Beim FC Bayern herrscht grosser Leistungsdruck. Frühere Spieler wie Oliver Kahn und Thomas Helmer berichten, wie herausfordernd der Umgang damit gewesen ist. Es gab auch einige Top-Talente, die an der Erwartungshaltung scheiterten.
Für viele Fussballspieler ist es ein Lebenstraum, eines Tages für den FC Bayern München zu spielen. Doch nicht jeder kommt mit der hohen Erwartungshaltung, die beim deutschen Rekordmeister herrscht, zurecht.
"Wer beim FC Bayern einen Vertrag unterschrieben hat, muss wissen, was er getan hat", sagte einmal die Trainer-Ikone
Oliver Kahn: Der Mythos ist überall zu spüren
Für Trainer und Spieler ist ein Wechsel nach München mit einer grossen Veränderung verbunden.
"Der enorme Anspruch und die Ausstrahlung dieses Klubs. Ich weiss noch, wie ich zum ersten Mal in den Bayern-Bus stieg und auf das Logo schaute, das darauf gemalt war", antwortete er. "Der Mythos des FC Bayern ist ja bereits in den goldenen 70ern entstanden, als die Mannschaft dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister gewann. Das spürst und atmest du in diesem Verein an jeder Ecke."
Beim FC Bayern herrscht das Selbstverständnis, "dass du jedes Spiel gewinnen musst. Wohlgemerkt, nicht gewinnen kannst, sondern musst! Das ist für einen jungen Spieler schon ein riesiger Anspruch, der dich von Anfang an unter Druck setzt. So wie auch die Legenden, die vor dir dieses Trikot trugen. Du bist zum Erfolg verpflichtet. Du willst nicht derjenige sein, der in dieser langen Serie von Legenden an den Erwartungen scheitert."
Die Ikonen des Vereins sind allgegenwärtig. Als Kahn noch aktiv war, waren Legenden wie Franz Beckenbauer oder Sepp Maier noch auf dem Trainingsgelände präsent. "Natürlich willst du dir nichts anmerken lassen, aber der Respekt ist schon riesengross. Das ist etwas, mit dem nicht jeder Spieler zurechtkommt", so Kahn
Thomas Helmer: "Der Anspruch ist schwierig zu erfüllen"
"Der Anspruch, kein Spiel verlieren zu dürfen, ist schwierig zu erfüllen. Das ist ein Druck, dem man standhalten muss. Die Spieler, die das schaffen, spielen lange beim FC Bayern und sind erfolgreich", sagt er. Allerdings trifft dies längst nicht auf alle Profis zu.
"Es gibt immer wieder Spieler, die mit dem Anspruch nicht klarkommen. Die gibt es natürlich auch bei anderen Vereinen. Aber bei Bayern ist der Anspruch sehr gross. Andererseits ist es auch eine Auszeichnung, wenn der FC Bayern einen verpflichtet. Die eine Seite ist die Anerkennung, die andere Seite ist die Erwartungshaltung. Damit kommt nicht jeder klar. Das habe ich auch schon bei manchen Spielern miterlebt."
Michael Sternkopf: "Ich war nicht stark genug"
Namentlich wollte Helmer keine Namen nennen. Einer davon könnte aber Michael Sternkopf gewesen sein, der von 1990 bis 1995 für den FC Bayern spielte und später sehr offen über seine mentalen Probleme sprach. Der FC Bayern zahlte 1990 für damalige Verhältnisse sehr hohe 3,4 Millionen DM, um ihn vom Karlsruher SC zu verpflichten.
"Entsprechend gross waren die Erwartungen der Öffentlichkeit", erzählte er in einem Interview, welches auf der Vereins-Webseite "fcbayern.com" erschien. "Im ersten Jahr hatte ich Verletzungspech, spielte nur elf Mal. Bis dahin hatte ich immer Erfolg gehabt – als der ausblieb, habe ich mich schlecht und wertlos gefühlt, konnte keine Leistung mehr bringen, der Druck wurde immer grösser. In der Zeitung liest man, was man für ein Versager ist. Dafür war ich mental nicht stark genug."
Sebastian Deisler: "In der Kabine Mensch zu sein, ist nicht leicht"
Während Sternkopf seine Karriere später bei anderen Vereinen fortsetzte, verlief dies bei Sebastian Deisler komplett anders. Er galt als das grösste Talent des deutschen Fussballs, als er 2002 von Hertha BSC zum FC Bayern wechselte. Fünf Jahre später beendete er seine Karriere aufgrund von Depressionen – im Alter von erst 27 Jahren.
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Gegenüber seinen Mitspielern sprach er nie über seine psychischen Probleme. "Ich habe mich nicht getraut, mit denen darüber zu reden", sagte er später in einem Interview mit der "Zeit". "In der Bayern-Kabine Mensch zu sein, ist gar nicht so leicht. Das schaffst du nur, wenn du dir sagst: Ich bin der Grösste. Du baust dich auf und unterdrückst deine Gefühle."
Quellen
- Interview mit Thomas Helmer
- Delius Klasing Verlag: 125 Jahre Bayern München
- fcbayern.com: Michael Sternkopf: Die Stärke, über Schwäche zu reden
- Die Zeit (01.10.2009): "Man muss härter sein als ich"