Rassismus- und Mobbing-Vorwürfe, Selbstmordgedanken und pikante Enthüllungen: Das CBS-Interview von Herzogin Meghan und Prinz Harry mit Star-Talkerin Oprah Winfrey hat das gehalten, was es versprochen hatte. "Es war ein Frontalangriff, eine Abrechnung – allerdings mit der Institution, nicht mit der königlichen Familie", bestätigt RTL-Adelsexperte Michael Begasse auf Nachfrage unserer Redaktion.

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Die Dramaturgie hätte auch Hollywood kaum besser inszenieren können. Herzogin Meghan sitzt, in der Nähe von Santa Barbara auf einem Landgut von Freunden, vor der renommierten US-Moderatorin Oprah Winfrey – zunächst alleine, ohne Prinz Harry.

Die Intention dahinter ist auf den ersten Blick ersichtlich: Die 39-Jährige möchte all das ungehemmt aussprechen können, was ihr seit Monaten das Leben schwer, ja zuweilen unerträglich erscheinen lässt.

Schon diese Szenerie ist das erste Statement in einem Interview, das in seinem weiteren Verlauf in Sachen Brisanz an die legendären Aussagen von Prinzessin Diana aus dem Jahr 1995 erinnern soll.

85 Minuten für die Ewigkeit – ausgestrahlt am Sonntagabend zur Primetime auf CBS. Deutsche TV-Zuschauer werden am heutigen Montag im Rahmen von "Exklusiv Spezial" (15:00 Uhr bei RTL) erstmals das komplette Interview sehen können. Der ORF und das SRF zeigen das Interview bereits um 13:50 Uhr.

Meghan trägt Kleid mit Lotusblumen: Was das aussagt

Meghans zweites Statement: ihr Outfit. Die schwangere US-Amerikanerin trägt ein Kleid mit einer Lotusblumen-Applikation. Die Lotusblüte gilt als Zeichen der Wiedergeburt.

"Alles, was Meghan macht, hat einen tieferen Sinn. Ich würde nicht sagen, dass es inszeniert ist, aber es ist perfekt organisiert", erklärt Adelsexperte Michael Begasse, der das royale Beben bereits in den frühen Morgenstunden im Rahmen der RTL-Sendung "Guten Morgen Deutschland" analysiert hat. Seit ihrem royalen Rückzug vor rund einem Jahr, der als sogenannter "Megxit" in die Geschichte eingehen sollte, hatten sich Meghan und Harry in ihrer Wahlheimat USA grösstenteils aus der Öffentlichkeit herausgehalten.

Herzogin Meghan: Eine "Prinzessin" eingesperrt im goldenen Käfig

Nun, am Abend vor dem Weltfrauentag 2021, bringt insbesondere die Herzogin von Sussex den Palast zum Beben – und schockt Menschen weltweit mit dem folgenden Geständnis: "Ich war nächtelang wach und habe geweint. Ich weiss, wie viel Verlust Harry erlebt hat. Ich musste es ihm aber sagen. Ihm sagen: Ich wollte nicht mehr am Leben sein. Es war ein klarer, realer und beängstigender Gedanke. Ich sagte nur: 'Ich kann gerade nicht alleine gelassen werden'."

Ein Mitglied der britischen Königsfamilie spricht öffentlich über Selbstmordgedanken. Das hat es bis dato noch nie gegeben. Erschwerend kommt hinzu, dass nach Angaben des Paares keine psychologische Hilfe zugelassen wurde.

"Die beiden waren wirklich in einer Notsituation, aber der Palast hat dem nicht stattgegeben. Wir alle haben keine Ahnung, was Tradition bedeutet. Eine Familie, die seit 500 Jahren so funktioniert, wie sie funktioniert", erläutert Begasse, der mit Blick auf Herzogin Meghan das Bild einer "Prinzessin eingesperrt im goldenen Käfig" zeichnet. Nichts anderes sei sie in ihrer Zeit in London gewesen.

Frontalangriff ja, namentliche Denunzierung nein

Darüber hinaus mussten die Eltern des kleinen Archie, der im Mai seinen zweiten Geburtstag feiert, nach eigenen Angaben ständig rassistische Andeutungen über sich ergehen lassen. "Als ich schwanger war, gab es Gerede darüber, wie dunkel die Haut unseres Baby wohl sein würde und was das bedeutet", offenbart Meghan in dem Interview des Jahres. Namen nennt die Ehefrau von Harry nicht, da dies "der Person sehr schaden würde".

Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch das Gespräch mit US-Talkerin Winfrey. Frontalangriff? Ja. Namentliche Denunzierung einzelner Familienmitglieder? Nein.

Laut Begasse ist dieses interview ganz klar als Abrechnung einzustufen. Vor allem Meghan habe wirklich Tabula rasa gemacht – mit einem grossen Unterschied: "Es war keine Abrechnung mit der Familie, sondern mit der Institution, mit 'The Firm', wie die Royal Family genannt wird. Meghan hat weder gegen Kate noch gegen die Queen ausgeteilt. Ganz im Gegenteil: Die Königin ist eine Frau, die sie ganz toll findet."

Die Aussagen des Paares in dem Interview untermauern diese These. Harry bezeichnet seine Grossmutter, Königin Elizabeth II., als Vorbild. Meghan berichtet voller Freude über ihre Begegnungen mit der Queen, sie lobt auch ihre Schwägerin, Herzogin Kate. Die sei eine "gute Person", die sich nach dem damaligen Streit um die Kleider der Hochzeits-Blumenmädchen bei Meghan entschuldigt habe.

Experte: Meghan ist an den Traditionen gescheitert

Für Adelsexperte Begasse steht fest: "Meghan ist an den dicken Palastmauern, an den Traditionen in London gescheitert." Und sie sei es auch gewesen, die Harry sozusagen die Augen geöffnet habe, wie dieser im Interview bestätigt: "Ich sass in der Falle des Systems. Ich merkte das selbst nicht, bis ich Meghan kennenlernte. Mein Vater und mein Bruder sind noch gefangen. Sie können nicht gehen."

Meghan und Harry sind gegangen und haben sich zum Schutz ihrer eigenen kleinen Familie von den royalen Zwängen und Pflichten losgesagt. Eine Familie, die im Sommer mit der Geburt eines Mädchens grösser wird, wie Harry gegenüber Winfrey stolz verkündet.

Die Sussex' nutzen das Interview auch, um schöne Geheimnisse zu lüften. Dabei geben sie nicht nur das Geschlecht ihres zweiten Kindes bekannt, sondern überraschen auch mit dem Geständnis, dass sie bereits drei Tage vor ihrer Hochzeit am 19. Mai 2018 heimlich im Rahmen einer kleinen Zeremonie geheiratet hatten – fernab des öffentlichen Trubels in Windsor, bei dem die Braut laut Begasse "eher das Bild einer Marionette abgegeben" hatte.

Die Frage nach dem Warum

Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Warum stellt sich das Paar an diesem 7. März 2021 mit einem grossen Interview auf eine öffentliche Bühne, von der sie sich mit dem "Megxit" doch eigentlich verabschiedet hatten?

Prinz Harry macht keinen Hehl daraus, dass ihn das Schicksal seiner Mutter Diana, die 1997 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, bis heute bewegt. "Meine grösste Sorge war, dass sich die Geschichte wiederholt", so der Sohn von Prinzessin Diana und Prinz Charles.

Die Vorstellung, dass seine Mutter das alles alleine durchstehen musste, habe ihm das Herz gebrochen. Dass Meghan und er die schwierige Situation zu zweit durchstehen können, betrachtet als Chance. Und als Verpflichtung, den einstigen Weg seiner Mutter zur Emanzipation von der "Firma" konsequent fortzusetzen.

Und Meghan? Die Herzogin will ihr bisheriges Leben mit diesem ehrlichen Interview hinter sich lassen, einen Schlussstrich ziehen.

Adelsexperte Begasse: "Ich habe Meghan heute Nacht geglaubt"

"Heute Nacht wurde mir Meghan ein bisschen sympathischer, weil sie als Mensch gesprochen und gelitten hat. Sie ist eine Schauspielerin, die auf Knopfdruck weinen kann, aber ich habe ihr geglaubt", fasst Michael Begasse seine Eindrücke zusammen.

Auch wenn Meghan und Harry der Weltöffentlichkeit einige Antworten schuldig geblieben sein mögen, so gibt es an einer Wahrheit keinerlei Zweifel: Zwischen die Herzogin und den Herzog von Sussex passt nicht einmal ein Blatt Papier.

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