Paris Saint-Germain gewinnt zum ersten Mal die Champions League. Mit einem sympathischen Trainer und einem Team, das keine grossen Stars braucht. Und trotzdem: Der Sieg des Klubs ist vor allem ein Sieg für Katar.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es könnten alles Geschichten eines Wunders sein: Der 19-jährige Désiré Doué, der seine Mannschaft zum Titel schiesst. Die Tatsache, dass gegen Ende der Partie noch zwei Spieler aus der eigenen Jugend auf den Platz kommen und der eine, Senny Mayulu, mit dem 5:0 den glorreichen Schlusspunkt des Abends setzt und seinen Klub erstmals zum Champions-League-Sieger macht. Und der so sympathische Trainer Luis Enrique, der nicht nur mit dem Gedenken an seine verstorbene Tochter die Herzen berührt, sondern sich mit einer taktischen Meisterleistung endgültig sein eigenes Denkmal setzt.

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Hätte man noch vor wenigen Jahren jemandem erzählt, dass der Champions-League-Erfolg von Paris Saint-Germain so viele schöne Geschichten produzieren würde, man hätte es nicht geglaubt. Um Sympathiepunkte hatte sich der Klub, seit er 2011 vom katarischen Investmentfonds um Nasser Al-Khelaifi aufgekauft wurde, nie so wirklich geschert. Stattdessen kaufte PSG fast jedes Jahr mehr Stars für noch mehr Geld, um noch kläglicher am lang ersehnten Champions-League-Titel zu scheitern. Erst jetzt, nachdem man die Kehrtwende vollzogen hat und nicht mehr auf die grossen Namen des Weltfussballs, sondern vor allem auf junge einheimische Talente setzt, gelang der grosse Erfolg.

Sieg von PSG ist eine Blaupause

Die einfache Idee des Fussballs hat am Ende doch gewonnen, könnte man sagen. Und trotzdem ist der Sieg von Paris Saint-Germain für den Fussball am Ende in keinster Weise ein Fussballmärchen. Nasser Al-Khelaifi hat sein Ziel auf die eine oder andere Art und Weise doch erreicht - und das kann eine Blaupause für andere sein, die sich mit dem Fussball Status erkaufen wollen.

Nasser al-Khelaifi feierte den CL-Sieg ausgelassen. © IMAGO/Action Plus/IMAGO/Pierre Teyssot

Al-Khelaifi ist ein Mann mit vielen Gesichtern - und vor allem mit vielen Jobs. Seit 2011 ist der 52-Jährige an der Spitze der 2005 gegründeten Anlagengesellschaft "Qatar Sports Investments", die sich wenig überraschend vollständig in den Händen des katarischen Staats befindet. In dieser Funktion wurde er 2011 Präsident von PSG, zudem leitet er als Vorsitzender das katarische Medienunternehmen BeIN Sports, das mittlerweile zu den grössten Sportmedienunternehmen der Welt zählt und Rechte an der französischen Ligue 1 hat. Auch beim Asiatischen Tennisverband übernahm Khelaifi, der bis in die frühen 2000er Jahre professionell Tennis spielte, als Funktionär die Verantwortung.

Khelaifi spielt in der Uefa gross mit

Auch im Fussball ist die Rolle als PSG-Präsident längst nicht mehr seine einzige. Als ECA-Vorsitzender führt der Katari mittlerweile den Zusammenschluss europäischer Topklubs, in dem auch zahlreiche deutsche Klubs, darunter der FC Bayern und Borussia Dortmund, vertreten sind. Die vielseitigen Beschäftigungen von Khelaifi und ein daraus entstehender möglicher Interessenskonflikt sorgten schon beim Spiel von PSG in München für Kritik aus der Bayern-Fanszene.

Dass Al-Khelaifi sich nicht nur mit anderen Vertretern europäischer Spitzenklubs, darunter auch Karl-Heinz Rummenigge, so gut versteht, liegt auch an seinem strategischen Geschick. Als im April 2021 zwölf Klubs ankündigten, in Konkurrenz zur Champions League eine eigene Super League zu gründen, stellte er sich als einer der wenigen Vereinsbosse der Spitzenteams auf die Seite der Uefa. Die Proteststürme der Fans gaben ihn schliesslich recht. Der damalige ECA-Vorsitzende Andrea Agnelli, der mit Juventus Turin einer der Haupträdelsführer des Aufstands war und immer noch ist, verlor seinen Job an Al-Khelaifi, der nun die Interessen der europäischen Topklubs bei der Uefa vertreten darf.

Gut vernetzt ist Al-Khelaifi trotz seines langen Wirkens in Europa aber auch immer noch bestens mit dem katarischen Staat - der auch im Jahr 2025 noch vom autokratischen Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani geführt wird. Das Emirat hat das sportliche Engagement des Landes im vergangenen Jahrzehnt grosszügig finanziert, zog aber auch immer wieder Kritik auf sich. Über die Menschenrechtssituation und die Arbeitsrechte in Katar im Besonderen wurde vor allem rund um die WM 2022 viel berichtet, wie viele Arbeiter auf den Baustellen der WM-Stadien tatsächlich starben, ist bis heute umstritten.

Katar soll weiter gegen Menschenrechte verstossen

Nach dem Ende der WM wurde die Kritik leiser und leiser - was auch PSG und Al-Khelaifi gefallen haben dürfte. Doch laut Berichten von Amnesty International hat sich die Situation danach nicht verbessert: "In Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten litten geringverdienende Arbeitsmigrant*innen nach wie vor unter extremer Ausbeutung, Lohndiebstahl durch ihre Arbeitgeber*innen und fristlosen Entlassungen sowie unter Diskriminierung, unzumutbaren Unterkünften, körperlicher und seelischer Misshandlung und mangelnder Gesundheitsversorgung. Am stärksten betroffen waren Hausangestellte, von denen die meisten Frauen waren", schreibt die Organisation auf ihrer Website. Auch Homosexuelle werden in dem Land weiterhin kriminalisiert.

Ein grosses Thema ist das nicht mehr, schon gar nicht in Frankreich, das von Katar nun mehr oder weniger den ersten Champions-League-Sieger seit Olympique Marseille geschenkt bekommen hat - und erst den zweiten überhaupt. Das Engagement bei PSG kann man spätestens jetzt als weiteren Erfolg für das Sportswashing-Projekt Katar bezeichnen. Wie auch der Sieg von Manchester City 2023 wird er eine Blaupause für andere Staaten sein, die ähnliches vorhaben. Mit Newcastle United ist inzwischen auch Saudi-Arabien über den Public Investment Fond (PIF) als Eigentümer des nordenglischen Klubs 2025/26 wieder in der Champions League vertreten.

Aus dem, was die Vereinigten Arabischen Emirate bei Manchester City und Katar bei PSG versucht haben, hat Saudi-Arabien bereits gelernt: Die grossen Leuchtturm-Transfers gibt es bei Newcastle United von Anfang an nicht, der Aufstieg an die Spitze verläuft organischer und nicht mehr ganz so laut. Was vielleicht nicht ganz schlecht ist, denn der ein oder andere wird auch bei Newcastle gut ausblenden können, dass es sich hier um keinen Underdog, sondern um ein Milliarden-Projekt zur Image-Verbesserung einer Autokratie handelt. Der grosse Abend von Paris Saint-Germain war ein gutes Beispiel dafür.

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