Die Europäer starten ihre erste grössere diplomatische Initiative zur Beendigung des Ukraine Kriegs. Putin spielt den Ball zurück. Die Europäer lassen ihn abprallen. Wie geht es nun weiter?
Für Bundeskanzler
Doch schon Stunden später, kurz nach der Rückkehr des Kanzlers nach Berlin in der Nacht zu Sonntag, wich die anfängliche Euphorie der Ernüchterung. Putin ging in einer ersten Reaktion nicht auf den ultimativ formulierten Vorschlag einer Waffenruhe ein, sondern machte stattdessen einen eigenen Vorschlag. Der wiederum ist für die Europäer nicht akzeptabel. Was nun?
Was schlagen die Europäer vor?
Sie wollen, dass zunächst eine bedingungslose Waffenruhe in Kraft tritt – mit Beginn an diesem Montag und zunächst für 30 Tage. Das Zeitfenster soll genutzt werden, um zu ernsthaften Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über eine Beendigung des Krieges zu kommen.
Wer steckt hinter dem Vorschlag der Europäer?
Die Initiative kommt von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Polen. In einer Videoschalte wurde die "Koalition der Willigen" mitgenommen, in der sich die Unterstützer der Ukraine vernetzt haben. Daran nahmen mehr als 20 weitere Staats- und Regierungschefs teil. Anschliessend rief
Wie wollen die Europäer ihren Vorschlag durchsetzen?
Mit der Androhung von Sanktionen - vor allem im Energie und Finanzsektor. Die Einzelheiten sind noch offen. Auch zusätzliche Waffenlieferungen ziehen die Europäer in Erwägung, um Druck auf Moskau auszuüben.
Wie hat Putin reagiert?
Er trommelte mitten in der Nacht zu Sonntag Journalisten zusammen und machte ein Gegenangebot. Der Kremlchef will direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Istanbul. Die Gespräche sollten noch an diesem Donnerstag (15.5.) ohne Vorbedingungen beginnen, schlug Putin vor. Später erklärte sein aussenpolitischer Berater Juri Uschakow allerdings, dass Russland durchaus ein Grundgerüst an Forderungen habe. So sollen einerseits die Ergebnisse der vorherigen Verhandlungsrunde aus dem Jahr 2022 – ebenfalls in Istanbul – berücksichtigt werden, andererseits die Entwicklungen an der Front seither.
Was wurde 2022 in Istanbul ausgehandelt?
Im Entwurf eines Abkommens damals musste die Ukraine auf den Nato-Beitritt verzichten. Die Unterzeichnung scheiterte schliesslich auch daran, dass Russland zwar Garantiemacht für die Sicherheit der Ukraine sein wollte, selbst aber ein Vetorecht gegen das Eingreifen anderer Staaten wie der USA oder Grossbritanniens forderte. Damit wäre die Ukraine in völlige Abhängigkeit vom guten Willen im Kreml geraten.
Wie steht Putin zur vorgeschlagenen Waffenruhe?
Putins Verhandlungsangebot kann zwar als Antwort auf die Forderung nach einer bedingungslosen Waffenruhe verstanden werden, er ging darauf aber nicht explizit ein. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, sagte später, es müsse erst über die Ursachen des Konflikts gesprochen werden, dann über eine Waffenruhe. Die Verweigerung einer vorherigen Feuerpause dürfte zwei Gründe haben: Erstens will Putin Stärke demonstrieren und daher kein Ultimatum annehmen. Zweitens sieht sich Moskau auf dem Schlachtfeld in der Oberhand.
Durch die Weiterführung der Kämpfe will der Kreml den Druck auf Kiew während der Verhandlungen hoch halten, um möglichst viele seiner Forderungen durchzusetzen. Zugleich ist es für Putin auch deutlich einfacher, die Verhandlungen als ergebnislos abzubrechen, solange seine Truppen noch kämpfen. Diese Einheiten nach einer längeren Waffenruhe wieder in Bewegung zu setzen, macht Putin nicht nur in der internationalen Wahrnehmung zum Aggressor, sondern ist auch innenpolitisch schwieriger, da auch in Russland nach drei Jahren Krieg Hoffnung auf Frieden besteht.
Wie reagieren Kiew und die Europäer auf Putins Angebot?
Sie werten das Angebot Putins offiziell als positives Zeichen, wollen aber nicht von ihrem Plan abrücken: "Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen", sagte Merz. Ähnlich äusserten sich Selenskyj und Macron. Die Verbindung, die Putin zu den 2022 gescheiterten Gesprächen zieht, kommt bei den Europäern gar nicht gut an. Verhandlungen über einen Frieden, während die gegenseitigen Angriffe weiterlaufen, kommen für sie nicht in Frage.
Was sagt Trump?
Er äussert sich zuversichtlich, aber in der Sache wie so oft unklar. "Ein möglicherweise grosser Tag für Russland und die Ukraine", schrieb er auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social. Er werde weiter mit beiden Seiten arbeiten, um das endlose "Blutbad" zu beenden. "Eine grosse Woche steht bevor!" Den Zweckoptimismus kennt man von Trump, gerade in der Ukraine-Frage. Ob etwas dahintersteckt, bleibt offen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Woche beginnt mit dem Auslaufen des Ultimatums der Europäer an Putin. Sollte Russland seine Waffen bis zum Ende des Tages nicht schweigen lassen, wollen sie nach jetzigem Stand ihre Drohung wahr machen und mit Sanktionen reagieren. Die Vorbereitungen dafür laufen. Noch im Laufe der Woche könnte es Beschlüsse geben. Es sei denn, es gibt vorher noch Bewegung auf russischer Seite.
Welche EU-Sanktionen gegen Russland wären noch möglich?
Seit Beginn des Angriffskriegs Moskaus gegen die Ukraine hat die EU 16 Sanktionspakete gegen Russland auf den Weg gebracht. Sie umfassen etwa Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten sowie eine Reihe von Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen etwa für russische Energieträger wie Kohle und Öl.
Derzeit wird ein 17. Sanktionspaket vorbereitet. Vorschläge der Europäischen Kommission sehen eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor. Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung von bestehenden Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.
Die neuen Sanktionen sollen aber deutlich über diese bisher bekannten Pläne hinausgehen. Details nannten die Staats- und Regierungschefs am Freitag bewusst noch nicht. Die Verhandlungen innerhalb der EU darüber dürften schwierig werden, weil die Mitgliedstaaten in vielen Sektoren nationale Interessen haben, gerade was den Energiebereich angeht. Als unwahrscheinlich gilt, dass die EU an das eingefrorene russische Vermögen in den Mitgliedstaaten gehen wird. © Deutsche Presse-Agentur