Im Souk Waqif trifft sich die WM. Ein Souk ist ein arabischer Markt, auf dem es Gewürze, Tiere und Krimskrams zu kaufen gibt. Der riesige Souk in Doha ist jedoch eher ein Nachbau einer traditionellen Ansammlung von Ständen und Buden. Der Vater des jetzigen Emirs hat ihn errichten lassen, um eine Erinnerung an seine Kindheit zu bewahren, in der Katar noch nicht eigenständig war, von der Perlentaucherei und dem Fischfang lebte und nichts wusste von Öl und Gas.

Eine Kolumne
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Im Souk sammeln sich jeden Abend wohl Zehntausende Menschen, vor allem zahlreiche Lionel Messis. Sein Argentinien-Trikot mit der 10 tragen nicht nur die Landsleute, sondern auch viele Araber. Auch mit 35 Jahren steht Messi über allen anderen. Er ist grösser als seine Mannschaften und eigentlich ein Einzelsportler, der von einem Team lediglich umgeben ist, damit seine Einzigartigkeit spürbar wird.

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Messi thront über allen

Er spielt eine gute WM bislang, am Freitag geht es für ihn mit dem Viertelfinale gegen die Niederlande weiter. Messi hinterlässt den Eindruck, bei seiner fünften und letzten WM besonders engagiert zu spielen, er hatte zahlreiche Sprints mit dem Ball am Fuss.

Die Statistik verrät aber: Mit 8,6 Kilometern war seine Laufleistung die schwächste aller Akteure im Achtelfinale. Drei, vier Kilometer weniger als die Streber im Team, nur zwei, drei Kilometer mehr, als ein Torwart inzwischen zurücklegt. Trotzdem ist Messi der Star, denn die Laufkundschaft des Fussballs, die man bei einer WM antrifft, achtet nur auf die Aktionen mit Ball.

Messi, Ronaldo und Neymar: Die Superhelden des Fussballs

Der Souk Waqif hat neben seinen Ständen und zahlreichen Lokalen auch eine Kunstgalerie. Hier findet man makellose Zeichnungen der Herrscherfamilie, schwülstige Bilder von Pferden, die durch die Wüste galoppieren – und derzeit viel Fussball. Hochkonzentriert und mit einem feinen Pinsel sitzt eine Malerin vor einem offiziellen Spielball der WM und versieht ihn mit einem Porträt von Cristiano Ronaldo.

Er ist eine Heiligenfigur, daran ändert auch seine sportlich reduzierte Rolle im portugiesischen Team nichts. Die Geschichte des Achtelfinales lautete nicht: 6:1, was für ein rauschender Sieg Portugals über die Schweiz. Sondern: Warum musste Cristiano auf die Bank? Es gibt ein herrlich skurriles Bild: Da stehen die Elf, die gleich spielen werden, und singen die Hymne, doch die komplette Fotografenschaft wendet ihnen den Rücken zu. Ihr Motiv: CR7 als Ersatzspieler. Sie suchen das grosse Drama in seiner Mimik.

Messi, Ronaldo, dazu der Brasilianer Neymar – sie sind die Superhelden des Fussballs. Der junge Franzose Kylian Mbappé schiesst sich gerade in ihre Liga. An Robert Lewandowski ist er schon vorbei. Von dem war die Weltpresse etwas enttäuscht, weil er mit Polen gerade so über die Vorrunde hinauskam und in einem mittelprächtigen Team nicht mit Bällen versorgt wurde. Interessiert hat die Medien lediglich, was bei seiner Rempelei mit Messi beim direkten Aufeinandertreffen gesprochen wurde.

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In der Kunstgalerie des Souk gibt es einen Raum, der alle Nationen der WM repräsentieren soll. Pro Mannschaft ein Kopf, in Öl gemalt. Wir sind neugierig, wer von den Deutschen ausgewählt wurde. Wer hat Weltrang: Neuer? Müller? Havertz? Sané?

Wer dann letztlich für ein Porträt ausgewählt wurde, das man für 465 US-Dollar kaufen kann, mit dem hatten wir nicht gerechnet: Toni Kroos. Er ist vor eineinhalb Jahren aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Wir fürchten: Auf dem Kroos-Kopf bleibt der Galerist sitzen.

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