Der deutsche Spielmacher trägt nach seinem Rekordtransfer in die Premier League die 140 auf seinem LFC-Trikot. Die Klubeigentümer erwarten, dass sich ihr sündhaft teures Investment lohnt. Dass er die Herausforderung trotzdem annimmt, zeichnet Wirtz aus.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Pit Gottschalk dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ist ein Mensch, der Fussball spielt, 140 Millionen Euro wert? Im Reflex möchte man antworten: natürlich nicht! Die Romantiker unter uns wollen einen Appel und ein Ei, wenn Profispieler den Verein wechseln und haben allenfalls akzeptiert, dass die öffentlich genannten Ablösesummen und Jahresgehälter die Vorstellungskraft eines deutschen Arbeitnehmers weit übersteigen.

Mehr News zum Thema Fussball

Aber 140 Millionen? Florian Wirtz wird sich beim FC Liverpool an dieser Summe messen lassen müssen. Das Paket mit seinem Fünfjahresvertrag bis 2030 wiegt an die 300 Millionen Euro. Er muss brillant spielen, um der Nachfrage zu entgehen: Hat sich das Investment gelohnt? Wie das schon klingt: Investment. Aber nichts anderes ist Wirtz für Liverpool: ein Investment.

Der amerikanischen Investorengruppe "Fenway Sports Group", kurz FSG, reichen der Gewinn der Champions League, zwei Meisterschaften und ein paar Pokalsiege nicht, Sport ist ihr Geschäft: Steckt man ausreichend Geld rein, kommt noch mehr Geld raus. Die Wertsteigerung ihres Besitzes ist mit Zahlen belegbar und macht jeden Fan schwindelig oder stolz, je nachdem.

"Reds" haben Marktwert in 15 Jahren mehr als verdoppelt

Im Oktober 2010 kaufte die Firma des Milliardärs John W. Henry den FC Liverpool für umgerechnet 400 Millionen Euro. Heute beziffert "transfermarkt.de" den Marktwert der "Reds" auf 867,5 Millionen Euro. Das ist mehr als eine Verdopplung in 15 Jahren. Der Klub von der Anfield Road hat im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von rund 715 Millionen Euro erzielt.

Damit die Spieltagseinnahmen (132 Millionen Euro) und Nebeneinkünfte (342,5 Millionen Euro) aus "kommerziellen Einnahmen", also Merchandising und sowas, weiter sprudeln, muss die Mannschaft nicht nur erfolgreich sein, sondern vor allem attraktiv. So muss man den Wirtz-Transfer verstehen: Er ist die neue Attraktion im Disneyland Anfield Road.

Die Feststellung soll gar nicht so vorwurfsvoll rüberkommen, wie sie sich hier liest. Die sündhaft teure Verpflichtung des Spielmachers ist erstens nicht erzwungen worden und zweitens ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Florian Wirtz und seine Eltern kassieren auf einen Schlag Gelder, die kein Zahnarzt oder Malermeister im ganzen Leben erwirtschaften kann.

Premier League ist eine Herausforderung für jeden Profifussballer

Ausserdem ist die Premier League eine Herausforderung für jeden Profifussballer, der mehr als ein Mitläufer sein will: Wo die Besten kicken, wird der angeborene Wettbewerbsinstinkt getriggert. Dass Gehalt und Zuschauerkulisse zuträglich sind, verstärkt nur das Gefühl: Hier bin ich richtig. Und hier kommt vielleicht doch eine romantische Note ins Spiel.

Lesen Sie auch

Geld und Geltung hätte Florian Wirtz auch beim FC Bayern haben können, dazu die rote Farbe. Alle Repräsentanten wollten ihn, wie wir wissen. Aber er, 22 Jahre alt und erst am Anfang einer hoffentlich grossen Karriere, fühlte sich reif für die Insel: für den Erwartungsdruck, den Vergleich, die Kosten-Nutzen-Rechnung der LFC-Eigentümer.

Allein dafür gebührt Wirtz Anerkennung. Ganz gleich, welche Rückennummer er am Ende erhält (er will angeblich die Zehn von Alexis Mac Allister), die 140 wird immer auf seinem Liverpool-Trikot stehen. Er weiss das, bleibt trotzdem nicht in der Wohlfühloase Bundesliga und setzt sich dem Stresstest in England aus. Wenn man so will: Auch das ist eine Art Investment von Flo Wirtz.

Verwendete Quellen

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
  • Fever Pit'ch ist der tägliche Fussball-Newsletter von Pit Gottschalk. Jeden Morgen um 6:10 Uhr bekommen Abonnenten den Kommentar zum Fussballthema des Tages und die Links zu den besten Fussballstorys in den deutschen Medien.