Der FC Bayern München hat Jonathan Tah von Bayer Leverkusen verpflichtet. Doch macht der deutsche Nationalspieler die Innenverteidigung des deutschen Rekordmeisters wirklich besser? Die Ex-Bayern-Spieler Thomas Helmer und Didi Hamann sind unterschiedlicher Meinung.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Abwehr des FC Bayern München hinterliess in der zurückliegenden Saison einen schwankenden Eindruck. Einerseits hatte sie eine sehr stabile Phase, als der FC Bayern im Oktober und November wettbewerbsübergreifend sieben Pflichtspiele hintereinander ohne Gegentreffer blieb. Andererseits gab es alleine im Kalenderjahr 2025 bislang vier Pflichtspiele mit jeweils drei Gegentreffern. Die Verpflichtung von Innenverteidiger Jonathan Tah, der die vergangenen zehn Jahre für Bayer Leverkusen spielte, soll für mehr Stabilität in der Defensive sorgen.

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Sportvorstand Max Eberl sagt: "Jonathan ist 29. Man könnte sagen, er ist schon ein bisschen älter. Aber man hat das Gefühl, dass Jonathan jetzt gerade erst so richtig anfängt. Die letzten zwei, drei Jahre in Leverkusen waren wirklich herausragend. Er war zehn Jahre dort, wirkt noch stabiler, noch robuster. Er war für mich mit die Figur, warum Leverkusen so erfolgreich war in den letzten Jahren. Genau so eine Figur tut uns gut."

Seit dem Abgang von Matthijs de Ligt fehlt ein Führungsspieler

Nicht nur fussballerisch, sondern auch als Persönlichkeit soll Tah dem FC Bayern weiterhelfen. "Er ist prädestiniert, ein Führungsspieler zu sein, er ist prädestiniert, einer der Köpfe unserer Mannschaft für die Zukunft zu sein", sagt Eberl. "Er ist ein unglaublich intelligenter und bescheidener Junge, aber auf dem Platz total ehrgeizig und zielorientiert. Und genau diese Mischung macht einen Führungsspieler aus."

Tatsächlich fehlte dem FC Bayern in der vergangenen Saison ein Führungsspieler in der Verteidigung. Von der Persönlichkeit war der Niederländer Matthijs de Ligt ein solcher Typus. Allerdings passte er aufgrund seiner fehlenden Schnelligkeit nicht in das Spielsystem von Trainer Vincent Kompany und wurde daher an Manchester United abgegeben.

Helmer sieht in Tah einen starken Nebenmann für Kim

Hat Tah das Potenzial, diese Lücke zu kompensieren und der Führungsspieler der Verteidigung zu sein? Der frühere Bayern-Verteidiger und -Kapitän Thomas Helmer ist optimistisch. "Aufgrund seiner Erfahrung müsste Tah auf jeden Fall dazu in der Lage sein", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ein Führungsspieler täte der Verteidigung des FC Bayern auf jeden Fall gut. Ich habe nämlich das Gefühl, dass Min-jae Kim mit dieser Rolle nicht klarkommt. Er braucht einen starken Nebenmann. Das kann Tah leisten."

Fussballerisch bringt Tah ohnehin alles mit, wie Helmer erklärt: "Er ist Nationalspieler und hat bei Leverkusen herausragende Leistungen gezeigt. Der Wechsel nach München wird für ihn eine Umstellung sein. Es ist immer schwer, beim FC Bayern zu spielen, weil die Erwartungshaltung höher ist als bei Leverkusen. Aber von der Veranlagung her könnte das trotzdem gut passen."

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Gleichwohl stehen die Verteidiger des FC Bayern grundsätzlich vor einer grossen Herausforderung. Die gesamte Mannschaft agiert sehr hoch, sodass die Verteidiger in der letzten Linie einen grossen Raum zu verteidigen haben.

"Ich glaube, dass es beim FC Bayern mittlerweile sehr schwer ist, diese Position zu bekleiden, weil man permanent in Eins-gegen-Eins-Situationen verwickelt ist", sagt Helmer. "Die Stürmer sind so schnell. Wenn man einen Moment nicht aufpasst, ist man schon im Nachteil. Das ist mittlerweile eine grosse Herausforderung. In der vergangenen Saison hat das beim FC Bayern teilweise sehr gut funktioniert, dann wieder nicht. Das war sehr wechselhaft."

Dennoch sieht er Tah dazu imstande, diese schwierige Aufgabe zu meistern: "Ich glaube, dass er die gegnerischen Stürmer gut ablaufen kann. Er macht nur selten Fouls und packt nur selten die Grätsche aus. Alleine schon von der Physis sollte er dazu in der Lage sein, die Verteidigung des FC Bayern zu stärken."

Hamann ist "nicht 100-prozentig überzeugt"

Der frühere Bayern-Spieler und heutige Sky-Experte Didi Hamann weiss zwar ebenfalls die Qualitäten von Tah zu schätzen, hat aber trotzdem seine Zweifel an der Verpflichtung. "In der Meister-Saison hatte er ein sehr gutes Jahr, die laufende Saison war ordentlich", sagte Hamann im Interview mit unserer Redaktion.

Dennoch ist er "nicht 100-prozentig" davon überzeugt, dass Tah die Verteidigung des FC Bayern besser macht: "In Leverkusen hatte er mit Granit Xhaka einen Spieler vor sich, der ordentlich aufgeräumt hat, zudem Robert Andrich." Dies sei in München anders: "In Bayern wird viel auf die Innenverteidiger geschimpft. Aber man sollte auch darauf schauen, was die Spieler davor machen. Sie haben diese Probleme nicht erst seit dieser Saison."

Das Spielsystem des FC Bayern orientiert sich nach vorne. Die zentralen Mittelfeldspieler vor der Innenverteidigung wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Aleksandar Pavlović sind eher offensiv ausgerichtet. Der im Sommer 2024 verpflichtete João Palhinha wäre ein klassischer Abräumer und könnte die Verteidigung entlasten, ist unter Kompany aber meist nur Ersatzspieler.

Starke Zweikampfquote von Tah

Umso wichtiger, dass die Verteidiger des FC Bayern verlässlich und fehlerfrei verteidigen. Tah gewann in der vergangenen Bundesliga-Saison 65 Prozent seiner Zweikämpfe. Damit steht er vor Kim (59 Prozent) und Dayot Upamecano (57 Prozent).

Bei den Zweikämpfen in der Luft ist Tah der internen Konkurrenz sogar deutlich voraus. Er gewann 77 Prozent der Luftzweikämpfe, Kim 65 Prozent, Upamecano nur 59 Prozent. Tah könnte also durchaus eine Verstärkung für den FC Bayern darstellen.

Ob die Defensive dadurch insgesamt stabiler wird, steht auf einem anderen Blatt.

Verwendete Quellen