Die Fussballkarriere von Bayern-Star Luis Díaz startete unter schwierigen Voraussetzungen. Es gab grosse Zweifel, ob der Kolumbianer das Zeug zum Profi hat.
Luis Díaz ist der neue Superstar des FC Bayern München. Im Sommer für eine Ablöse von rund 70 Millionen Euro vom FC Liverpool verpflichtet, stellte der schnelle Flügelspieler sofort seine Qualität unter Beweis. Zwei Tore und zwei Vorlagen gelangen ihm an den ersten zwei Spieltagen. So erfolgreich der 28-Jährige heute sein mag, so schwierig waren seine Anfänge.
Díaz wuchs im Nordosten von Kolumbien, genauer gesagt in der Kleinstadt Barrancas in der Gemeinde La Guajira, auf. Die Grundvoraussetzungen hätten kaum schlechter sein können. Sein damaliger Jugendtrainer John Díaz (nicht verwandt mit
Díaz spielte oft auf einem heruntergekommenen Platz vor dem Haus seiner Grossmutter. "Es war ein schlechter Platz mit Steinen in einer sehr schlechten Qualität, aber wir waren happy", erinnert er sich. "Einmal traf ich den Ball nicht richtig und mein Zehennagel kam raus. Ich wollte trotzdem weiterspielen. Ich habe mich nicht gross darum gekümmert. Ich machte ein Pflaster darauf und spielte weiter."
Mit 18 spielte Díaz noch immer Amateurfussball
Vereinsstrukturen wie in Deutschland gibt es im ländlichen Kolumbien nicht. Vielfach wurde Luis lediglich von seinem Vater Manuel Díaz trainiert. Der Fussballprofi erzählte gegenüber dem Bayern-Mitgliedermagazin "51": "Unser Vater hat Wert darauf gelegt, dass wir viel mit dem Ball arbeiten. Also gab es viele spielnahe Übungen. Ansonsten ging es immer um Ballkontrolle und Passspiel. Und er hat immer gesagt: "Goles son amores – Tore sind Liebe."
Unter den damaligen Voraussetzungen war es allerdings kaum möglich, von einem Scout entdeckt zu werden. Die meisten Top-Talente gehören mit 18 Jahren der Nachwuchsabteilung eines Profivereins an. Oftmals haben die jungen Spieler in diesem Alter bereits den ersten Profivertrag in der Tasche und verdienen gutes Geld. Díaz war davon weit entfernt.
Als er 2015 seinen 18. Geburtstag feierte, spielte Díaz noch immer bei einem unbedeutenden Amateurverein in der Nachbarstadt Albania. Kein Profiverein war auf ihn aufmerksam geworden. Der Traum vom Profifussball schien zu scheitern.
Ungewissheit: Probezeit wurde nur von Tag zu Tag verlängert
Papa Manuel ergriff allerdings die Initiative und kontaktierte einen entfernten Bekannten beim Klub Atlético Junior. "Und den haben wir gebeten, dass ich mal an einem Probetraining teilnehmen konnte", berichtet Luis Díaz. Atlético Junior ist ein Top-Verein in Kolumbien, der regelmässig an der Copa Libertadores de América (der Champions League von Südamerika) teilnimmt. Deren Estadio Metropolitano fasst 49.692 Plätze und ist das grösste Stadion im Land.
Wie gross die Chance ist, dass so ein Verein ein unentdecktes 18-jähriges Talent unter Vertrag nimmt? Minimal! Die Probezeit von Díaz wurde lediglich von Tag zu Tag verlängert. "Wochenlang wartete ich auf den Satz: Du kannst morgen wiederkommen", erzählte Díaz. "Jeden Abend habe ich mir eingeredet, dass ich nicht aufgeben darf, dass ich weiterkämpfen muss, weil ich es auch für meine Familie schaffen muss. Das hat mich motiviert."
Díaz war zu dünn für den Profifussball
Der 1,80 Meter grosse Díaz wog damals nur 58 Kilogramm. Dies ist eigentlich zu schmächtig, um sich im Profifussball durchzusetzen. "Ich war wirklich dünn. Ich hatte überhaupt keine Muskeln", erzählte Díaz. Er musste ein spezielles Trainingsprogramm mit Muskelaufbau und Ernährungsplan absolvieren. Atlético Junior nahm ihn zwar im Verein auf, verlieh ihn allerdings an den kolumbianischen Zweitligisten Barranquilla FC.
Ein Glück für seine fussballerische Entwicklung war, dass in dieser Zeit erstmals eine Südamerika-Meisterschaft der indigenen Völker ausgetragen wurde. Díaz durfte aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit daran teilnehmen und stellte sein Talent unter Beweis.
Sein Jugendtrainer John Díaz sagte rückblickend: "Er fiel sofort auf und war einer der Top-Scorer. Er war sehr schnell und spielte wie ein Torjäger, aber er hatte ein Problem – er hob den Kopf nicht an, wenn er mit dem Ball lief. Manchmal dribbelte er über den Platz und merkte überhaupt nicht, dass er bereits am Ende des Spielfeldes angekommen war."
Aufgrund seines mangelnden Spielverständnisses und seiner schmächtigen Figur bestanden noch immer Zweifel an seiner Profitauglichkeit. "Er war noch immer sehr dünn. Sein Spitzname war El Fideo (die Nudel) und jedes Mal, wenn er in einen Zweikampf ging, verlor er ihn. Aber Schritt für Schritt bekamen wir es hin, ihn weiterzuentwickeln."
Díaz denkt gerne an die Heimat zurück
Nach einem Jahr in der zweiten Liga debütierte Díaz mit 20 Jahren bei Junior in der ersten Liga. Nur 14 Monate später, im September 2018, gab er sein Debüt für die kolumbianische Nationalmannschaft. Mit 22 Jahren wechselte er zum FC Porto nach Portugal, drei Jahre später zum FC Liverpool nach England.
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Auch wenn der Start schwierig war, denkt er noch immer gerne an seine Heimat zurück. "Mein Barrancas ist wunderbar!", sagt er. "Für nichts würde ich diese Heimat eintauschen wollen. Ich liebe es und habe immer ein bisschen Sehnsucht nach meiner Familie, meinen Schulkameraden und Jugendfreunden, von denen fast alle noch dort leben."
Verwendete Quellen
- fcbayern.com: Neuzugang Luis Díaz im Porträt: Lucho, der Kämpfer
- FourFourTwo (Nov 2024): Buenos Diaz