Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft erlebt im Halbfinale erneut einen zähen Kampf bis zum Schluss. Die Spanierinnen sind von Beginn an die physisch klar überlegene Mannschaft, doch auch dank Torfrau Ann-Katrin Berger halten die DFB-Frauen lange mit – und gehen sogar in die Verlängerung. Doch Weltfussballerin Aitana Bonmati ist kurz vor Schluss eiskalt.

Bundestrainer Christian Wück muss nach dem nervenaufreibenden Viertelfinale gegen Frankreich erneut umstellen, setzt auf eine defensive Stabilität und hofft auf Konter. Vor allem in der ersten Halbzeit ist Favorit Spanien klar physisch überlegen, das Tor machen beide Mannschaften allerdings nicht. Dennoch geht das Spiel in die Verlängerung: Nach 90 Minuten haben beide Teams zwar einige gute Chancen, Tore gibt es aber keine.

Erst in der 113. Minute ist Aitana Bonmati zur Stelle und netzt ins kurze Eck ein. 1:0 gewinnen die Weltmeisterinnen. Gegner im Finale ist Europameister England. Die Mannschaft von Sarina Wiegman hat Italien im ersten Halbfinale dank zweier später Tore nach Verlängerung geschlagen (2:1).

Was vom Spiel hängen bleibt: Spanien physisch überlegen, Tore gibt es aber lang keine

Die Partie beginnt ruhig, aber bereits hart umkämpft. Einen ersten Torschuss gibt Klara Bühl ab, die einen langen, hohen Freistoss von Torfrau Ann-Katrin Berger annimmt und von der linken Flügelseite ins lange Eck zielt – aber knapp vorbeischiesst (8.). In den ersten Minuten findet die Partie aber wie zu erwarten vor allem in der Hälfte der Deutschen statt.

Die erste Grosschance Spaniens entsteht durch einen Ballverlust Franziska Ketts im eigenen Sechzehner. Berger pariert den Schuss von Esther stark (22.). Die anschliessenden beiden Ecken bleiben aber folgenlos. Der Druck der Mannschaft von Montserrat Tomé wird grösser, ihr Ballbesitz liegt nach 30 Minuten bei weit über 70 Prozent. Nach einer Behandlungspause kehrt Rebecca Knaak zurück auf das Feld, sie hat ohne Fremdeinwirkung Schmerzen im Knie (28.).

Immer wieder kommt aber auch die Wück-Elf vor das gegnerische Tor, erspielt sich sogar die klareren Chancen. Wamser spielt den Ball lang und flach vor zu Hoffmann, die den Ball frei vor dem Tor rechts danebenschiesst, aber ohnehin im Abseits steht (34.). Die Spanierinnen gewinnen weit mehr Zweikämpfe. Kurz vor der Pause verzieht Stürmerin Esther einen Fallrückzieher nach einem Eckball (42.), kurz danach rettet Berger in grosser Not erneut gegen Esther (45.+1).

Nach der Pause stellt Wück um und bringt die offensivere Linda Dallmann auf der Zehn ins Spiel. Nach schönem Pass von Hoffmann verpasst Bühl ein weiteres Mal die Führung, sie scheitert an Torfrau Cata Coll (63.). Ernsthafte Chancen gibt es in den Minuten darauf kaum mehr, die Unterbrechungen werden mehr. Ein Raunen geht durch das Publikum, als Bühl ihren Freistoss haarscharf rechts daneben setzt (85.). Gegen Selina Cerci muss die spanische Torfrau ebenfalls in grösster Not retten (90.+4). Es geht in die Verlängerung, die für die Spanierinnen glücklich enden wird: Aitana Bonmatí trifft aus spitzem Winkel (113.).

Die Stars des Spiels: Kleinherne: Die Letzte wird die Erste sein

Sie war die letzte Feldspielerin, die Wück in der Schlussphase der normalen Spielzeit gegen Frankreich ins Spiel gebracht hatte. Zwar hatte Sophia Kleinherne schon hier einen guten Job erledigt und auf sich aufmerksam gemacht, der Bundestrainer wird sie aber wohl eher aus der Not heraus in die Startelf gepackt haben.

Doch die Neu-Wolfsburgerin zahlt das Vertrauen zurück: Gegen Spanien hat die 25-Jährige alle Luft- und Bodenzweikämpfe gewonnen. 75 Prozent ihrer Pässe sind angekommen, fünf Mal hat sie Bälle der Gegnerinnen geklärt, zwei Schüsse aufs Tor geblockt – mehr als ansehnlich gegen extrem offensivstarke Spanierinnen. In der Verlängerung rettet sie aufopferungsvoll gegen die pfeilschnelle Salma Paralluelo und muss unter Tränen ausgewechselt werden. Auch Torhüterin Ann-Katrin Berger, deren Grossvater Herbert im Stadion anwesend war, obwohl er sich erst für das Finale angekündigt hatte, zeigte erneut einige Glanzparaden.

Die Szene des Spiels: Bonmatí eiskalt ins kurze Eck

Am Ende, nach 113 Minuten, ist Weltfussballerin Aitana Bonmatí dann doch schneller als ihre Gegenspielerin Rebecca Knaak, die zwar noch den Fuss in den Schuss hält, aber ihn nicht blocken kann. Aus rechtem, spitzem Winkel geht der Ball ins kurze Eck, Berger kann nur noch hinter sich greifen. 1:0 für die Weltmeisterinnen.

Den Ball verliert Sydney Lohmann an Athenea, die schnell zu Bonmatí passt. Die 27-Jährige flitzt in den Strafraum, entscheidet sich für einen recht spitzen Winkel bei ihrem Abschluss. Das Tor kommt in einer Phase, in der vom spanischen Offensivspiel nicht mehr viel zu sehen ist. Eiskalt abgeschlossen.

Die Lehren des Spiels: 1. Die DFB-Frauen sind physisch unterlegen

Bereits nach 45 Minuten wird klar, dass die Spanierinnen der DFB-Elf überlegen sind. 78 Ballbesitz und eine Passquote von 89 Prozent sprechen für sich. Wücks Plan, defensiv stabil zu stehen und auf Konter zu setzen, funktioniert nur begrenzt. Denn die deutsche Mannschaft steht trotz aller Bemühungen hinten zu offen, lässt die schnellen Spanierinnen zu oft vor den eigenen Kasten kommen und sich ausspielen. Bei Standards steht Spaniens Innenverteidigerin Irene Paredes erstaunlich häufig frei.

Dennoch steht es nach 90 Minuten 0:0, die deutsche Mannschaft kommt selbst einige Male in den gegnerischen Strafraum und hat durch Bühl eine grosse Chance zur Führung (8.), die Flügelstürmerin kommt noch einmal durch, Hoffmann ebenfalls. Letztlich sind sie aber zu ungenau in ihren Abschlüssen. Ein Abnutzungskampf beginnt, der bis in die Verlängerung geht und lange keinen klaren Sieger findet.

2. Hoffmann, Cerci, Schüller: Wer wird Deutschlands neue Mittelstürmerin?

Wie bereits gegen Frankreich lässt Wück Leipzigs Stürmerin Giovanna Hoffmann als Mittelstürmerin starten. Lea Schüller, die als legitime Nachfolgerin von Alexandra Popp auf dieser Position gilt, sitzt wieder auf der Bank, der Bundestrainer kritisiert, dass die 27-Jährige zu wenig in das Spiel eingebunden ist. Nachdem die DFB-Elf gegen Frankreich kollektiv mit Verteidigen beschäftigt ist, kann Hoffmann nun erstmals zeigen, wozu sie fähig ist.

Nur: Offensivszenen, die in Erinnerung bleiben, produziert die 26-Jährige wenig. Ihre Schüsse auf das gegnerische Tor sind zu unplatziert, Druck auf Torhüterin Cata Coll übt sie keinen aus. Sie stellt sich – wie von Wück gewünscht – offensiv wie defensiv in die Dienste der Mannschaft, verteidigt mit, bleibt aber zu harmlos. Doch Wück gibt kurz vor Ende der regulären Spielzeit Selina Cerci den Vortritt, die eine klare Torchance hervorbringt. Schüller hingegen kommt erst in der 115. Minute ins Spiel und kann offensiv wenig beitragen.

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3. Was wäre nur ohne Verletzungssorgen möglich?

Mit Personalsorgen kennt sich Bundestrainer Christian Wück inzwischen aus: Die DFB-Frauen gehen wieder mit einer anderen Formation als im vorigen Spiel ins Halbfinale. Rechtsverteidigerin Carlotta Wamser ist nach ihrer Rot-Sperre zurück, Kapitänin Janina Minge spielt zusammen mit Elisa Senss und Sara Däbritz in der defensiven Abwehrkette. Die zuvor starke Sjoeke Nüsken und Kathrin Hendrich fehlen gesperrt, Sarai Linder und Giulia Gwinn sind verletzt. Was aber wäre möglich gewesen, hätte Wück seine beste Mannschaft auflaufen lassen können?

Bei aller Ideenlosigkeit, vor allem in der Offensive, zeigte sich fast allen Spielen, dass die DFB-Frauen auch ohne ihre Bestbesetzung erfolgreich – und vor allem variabel - sind. Minge etwa wechselt regelmässig zwischen Mittelfeld und Innenverteidigung. Die stark und mutig agierende Wamser rückt weit nach vorn und zeigt ihre Offensivqualitäten. Das macht Hoffnung für die Zukunft.