Vom 21. bis 24. Mai 2026 sollen in Las Vegas die Enhanced Games über die Bühne gehen. Doping ist dabei ausdrücklich erlaubt, die Athleten können viel Geld verdienen. Die Kritik an der Veranstaltung ist riesig – doch wie gefährlich ist sie?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ein früherer Olympia-Teilnehmer hat sich zuletzt an einem neuen Weltrekord über 50 Meter Freistil versucht und dabei Geschichte geschrieben. Kristian Golomeew unterbot die Bestmarke aus dem Jahr 2009 um 0,02 Sekunden. Bei dem historischen Ergebnis hat er allerdings gedopt. Trotzdem kassierte er eine Million Dollar Prämie. Unglaublich? Nein. Willkommen bei den Enhanced Games, wo Doping ausdrücklich erlaubt ist.

Mehr News zum Thema Sport

Golomeew kann man als eine Art "Botschafter" sehen, als Zugpferd für die Veranstaltung, die vom 21. bis 24. Mai 2026 in Las Vegas über die Bühne gehen soll. Golomeew ist mit seinem Rekord der Hauptdarsteller einer Doku über die umstrittene Veranstaltung, bei der Athleten in Disziplinen der Leichtathletik, im Schwimmen und Gewichtheben antreten. "Es geht nicht nur um Rekorde. Es geht darum, Grenzen zu überwinden", sagte Golomeew, der 31 Jahre alt ist und eigenen Angaben zufolge zwei Monate lang leistungssteigernde Substanzen einnahm, laut der Website der Spiele.

Trump tönt: Enhanced Games "repräsentieren die Zukunft"

Wer steckt hinter dem Vorhaben? Zum einen der australische Unternehmer Aron D'Souza, der die Idee hatte für die "bessere Version der Olympischen Spiele", wie er es laut "Standard" selbst nennt. Hinzu kommen Investoren wie US-Tech-Milliardär Peter Thiel, der Biotech-Milliardär Christian Angermayer oder auch Donald Trump junior mit dem Investmenthaus "1789 Capital". D'Souza will mit seinem Event "die Welt dazu inspirieren, wieder an die Wissenschaft zu glauben", wie er in einem TV-Interview mit dem US-Sender "NewsNation" betont.

D'Souza sieht sich im Zwist mit dem Internationalen Olympischen Kommitee (IOC) moralisch im Recht. Sein Credo: Im Grunde wird auch jetzt schon überall zu einem beträchtlichen Teil gedopt – warum es dann nicht zugeben und offiziell machen? Parallel dazu streben D'Souza und Co. "die kontinuierliche Verbesserung der Menschheit durch medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritt an". Die Erschaffung einer sogenannten "Menschheit 2.0" ist die Vision, die Spiele passen in diese Strategie gut rein.

Trump tönte im Stile seines Vaters in einem Statement laut "Financial Times" [Bezahlinhalt] bereits: "Sie repräsentieren die Zukunft - echten Wettbewerb, echte Freiheit, echte Rekorde." Und viel Geld natürlich. Die Sieger sollen mit 250.000 Dollar belohnt werden, für Rekorde soll auch wieder die Millionen-Prämie ausgeschüttet werden. Denn bei den "Enhanced Games" wird das Doping nicht verachtet und bestraft, sondern gefeiert.

"Ich halte ganz klar gar nichts von diesen Spielen. Als Mediziner kann ich das nicht gutheissen, weil es medizinethisch völlig unvertretbar ist. Am Ende reden wir hier ganz klar über Menschenversuche", sagt Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln im Gespräch mit unserer Redaktion. Bloch forscht seit Jahrzehnten im Bereich Doping und zeigt sich einerseits fassungslos, was die Macher auf die Beine stellen wollen. "In einem herkömmlichen Zulassungsverfahren bekäme man so etwas teilweise nicht einmal für Tierversuche durch", sagt er.

Die Risiken durch Doping kann niemand wirklich abschätzen

Andererseits ist der Wissenschaftler aber auch besorgt. "Es geht hier um die freie Gabe von leistungssteigernden Substanzen, die aber ein erhebliches gesundheitsgefährdendes Potenzial haben", sagt Bloch. Diese Risiken könne niemand zuverlässig abschätzen, betont er. Denn mit jeder Form der Leistungssteigerung steigt das Gesundheitsrisiko massiv. "Klar ist: Die Risiken sind erheblich - nur wie genau sie sich auswirken, hängt von vielen Faktoren ab. Die Art der Substanz, die Dosis, die Dauer der Einnahme, die körperliche Verfassung des Athleten - all das spielt eine Rolle", sagt Bloch.

Er steht damit nicht alleine, die Kritik an den Enhanced Games ist enorm und kommt von allen Seiten. Die Welt-Doping-Agentur Wada bezeichnete die Wettbewerbe als "gefährlich und unverantwortlich". Das IOC erklärte, wenn man jegliches Konzept von Fair Play und fairem Wettbewerb im Sport zerstören wolle, sei das ein guter Weg, dies zu tun.

Zuletzt kritisierten die Athletenkommissionen des IOC und der Wada die Enhanced Games in einer gemeinsamen Erklärung als "einen Verrat an allem, wofür wir stehen. Solche Substanzen können zu schweren langfristigen Gesundheitsschäden führen – im schlimmsten Fall sogar zum Tod. Athleten zu deren Gebrauch zu ermutigen, ist völlig verantwortungslos und unmoralisch. Kein sportlicher Erfolg rechtfertigt ein solches Risiko."

Enhanced Games? "Eine gefährliche Clownshow"

Und Travis Tygart, der CEO der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) laut "Guardian" "eine gefährliche Clownshow. Die Geschichte hat gezeigt, wie massiv leistungssteigernde Drogen Körper und Psyche ruinieren können. Manche Athleten haben das mit dem Leben bezahlt." So zieht sich das durch die Welten des Sports, der Wissenschaft und der Ethik.

D’Souza verweist wiederum darauf, dass die Athleten umfassend untersucht werden und sie unter Aufsicht unabhängiger wissenschaftlicher und ethischer Gremien stehen. Laut "BBC" dürfen nur Substanzen eingenommen werden, die von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen sind. Allerdings unterscheidet sich diese Liste deutlich von der der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), die für den Spitzensport gilt.

Ex-Weltmeister spielt mit seiner Gesundheit

Es gibt sogar schon konkrete Beispiele für Substanzen, denn James Magnussen, Australiens ehemaliger Weltmeister über 100 Meter Freistil, will im kommenden Jahr bei den Enhanced Games in Las Vegas ebenfalls an den Start gehen. Er hat im Rahmen seiner Vorbereitung auf die Enhanced Games Testosteron, Peptide wie BPC-157 und CJC-1295 und weitere verbotene Substanzen sowie das Wachstumshormon Ipamorelin eingenommen. Ein Cocktail, der offenbar dazu führte, dass sich der 34-Jährige "wieder wie 18" fühlt, wie der "Guardian" berichtet.

Lesen Sie auch

Ein Cocktail, bei dem Ärzte die Hände über den Kopf zusammen und Alarm schlagen. Wie die beiden Wissenschaftler Ian Broadley und Martin Chandler von der Universität Birmingham. Sie haben sich in einer aktuellen Veröffentlichung mit dem Titel "Harm reduction in the Enhanced Games: Can performance enhancing drugs be safe? ("Schadensbegrenzung bei den Enhanced Games: Können leistungssteigernde Substanzen sicher sein?")" konkret mit den Doping-Spielen beschäftigt.

Kurz gesagt: Magnussen spielt mit seiner Gesundheit. "BPC-157 wurde bislang nur sehr begrenzt an Menschen getestet - belastbare Daten zur Wirkung am Menschen fehlen", erklärte Chandler im "Guardian". "Ipamorelin wiederum wurde einst als Arzneimittel entwickelt, aber inzwischen eingestellt. Keine der beiden Substanzen ist von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen."

Ernsthafte Langzeitfolgen und enorme Risiken

Dazu sehe man in Studien erste ernsthafte Langzeitfolgen des Steroidmissbrauchs, daneben gebe es Risiken von Testosteron für das Herz-Kreislauf-System, sagen die Wissenschaftler. Ausserdem wird auf Studien verwiesen, die bei Steroid-Nutzern eine signifikant höhere Häufigkeit psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angstzustände oder manische Episoden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung belegen.

Dass die Organisatoren der Enhanced Games betonen, dass das Ganze medizinisch begleitet werde und daher sicher sei, bezeichnete Boardley als "schlichtweg falsch und irreführend". Für Bloch hat das, was im Kontext der Enhanced Games diskutiert wird, "mit regulärer Medizin nichts mehr zu tun. Da reden wir von Dosierungen, die ein Vielfaches über dem therapeutischen Bereich liegen. Das ist weder sicher noch erlaubt." Als Arzt riskiere man dabei seine Approbation, während die Enhanced Games alle bislang erlangten Prinzipien der Dopinganalytik über den Haufen werfen.

"Man öffnet damit eine Tür für unkontrollierten Substanzeinsatz und für gefährliche Grauzonen", sagt Bloch, der an die Dopingpraktiken der DDR erinnert: "Junge Menschen, die ohne echte Aufklärung Substanzen erhielten und bis heute mit den Spätfolgen kämpfen: Das war damals ein Menschenversuch und genau dahin führt diese Diskussion heute wieder zurück."

Fatale Botschaft an den Nachwuchs

Verschärft wird das Ganze dadurch, dass schädliche Langzeitfolgen erst nach zehn bis 20 Jahren auftreten. Ein kurzfristiges Monitoring bringt zur Risikoerfassung daher wenig. Ebenfalls bedenklich ist auch die Vorbildfunktion für den Sport, denn Doping wird durch den ausdrücklich erlaubten Gebrauch normalisiert. Jungen Menschen wird ein fatales Bild vermittelt von einer Sportwelt, in der wichtige Grundwerte wie Gesundheit und Fairplay keine grosse Rolle mehr spielen. Die langfristigen Auswirkungen seien auch in diesen Bereichen "katastrophal", verdeutlicht Bloch.

Dass es Sportler wie Golomeew oder Magnussen gibt, die an den Spielen teilnehmen wollen, kann Bloch ein Stück weit nachvollziehen. Magnussen zum Beispiel macht gar keinen Hehl daraus, dass ihn das Geld lockt. "Der Moment auf der Bühne, der Sieg, der Titel – das wiegt in der Wahrnehmung oft mehr als das langfristige Risiko. Und diese Risiken werden dann verdrängt", sagt Bloch, der deshalb betont: "Wir brauchen Regularien, gerade um Athleten in solchen Momenten vor sich selbst zu schützen."

Bloch geht aber generell nicht davon aus, dass die Enhanced Games ein langfristiger Erfolg sein werden. Wahrscheinlicher ist für ihn: "Es wird zu ernsten medizinischen Zwischenfällen kommen. Zwischenfälle, die sichtbar sind, vielleicht sogar dramatisch. Und dann wird man eingreifen müssen", warnt er. Dass es einfach so weiterläuft wie geplant, hält er für sehr unwahrscheinlich. "Vielleicht wird es reguliert. Oder aber sofort abgebrochen und abgeschafft." Was für den Sport wohl das beste Szenario wäre.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Wilhelm Bloch forscht seit Jahrzehnten zum Thema Doping und ist an der Sporthochschule Köln am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin beschäftigt.

Verwendete Quellen