Florian Lipowitz ist bei der Tour de France auf Gesamtplatz drei und ins Weisse Trikot des besten Jungprofis geklettert. Ein Niederländer sichert sich den Etappensieg beim Pyrenäen-Finale.
Florian Lipowitz trat mit letzter Kraft durch den dichten Nebel der Pyrenäen, dann wartete die Premiere auf dem Tour-Treppchen: Der deutsche Radsport-Shootingstar hat die nächste schwere Bergprüfung der 112. Frankreich-Rundfahrt mit Bravour bestanden und nimmt im Weissen Trikot des besten Jungprofis Kurs auf das Podium in Paris.
Der 24-jährige Ulmer knüpfte auf der brutalen Kletterprüfung über den legendären Col du Tourmalet an seine starken Leistungen an und schob sich in der Gesamtwertung eindrucksvoll auf den dritten Platz vor. Lipowitz profitierte auf der 182,6 km langen 14. Etappe auch vom Ausfall von Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel. Der zuletzt schwächelnde Belgier, im Vorjahr Tour-Dritter, stieg am Samstag entkräftet aus dem Rennen aus und ist für den Deutschen kein Rivale mehr.
"Ich denke, Frankreich ist ein gutes Pflaster für mich", sagte Lipowitz dem französischen Fernsehen mit einem breiten Lächeln im Skigebiet Luchon-Superbagnères. "Ein Traum ist wahr geworden mit dem Weissen Trikot. Ich bin mehr als glücklich", schwärmte er. Er habe die Rundfahrt bislang sehr genossen, freue sich über die vielen Menschen, die ihn anfeuern würden.
Arensman gewinnt 14. Etappe
Tour-Debütant Lipowitz wurde beim Tageserfolg des Niederländers Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) starker Fünfter und übernahm von Evenepoel neben Rang drei auch die Führung in der Nachwuchswertung. Im Ziel in Luchon-Superbagnères durfte sich Lipowitz als neuer Träger des Weissen Trikots bei der Siegerehrung feiern lassen.
Unangefochten in Gelb fährt Tadej Pogacar. Der Weltmeister und Titelverteidiger wurde Zweiter und baute seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf Ex-Champion Jonas Vingegaard (+ 4:13) minimal aus. Lipowitz (+07:53) liegt mit grösserem Abstand dahinter, sein Vorsprung auf den Briten Oscar Onley (+09:18) aber ist komfortabel.

Lipowitz beeindruckt Routinier Roglic
Zuletzt hatte Lipowitz auch den routinierten Kapitän Primoz Roglic hinter sich gelassen. Der gebürtige Schwabe steht knapp zweieinhalb Minuten vor dem viermaligen Vuelta-Gewinner. "Beeindruckend, in dem Alter bin ich nicht mal Rad gefahren", sagte Roglic – ebenfalls ein Quereinsteiger aus dem Wintersport – der ARD. Roglic liegt auf Platz sechs. "Sicher" werde er ihn weiter unterstützen. "Wir werden als Team das Beste geben. Da kommen noch viele grosse Berge", fügte er hinzu.
"Wir sind ein Team und Primoz hat gezeigt, dass er in einer super Verfassung ist", sagte Lipowitz. Roglic und er würden gut miteinander auskommen, versicherter er. "Ich denke, wir können als Team mehr als glücklich sein."
Sprint-Idol Marcel Kittel hatte das weisse "maillot blanc" letztmalig als deutscher Profi 2013 für einen Tag gehabt, es aber nicht getragen, da er sich auch das höherwertige Gelbe Trikot geschnappt hatte. Jan Ullrich gewann das Trikot zwischen 1996 und 1998 dreimal in Paris.
Rad-Star Evenepoel muss aufgeben und ist raus
Die Schinderei begann bei Kilometer 70 hinauf zum Tourmalet. Der legendäre Anstieg auf den 2115 m hohen und am Samstag wolkenverhangenen Pass, der so oft wie kein anderer in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt erklettert wurde, war für einen Star des Pelotons bereits zu viel: Der seit Tagen schwächelnde Evenepoel fiel entkräftet zurück und schlich förmlich den Anstieg hinauf. 100 km vor dem Ziel hatte er genug und stieg müde vom Rad.
Angeführt von Pogacars erneut starkem Kölner Helfer Nils Politt nahm die restliche Favoritengruppe den ersten Anstieg geschlossen. Die feuchte und nicht ungefährliche Abfahrt überstand sie schadlos. Politt, der schon 2024 am Tourmalet als Helfer geglänzt hatte, führte das kleine Hauptfeld noch über den Aspin (2. Kategorie) und gab erst am Peyresourde (1. Kategorie) das Kommando ab.
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Am Schlussanstieg nach Superbagnères – 12,4 km lang und im späteren Teil über zehn Prozent steil – zeigte Lipowitz seine Klasse. Der Youngster hielt mit rundem Tritt und ruhigem Oberkörper lange das Hinterrad von Vingegaard. Als der dänische Mitfavorit 3,5 km vor dem Ziel attackierte, war der Deutsche hellwach und parierte zusammen mit Pogacar. Die beiden Superstars zogen anschliessend etwas davon, letztlich blieb Lipowitz in Schlagdistanz. Der Red-Bull-Profi sicherte seinen dritten Platz.
Am Sonntag kehrt die Tour dem Hochgebirge vorerst den Rücken und radelt ostwärts davon. Im Pyrenäen-Vorland geht es auf dem Weg in die alte Festungsstadt Carcassonne über drei gewertete Anstiege, das Profil des Tages begünstigt Fluchtgruppen. Für die Sprinter ist die 15. Etappe mit abermals 2305 Höhenmetern zu schwer. (sid/bearbeitet von ms)