US-Zölle schmerzen nicht nur Deutschland oder Japan: Besonders betroffen sind die ohnehin benachteiligten Länder Afrikas, denen Donald Trump bis zu 30 Prozent Aufschlag zumutet. Von Lesothos Textilfabriken bis zu Südafrikas Autobauern - Arbeitsplätze und Existenzen stehen auf dem Spiel.
Als US-Präsident
Wirtschaftsexperte Taku Fundira erklärt im Interview, welche Gefahren für Länder wie Lesotho oder Südafrika bestehen, was das für Armut auf dem Kontinent und Migration nach Europa bedeutet und welche Rolle China spielt.
Die von US-Präsident Trump verhängten Zölle treffen die ganze Welt, aber nicht gleich stark. Warum würden Sie sagen, dass Afrika besonders betroffen ist?
Taku Fundira: Wenn Zölle steigen, trifft das speziell Länder, die weniger wettbewerbsfähig sind. Viele afrikanische Staaten exportieren Produkte, die menschliche Handarbeit erfordern. Wenn diese Waren teurer werden, hat das dort Folgen für Beschäftigte, Export und wirtschaftliche Stabilität.
Welche Länder und Branchen trifft es konkret?
Lesotho zum Beispiel ist stark von der Bekleidungsindustrie abhängig – ein Grossteil der Exporte geht in die USA - und ist nun von 15 Prozent Zöllen getroffen. Für die dortige Textilbranche, die zahlreiche Arbeitsplätze schafft, ist das ein Schlag. Zuvor war gar von 50 Prozent Zoll die Rede.
Die Zahl wirkt absurd hoch für ein so kleines Land. Wie erklärt sie sich?
Die ursprüngliche Berechnung der USA hat die tatsächlichen Wirtschaftsbeziehungen nicht korrekt abgebildet. Sie ergab für Lesotho einen vermeintlich hohen Handelsüberschuss mit den USA.
Wie bedeutend ist der US-Markt für Afrika insgesamt?
Das ist stark länderspezifisch. Für Länder wie Lesotho ist der US-Markt sehr wichtig, weil sein Textil-Sektor fast vollständig auf ihn ausgerichtet sind. Madagaskar ebenfalls, etwa bei Vanille. Aber auf kontinentaler Ebene hat die USA mittlerweile Marktanteile an China und die EU verloren.
Was exportiert Afrika überhaupt in die USA? Geht es da grösstenteils um Rohstoffe?
In vielen Fällen handelt es sich dabei um Produkte mit wenig Wertschöpfung: landwirtschaftliche Erzeugnisse, Schnittblumen, Zitrusfrüchte, Macadamianüsse, Wein – Südafrika ist hier ein gutes Beispiel. Zudem viele Mineralien. Südafrika hat auch eine etablierte Automobilindustrie und produzierte viele Fahrzeuge für den Export.
Hat Südafrika auch eigene Automarken – und wie wirkt sich der Zollsatz von 30 Prozent aus?
Die Autos werden häufig für internationalen Marken gebaut. Etwa deutsche Hersteller wie Mercedes und BMW, die dort Produktionsstätten haben. Der Zoll trifft alle Branchen, sofern Exportkanäle in die USA betroffen sind. Selbst südafrikanische Postdienste haben Sendungen in die USA ausgesetzt.
Welche langfristigen Folgen erwarten Sie, falls die Zölle bestehen bleiben?
Mittel- bis langfristig drohen Unternehmensschliessungen, Entlassungen und Strukturbrüche in betroffenen Sektoren, falls keine Alternativmärkte gefunden werden. Das erhöht die Arbeitslosigkeit, beeinflusst Armut und soziale Ungleichheit, kann politische Spannungen und Migration verstärken. In Südafrika etwa ist die Arbeitslosigkeit bereits sehr hoch. Dort lebende Migranten könnten zu Sündenböcken werden.
"In Westafrika könnte es zu vermehrter Migration Richtung Europa kommen, das geografisch näher ist."
Gibt es spezifische soziale Folgen, die Sie erwarten – etwa Unruhen oder Migration?
Bei massiven Arbeitsplatzverlusten steigt das Risiko sozialer Unruhen und politischer Instabilität. In Westafrika könnte es zu vermehrter Migration Richtung Europa kommen, das geografisch näher ist. In Südafrika könnten qualifizierte Arbeitnehmer aus- und unqualifiziertere einwandern und so soziale Spannungen zusätzlich erhöhen.
Es wird in dem Zusammenhang oft von AGOA gesprochen – könnten Sie das kurz erklären?
AGOA ist ein US-Programm, das einigen Ländern südlich der Sahara Handelsvorteile geben sollte: bestimmte Waren dürfen zoll- und quotenfrei in die USA exportiert werden. Viele Investoren, auch aus Asien, verlagerten daraufhin die Produktion nach Afrika; das erklärt etwa Lesothos Textilboom.
Sollen Zölle und ein Ende von AGOA, wie die USA es androhen, also indirekt China treffen?
In gewisser Weise ja. Ein Teil des Zugriffs Chinas auf den US-Markt erfolgte über afrikanische Länder mit Handelsvorteilen. Bei einem Wegfall von AGOA könnten sich Investoren zurückziehen.
Die USA streichen zudem Hilfsprogramme wie USAID. Mit welchen Folgen für Afrika?
Sozial wirft das mehrere Probleme auf: Jobverluste bei zugleich weniger Zugang zu sozialer und medizinischen Hilfe wären eine doppelte Belastung, die Kettenreaktionen auslösen könnte.
Viele Länder wie die EU, Japan oder Grossbritannien haben Deals mit Trump ausgehandelt. Haben afrikanische Regierungen denn keinerlei Hebel gegenüber den USA?
Auf individueller Ebene wenig. Als Gruppe, über kontinentale oder regionale Wirtschaftsbündnisse, gäbe es allerdings Potenzial. Bisher war die Praxis oft einzeln zu verhandeln, was zu einem Wettlauf um die Gunst der USA führte. Eine kollektive Strategie würde Afrikas Position stärken.
China spielt eine wachsende Rolle in Afrika. Nutzt es die Situation aus oder hilft es Afrika?
China bietet viel Kapital und baut Infrastruktur. Das verschafft China Einfluss und verdrängt teilweise traditionelle westliche Akteure. Viele afrikanische Staaten sind zudem schon stark verschuldet gegenüber China, was Pekings Macht in Vertrags- und Vergabeverhandlungen erhöht.
Was könnten Länder wie Deutschland oder die EU tun, um die Situation für Afrika zu verbessern – im eigenen Interesse und im Interesse Afrikas?
Empfehlungen der Redaktion
Die Beziehungen neu denken: Afrika nicht als abhängiges Ziel von Entwicklungshilfe betrachten, sondern als Partner und wachsenden Absatzmarkt mit Potenzial für Technologie und Kooperationen. Etwa bei grünem Strom. Europa sollte strategische Partnerschaften ausbauen, auch in Afrika.
Verwendete Quellen:
Zum Experten:
- Taku Fundira ist Markt und Politik Berater mit Schwerpunkt internationaler Handel, Landwirtschaft, Energie und Entwicklungsfinanzierung, der sich speziell mit Südafrika beschäftigt. Er forscht und publiziert für APRI (Africa Policy Research Institute), einen unabhängigen Think-Tank mit Büros in Berlin und Abuja.