strafpunkte auf. Verstappen droht nun eine Rennsperre, elf Punkte hat er in der Sünderkartei, kommt in den beiden Rennen in Kanada und Österreich einer hinzu, ist der 27 Jahre alte Titelverteidiger für den nächsten Grand Prix gesperrt und der erneute WM-Triumph erst recht in weite Ferne gerückt. "Ich gebe immer alles für das Team da draussen und die Emotionen können hochkochen", erklärte Verstappen.

Piastri ist der Gegner, den Verstappen fürchten muss
Ein Rettungsversuch nach dem Kontrollverlust? Echte Einsicht? Verstappen ist, wie er ist. Ausraster auf der Strecke sind auch nichts Neues. Neu ist aber, dass er nach vier WM-Titel nacheinander vor allem in Piastri einen Gegner hat, der sich auch von Wüterich-Anfällen des Niederländers nicht beeindrucken lässt und nun schon 49 Punkte mehr als Verstappen hat.
"Viele fürchten sich, wenn das Auto von Max hinter ihnen auftaucht. So wie in den goldenen Zeiten von (Michael)
Gleichwohl geriet Piastris meisterliche Leistung in einem taktisch hoch spannenden Rennen durch Verstappens wilde Fahrt in den letzten Runden in den Hintergrund. "Wir setzen unser Leben aufs Spiel. Zum Glück sind die Autos heutzutage so sicher, wie sie sind. Aber das sollte man nicht als selbstverständlich hinnehmen", hatte Russell dramatisch zugespitzt gesagt. Der Brite und Verstappen schleppen ohnehin schon eine gemeinsame Zoff-Vorgeschichte aus dem vergangenen Jahr mit sich herum.
Ob es auch die internationalen Schlagzeilen oder die harten Urteile von Experten waren, die Verstappen zu einem öffentlich Einlenken bewegten, bleibt dahingestellt. "Max Verstappen sorgt für Eklat", hatten die "Salzburger Nachrichten" aus der österreichischen Red-Bull-Heimat getitelt. "La Gazzetta dello Sport" aus Italien nannte Verstappen einen "Rüpel". In ihm sei die schmutzige Version wieder hervorgekommen, "die er hinter sich gelassen zu haben schien", befand "El País" aus Spanien. Kurioserweise wurde der viermalige Spanien-Sieger von den Fans aber zum Fahrer des Rennens gekürt.
Falsche Annahme des Teams brachte Verstappen in Not
Sein Team hatte Verstappen angewiesen, Russell wieder überholen zu lassen. Die Verantwortlichen hatten fälschlicherweise angenommen, Verstappen habe sich zuvor aussichtslos mit seinem letzten Reifensatz einen Vorteil in einem Zweikampf verschafft.
Verstappen, ohnehin schon auf 180 und übel fluchend, liess den Mercedes rankommen und rammte ihn dann. "Das hab' ich auch schon gemacht - bei Mario Kart...", spottete Norris, der die wilde Seite seines Kumpels schon oft zu spüren bekam.
Ob Einsicht, ob Kalkül bei seinem Statement am Tag danach ist - direkt danach hatte er auf die Frage, ob die Aktion Absicht gewesen sei, noch zurückgefragt. "Spielt das eine Rolle?" Als die Reporterin dies bejahte, konterte Verstappen: "Yeah. Das ist grossartig."
Experten rätseln über Verstappen-Aktion
Was in Verstappen in dem Moment gefahren war, versuchte er mit dem Statement zu erklären: Zu viel Frust. "Das hat er als viermaliger Weltmeister nicht nötig", kommentierte Sky-Experte und Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher aber schon vorher den Rammstoss: "Dass der Frust mitfährt, ist klar, aber das sollte nicht sein." Ex-Champion Nico Rosberg bezeichnete Verstappen Manöver als "extrem inakzeptabel", er hätte sofort aus dem Rennen genommen werden müssen, hatte Rosberg betont. © Deutsche Presse-Agentur