Stefan Effenberg lud in Mönchengladbach zu "Effenbergs Ecke", die zu der Reihe "Deutsche Fussball Geschichte LIVE!" gehört. Wir haben uns den rund 90-minütigen Talk mit dem früheren Gladbacher und heutigen TV-Experten angeschaut.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Andreas Reiners dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Zeit bekam Stefan Effenberg keine. Die Frage passte allerdings auch perfekt, war im Grunde Pflicht. Weshalb sie Moderator Torsten Knippertz dann auch gleich zu Beginn der Show "Effenbergs Ecke" stellte. "Kannst du auch Sportdirektor?", fragte Knippertz. Denn Effenbergs Ex-Klub Borussia Mönchengladbach sucht nach dem Rücktritt von Roland Virkus einen starken Mann an der sportlichen Spitze des Traditionsklubs.

Effenberg blieb diplomatisch. "Ich kann vieles", entgegnete er. Und machte deutlich, dass er lieber über andere Dinge sprechen wollte.
Denn im Rahmen der Reihe "Deutsche Fussball Geschichte LIVE!" hatte der frühere Nationalspieler zum gemütlichen Talk in die Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengladbach geladen. Rund 350 Zuschauer fanden sich ein, um der Gladbach-Legende zu lauschen. Viele mit Borussia-Hintergrund, einige auch mit Effenberg-Trikot.

Ein Heimspiel also für den 57-Jährigen. Und dazu kein Einzelfall: Neben Effenberg sind so auch Mario Basler, Ansgar Brinkmann, Nadine Angerer, Peter Neururer und Reiner Calmund auf Tour durch die Republik, um einen "unterhaltsamen und facettenreichen Abend voller Fussballgeschichte(n)" zu bieten, wie auf der Website des Veranstalters für die Reihe getrommelt wird.

Doppelpass-Vibes in kleinerer Runde

Ist das tatsächlich so? Knippertz, in Gladbach auch der Stadionsprecher, sorgte in der ersten Halbzeit der insgesamt 90-minütigen Show für eine Wohlfühlatmosphäre – für Effenberg. Der durfte über seine Anfänge bei Borussia Mönchengladbach, aber auch das aktuelle Fussball-Geschehen sprechen.

Das war fraglos interessant, aber eben auch grösstenteils oberflächlich, harmlos, mit einem unüberhörbaren Hang zum Floskelhaften. Das ist nicht untypisch für Ex-Profis, die als TV-Experten unterwegs sind: charmant, unterhaltsam, aber nicht selten ohne echten Tiefgang. Es fehlten streckenweise die echten Überraschungen.

"Du musst als Team funktionieren, sonst wird es schwer", sagte Effenberg zum Beispiel über die deutsche Nationalmannschaft. Dass das Training als Neuling in Gladbach "auch mal wehtun" konnte, es aber "auch eine gute Schule" gewesen sei, sorgte für die wenig bahnbrechende Erkenntnis: "Das Allerwichtigste ist, immer wieder aufzustehen." Joa, stimmt schon.

Es waren starke Doppelpass-Vibes, nur in deutlich kleinerer Runde. Zu oft auch ohne den gewohnten Biss, den man von Effenberg eigentlich kennt. Auch, weil die Fragen selten zu kritischen Antworten verleiteten. Selbst bei einem Schwenker zur Krise seines Ex-Klubs blieb es bei einem eher zurückhaltenden Plädoyer, dass man die "Stabilität wiederherstellen" müsse.

Stark wurde "Effenbergs Ecke", als die Anekdoten herausgekramt wurden, wenn es Insights gab, wenn Effenberg Hintergründe preisgab, die aus dem Mainstream so nicht bekannt sind. Wie der Jeep-"Ausflug" gemeinsam mit seinem damaligen Gladbacher Teamkollegen Jörg Neun, als beide in einem Waldgebiet stecken blieben – und suspendiert wurden. 1989 war das, als Effenberg noch jung und aufmüpfig war.

Jeep-Ausflug "nicht smart, sondern schon schräg"

"Das war nicht smart, sondern schon schräg", sagte er rückblickend: "Wir wurden suspendiert und haben prompt verloren. Als der Trainer uns zurückholte, haben wir sofort wieder gewonnen", verriet er mit einem Augenzwinkern. Und man spürte förmlich, wie das Publikum die Storys dieser Art aufsog. Nachdem Effenberg sich zunächst noch etwas geziert hatte, bei Anekdoten in die Tiefe zu gehen ("Ich dachte, wir wollten über Fussball reden"), wurde es später deutlich lockerer.

Was vor allem am Überraschungsgast lag. Denn der frühere Gladbacher Thomas Kastenmaier, mit dem Effenberg 1995 den DFB-Pokal gewann, verlieh dem Abend in der zweiten Hälfte nicht nur eine komödiantische Note, sondern liess auch Effenberg mehr und mehr auftauen.

Beide lieferten sich nicht nur wegen des bayerischen Akzents Kastenmaiers (Effenberg: "Ich übersetze mal für ihn") und Effenbergs trockenen Humor einen sehenswerten Schlagabtausch. Vor allem die Fülle an Anekdoten und Rückblicken überzeugte.

Ob Effenberg selbst gemerkt hatte, dass der erste Teil interessant war, aber nicht restlos zündete, und deshalb nach der Pause verstärkt auf Geschichten ging, ist unklar. Fakt ist: Es funktionierte, weil beide sich nicht allzu ernst nahmen.

Effenberg und Kastenmaier harmonieren

Das Duo Effenberg/Kastenmaier harmonierte und brillierte mit humorvollen Seitenhieben und Storys, die sich natürlich vornehmlich um die gemeinsame Gladbacher Zeit drehten. Wie Kastenmaier zum Beispiel dem Platzhirschen Effenberg vor einem Freistoss klarmachte, dass er schiesst ("Geh‘ beiseite, den mach ich rein") und dann tatsächlich das Tor des Monats erzielte.

Oder dass bei der legendären Tiger-Frisur eine verlorene Wette aus "Wetten, dass…?" dahintersteckte. Effenberg hatte fälschlicherweise auf Eintracht Frankfurt als Meister 1993/94 getippt.

Diese Geschichten verliehen der Show Tempo und Witz, ohne ins Alberne oder Bemühte abzudriften. Die Protagonisten hatten sichtlich Spass, gemeinsam in die Vergangenheit einzutauchen und die Fans dabei mitzunehmen. Hier entwickelte das Event eine enorme Stärke. Der Auftritt bekam einen neuen Drive, weil Effenberg und Kastenmaier Fussball nicht erklärten, sondern vorlebten.

Die Lacher zogen sich beständig durch die zweiten 45 Minuten, immer wieder gab es Applaus. Ob das auch an anderen Orten so aufgeht, wird dann auf die Anekdotendichte und die Gäste ankommen. Bei einer guten Mischung kann das aber sicher auch woanders als in Gladbach unterhaltsam werden.

Wie geht es mit Effenberg weiter?

Der Veranstalter ist mit dem Format generell zufrieden, "es läuft sehr gut an. Da wir verschiedene Künstler anbieten, ist es für viele interessant und spricht die verschiedensten Fans an", sagte Produktionsleiterin Diana Hoff unserer Redaktion. "Wir haben für das Format einiges in Planung." Ob und wie es mit Stefan Effenberg weitergeht, ist aktuell aber offen. "Wir würden uns sicherlich über mehr Termine freuen", sagte Hoff.

Empfehlungen der Redaktion

Dass Effenbergs Terminplan durch ein Engagement im Profifussball enger getaktet sein könnte, ist erst einmal nicht abzusehen. Denn dass er noch einmal als Trainer tätig werden könnte, schloss er als Antwort auf eine entsprechende Fan-Frage aus. Bleibt noch ein möglicher Posten in Gladbach.

Zu einer Funktion in der Zukunft schob er am Ende noch hinterher, man solle "niemals nie" sagen. Aber: "Die Dinge, die ich gerade mache, machen mir unwahrscheinlich viel Spass." Nicht ausgeschlossen, dass künftig auch die Bühne fest zu seinem Alltag gehört.