Noch zwei Spiele – dann ist das XXL-Turnier in den USA vorbei. Man kann das Mega-Event von Fifa-Präsident Infantino doof finden und verurteilen. Tatsache ist aber: Die Idee, dass sich alle vier Jahre 32 Vereinsmannschaften aus allen Kontinenten messen, ist gut und wird überleben.
Jetzt, da kein Bundesligist mehr bei der Klub-WM in den USA mitmischt, können wir leichten Herzens behaupten: Dieses Weltturnier für Vereinsmannschaften ist Mist. Das erste Halbfinale zwischen Chelsea und Fluminense: Wen interessierte das 2:0 am Dienstagabend schon?
Man sollte sich nicht täuschen. Denn seien wir ehrlich: Wer kennt noch beide Halbfinal-Partien aus der Champions League und wie sie ausgegangen sind? Eben. Die 63 WM-Spiele mit 32 Teams wurden vom Streaming-Dienst DAZN ebenso abgespult wie die europäische Königsklasse: Alles muss raus.
Die Massenproduktion von Live-Übertragungen nimmt keine Rücksicht auf einen sportlichen Wert oder die Tradition von Top-Duellen. Es geht um Macht und Moneten. Insofern darf Fifa-Präsident Infantino mit seinem XXL-Turnier zufrieden sein: Es wurden Milliarden von US-Dollar bewegt.
Klub-WM die beste Erfindung seit der Champions League?
Noch bevor der erste offizielle Weltmeister feststeht, muss man Fans die vielleicht unangenehme Wahrheit sagen: Die Klub-WM ist gekommen, um zu bleiben. Und jetzt wird es richtig kontrovers: Vermutlich ist die Klub-WM sogar die beste Erfindung seit Start der Champions League 1992.
Die Gegenargumente, schon klar: Desinteresse an WM-Spielorten, Terminierung im Sommer, bescheuerte Anstosszeiten, Auswahl der Teilnehmer, Ego-Show des Präsidenten, die Saudis als Geldgeber im Hintergrund – ich selbst habe in das Klagelied eingestimmt und kenne jede Strophe.
Tatsache ist aber: Als Bayern München gegen Boca Juniors in Miami anzutreten hatte, freute ich mich wie verrückt auf das Gruppenspiel. Wann sonst treffen Vereinsteams aus verschiedenen Kontinenten aufeinander? Das frühere Weltpokalfinale entfaltete seinen Reiz nie richtig.
Empfehlungen der Redaktion
Diesmal war das anders. Flamengo und Fluminense aus Brasilien, Boca Juniors aus Argentinien, Mamelodi Sundowns aus Südafrika, nicht zu vergessen Al-Ahly aus Ägypten und Inter Miami aus den USA: Endlich sah ich live im Stadion Klubfussball jenseits der europäischen Aussengrenzen.
"Dann fahr' doch in die Länder, wenn du die sehen willst", höre ich Kritiker sagen. Nee, genau das nicht. Ein Turnier ist anders: Alle kommen, um bei einem Gastgeber Muskeln spielen zu lassen. Die Spitzenteams, auch Bayern München und Borussia Dortmund, nahmen das Fifa-Event ernst.
Die Stadien waren nicht immer voll? Mag sein. Das waren sie 1974, als die Weltmeisterschaft der Nationalmannschaften in Deutschland stattfand, auch nicht. Ist damals jemand auf die Idee gekommen, keine WM-Turniere mehr zu veranstalten? Die Fragestellung klingt schon kurios.
Klub-WM: Es gibt Kinderkrankheiten
Nur weil die Klub-WM auf Initiative von Fifa-Präsident Gianni Infantino geboren wurde, dem wir grundsätzlich alle Schlechtigkeiten und Gelüste des internationalen Fussball-Business unterstellen dürfen, muss sie keine Totgeburt sein. Im Gegenteil: Sein Kind wird Laufen lernen.
Denn natürlich war nicht alles gut, es gibt Kinderkrankheiten. Da waren Stadien, die für Fussball unter der Mittagssonne ungeeignet sind. Die Entfernungen zwischen den Spielorten nervten. Es fehlten Vereine wie Barcelona und Liverpool, die man bei einem Turnier der Besten sehen will.
Und selbstverständlich sind die Lobpreisungen des Weltverbandes in eigener Sache, wie toll und grossartig doch alles abläuft, ein einziger Witz. Aber das alles ändert nichts daran: Die Grundidee, dass sich die besten Vereinsteams der Welt alle vier Jahren messen, ist gut und bleibt bestehen.
Wir haben zwei Optionen: Wir können jetzt jammern und den Untergang des Abendlandes beweinen – oder schauen, wer zur Klub-WM 2029 fährt. Vorher schaue ich heute Abend das zweite Halbfinale bei DAZN: Real Madrid gegen PSG – so schlecht klingt das nicht.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
- Fever Pit'ch ist der tägliche Fussball-Newsletter von Pit Gottschalk. Jeden Morgen um 6:10 Uhr bekommen Abonnenten den Kommentar zum Fussballthema des Tages und die Links zu den besten Fussballstorys in den deutschen Medien.