Der "Kampf der Realitystars", das ist unter all den Reality- und Trash-TV-Shows so etwas wie der anständige Onkel in einer Familie voller aggressiver Taugenichtse. Der sitzt beim Familientreffen entspannt am Tisch, nimmt sich selbst nicht ernst, will einfach eine nette Zeit haben, während die anderen sich streiten und mit Ekeligkeiten provozieren. Wie Onkel KdRS das anstellt, das konnte man in der sechsten Folge sehen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Spoiler-Warnung: Die sechste Folge "Kampf der Realitystars" ist bereits bei RTL+ zu sehen, aber erst am 11. Juni bei RTLZWEI.

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"Tara hat ein Auge auf den Can geschmissen", berichtet Giuliana Farfalla zu Beginn der sechsten Folge, Tara Tabitha selbst will nur von einem "kleinen Flirt" sprechen. Wie auch immer man das Ganze nennt: Es geht schief. Denn Can Kaplan soll bei einer Feier lieber mit Laura geredet haben, statt wie abgemacht auf die alkoholisierte Tabitha zu achten. Es folgt ein Wortgefecht und die Liebelei ist schneller vorbei als sie begonnen hat.

Die von allen Beteiligten etwas lieblos inszenierte Fast-Romanze ist inhaltlich allerdings trotzdem relevant, weil Tara Can bei der Nacht der Entscheidung wegen der unterlassenen Liebesleistung nominieren wird, was tatsächlich zu seinem Rauswurf führt. Und weil damit gleichzeitig auch ein wenig Neuankömmling Laura eingeführt wird.

Die kommt kurz zuvor mit dem Boot an, ist laut eigenen Angaben Realitystar und Onlyfans-Model und heisst eigentlich Laura Lettgen, nennt sich aber Laura Blond. Die Blondine hat sich also offenbar ihren Künstlernamen nach körperlichen Offensichtlichkeiten ausgesucht, hätte sich also auch Laura Kniescheibe oder Laura Nase nennen können, denn die hat sie genauso wie blonde Haare. Während Laura Blond im Folgenden nun routiniert das macht, was man in Reality-Shows eben so macht, ist der Neuankömmling vor ihr ein Reality-Novize.

Ein echter "Rockstar" zieht in die Sala

Bela Klentze sagt über sich "egal, wo ich hinkomme, ich chill' meistens bei den Girls", in welchen Soaps er mal mitgespielt hat, vergisst man schon während er es sagt und ausserdem habe er mal mit Miley Cyrus Zeit verbracht, der Kontakt sei aber eingeschlafen. Aber wer weiss, vielleicht lasse sich der ja wieder aufleben, denn Klentze mischt inzwischen im selben Business wie Cyrus mit. "Ich bin jetzt Rockstar geworden", teilt Bela auf die Frage mit, ob er Musik mache. Kollege Jona Steinig ist da realitätsnäher: "Bela kenn' ich aus 'Forsthaus Rampensau'."

Weiter fällt Klentze erst einmal nicht auf, aber diese kurze Einführung zeigt exemplarisch, wie sehr die KdRS-Promis auf der Suche nach der eigenen Relevanz sind, dabei aber ein Spiel spielen, das sie nicht gewinnen können. Denn der Schnitt wartet nur auf solche Szenen, um die Promis lächerlich zu machen und nach Klentze findet er zwei weitere Opfer.

Denn mit Frank Fussbroich schickt RTLZWEI einen Reality-Veteranen als dritten Neuankömmling in die Sala. Der wurde in den 1990ern in der ersten deutschen Doku-Soap vom WDR beim Aufwachsen begleitet und so schnacken Fussbroich und Stephen Dürr beim ersten Kennenlernen zuerst über das Geschäft und vergleichen dann die eigene Lebensleistung mit der des anderen.

Hammerschlumpf vs. Grimme-Preis

Dürr erzählt Fussbroich, er habe zwar nicht die eine herausragende Rolle gespielt, aber "trotzdem hab ich Awards und Preise gewonnen als bester Schauspieler". "Ich hab den goldenen 'Bravo'-Otto, ich hab den goldenen Hammerschlumpf, ich hab drei Hit-Awards", zählt Dürr im Interview auf. Fussbroich indes zeigt sich unbeeindruckt, erwähnt aber, dass die Doku seinerzeit den Grimme-Preis gewonnen habe. Dass nicht er, sondern Regisseurin und Drehbuchautorin Ute Diehl geehrt wurde, lässt er dabei unter den Tisch fallen.

Dürr scheint trotzdem kurz geschockt, sammelt sich aber im späteren Interview wieder und erklärt, man könne gar nicht auf den Grimme-Preis neidisch sein, denn: "Was will ich mit einem Grimme-Preis?" Kein Drehbuch hätte diese Sehnsucht nach Aufmerksamkeit der beiden pointierter liefern können, denn Goldener Hammerschlumpf hin, Grimme-Preis her, die beiden Titelträger haben noch eine Gemeinsamkeit: Sie sitzen trotzdem beide beim "Kampf der Realitystars" und erzählen sich, wie grossartig sie doch mal waren. Da sieht man einer Satire dabei zu, wie sie sich selbst schreibt.

An anderer Stelle muss hingegen die Produktion mithelfen und sie tut das nach allen Regeln der Eskalationskunst. Die Promis müssen sich nämlich im Geheimen entscheiden, ob sie Annehmlichkeiten gegen ein Los in der Safety-Lotterie tauschen wollen. Hier schlagen vor allem Anita Latifi und Giuliana Farfalla zu, sichern sich so viele Lose, dass die meisten ihrer Kollegen keine Chance mehr auf ein Los und damit auf die Möglichkeit haben, sich vor einer Rauswahl zu schützen. Farfalla hat zwar Glück beim Losen, aber Pech mit Latifi.

Abbruch wegen Schwangerschaft

Die beiden wollten eigentlich für sich behalten, dass sie die meisten Lose gemopst hatten, doch Farfalla verplappert sich und lenkt den Verdacht der wütenden Kollegen auf Latifi. Es folgt ein Zoff unter Freundinnen, ein In-den-Staub-werfen Farfallas und eine nicht ganz ernst gemeinte Versöhnung. Die wäre allerdings gar nicht nötig gewesen, denn manchmal ergreift das Schicksal das Wort und auf einmal ist alles anders.

Denn plötzlich verspürt Anita Latifi einen Leistungsabfall: "Mittlerweile hab ich auch keine Kraft mehr", erklärt die Blondierte und will sich von einem Arzt checken lassen. Das macht sie dann auch und versammelt bei ihrer Rückkehr die restliche Truppe zu einer knappen Rede: "Ich hab euch was zu sagen", hat Latifi was zu sagen und erklärt, dass sie auf ärztlichen Rat hin die Sala sofort verlassen werde. "Ich kann's mir denken", mutmasst Pinar Sevim über die Gründe, doch Dürr herrscht sie an: "Dann behalt's für dich!" Muss sie gar nicht, denn der Off-Sprecher verrät kurz darauf, dass Latifi "in froher Erwartung" sei.

Damit tauscht Latifi ihre bisherige Rolle der Daueraggressiven gegen die der Dauerausgeschiedenen und so greift sich Neuankömmling Laura den freigewordenen Raum – wenn auch unwissentlich. RTLZWEI veranstaltet nämlich erst eine "Fashion-Party" mit Bad-Taste-Klamotten, nimmt den Promis dann aber ihre eigentlichen Klamotten wegen der vielen Regelverstösse weg. Das hat zwei Effekte. Zum einen muss Can seine Beteiligung an den Verstössen zugeben, denn er habe dreimal ins Camp gepinkelt: "Es ist irgendwo auch ein Dünger", so Can zu seiner Verteidigung.

"Wer soll denn jetzt mein Onlyfans abonnieren so?"

Zum anderen müssen die "Stars" erst einmal nur die Bad-Taste-Outfits tragen, die sie gerade anhaben, was vor allem Laura zu schaffen macht. In Batik-T-Shirt und Blumensonnenbrille schimpft die Blondine: "Es ist so ein Trauma." Sie sehe aus wie "Blumenwiese mit LSD-Trip" und stellt sich deshalb die Frage: "Wer soll denn jetzt mein Onlyfans abonnieren so?"

Ja, die jüngste Folge "Kampf der Realitystars" zeigt sehr gut, wie wenig die Produktionsfirma machen muss, damit sich die Promis im Spiel um gekränkte Eitelkeiten selbst zum Affen machen. Wie weit die Promis ihre Selbstdemontage treiben, entscheiden sie dabei aber selbst und auch da gehen manche weiter als andere. Bei einem Spiel sollen die Promis nämlich in Zweier-Teams Bilderrätsel beantworten, wobei in jedem Team ein Saboteur steckt, der für möglichst wenige richtige Antworten sorgen soll. Der Saboteur, dem das am besten gelingt, ist geschützt, der Nicht-Saboteur mit den meisten richtigen Antworten auch.

Die beste Arbeit als Saboteurin leistet hier Tara Tabitha, die schlechteste Dennis Lordi, weshalb nun sein Partner Jona geschützt ist. Als er seine Taktik erklären soll, gesteht Lordi: "Ich hab ihn nicht angelogen – weil ich es selber nicht weiss." Dass er dabei nicht wie ein Idiot rüberkommt, sondern sogar sympathisch – auch das ist "Kampf der Realitystars".