Seit sein Wechsel zu Borussia Dortmund feststeht, spielt Niklas Süle beim FC Bayern wie befreit. Der Rekordmeister verliert damit seinen aktuell stärksten Innenverteidiger.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Meldung des Abgangs von Niklas Süle beim FC Bayern war Anfang des Jahres nach monatelangem Vorlauf keine Überraschung mehr. Dass der deutsche Nationalspieler allerdings ausgerechnet zum grossen Ligarivalen aus Dortmund geht, dagegen schon.

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Seit der Bekanntgabe des Wechsels wirkt Süle in München gelöst und fokussiert. Seit Wochen ist er – mit Ausnahme der Niederlage gegen Bochum, als allerdings die gesamte Mannschaft schlecht aussah – der beste und konstanteste Münchner Innenverteidiger. Trainer Julian Nagelsmann, der sich ohnehin immer für einen Verbleib von Süle ausgesprochen hatte, hat von Anfang an deutlich gemacht, dass er nur nach Leistung aufstellen wird und die Entscheidung des Abwehrmannes hier keinerlei Rolle spielt.

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Auf Niklas Süle ist wieder Verlass

Und so ist Süle in wichtigen Spielen gesetzt. Sowohl beim 7:1 gegen Salzburg als auch beim 1:1 gegen Leverkusen am vergangenen Wochenende, als er sich sogar in die Torschützenliste eintrug. So langsam dürfte es den Verantwortlichen beim FC Bayern dämmern, dass man womöglich einen Fehler begangen hat, Süle nicht weiter an den Verein zu binden.

Der ehemalige Hoffenheimer hat seit seiner Ankunft in München im Jahr 2017 eigentlich immer gespielt, wenn er fit war. Er ist ein harter, resoluter Zweikämpfer. Als guter Aufbauspieler half er auch immer mal wieder auf der rechten Abwehrseite in einer eher spielerischen Rolle aus. Nagelsmann spricht oft über Süles Vergangenheit als zentraler Mittelfeldspieler in der Hoffenheimer Jugend, die er nur widerwillig für einen Platz weiter hinten aufgegeben habe. Sein spielerisches Geschick stammt sicher auch aus diesen Erfahrungen.

Gemurrt wurde in München über andere Dinge. Eine gewisse Hüftsteifheit bei schnellen Bewegungen ist bei seiner Körpergrösse von 1,95 Metern nicht ungewöhnlich. Zudem gab es immer wieder Diskussionen über angebliche Fitnessprobleme. Offen darüber gesprochen wurde nicht. Meist streuten Journalisten diese Themen mit Verweis auf Hintergrundgespräche. All dies, zusammen mit wohl moderaten Gehaltsangeboten, dürften dann das Gesamtbild ergeben haben, das Süles Umfeld als "mangelnde Wertschätzung" umschrieb.

Seit die Entscheidung getroffen ist, spielt Süle sichtbar befreit auf. Er dirigiert lautstark die Münchner Hintermannschaft, er hilft immer wieder aus, wenn sein Nebenmann überlaufen oder überspielt ist. Süle wirkt motiviert, fokussiert. Fast möchte man meinen, er wirkt besonders motiviert, um es zum Abschied einer sportlich durchaus erfolgreichen Zeit in München noch einmal allen zu zeigen.

Man muss Süles Rolle aber auch nicht überhöhen. Er steht sportlich einen Schritt hinter Verteidigern wie Jerome Boateng oder David Alaba. Er wird wohl kein WM- oder Champions-League-Finale aus der Defensive heraus dominieren, wie das zum Beispiel Boateng gelungen ist. Aber Süle ist ein Innenverteidiger, der auf allerhöchstem Niveau bestehen kann. Und das ist viel wert, wie der FC Bayern gerade spürt.

Ein Upgrade in der Innenverteidigung wird es im Sommer nicht geben

Denn die Suche nach einem Nachfolger wird wahnsinnig kompliziert. Die finanziellen Möglichkeiten sowohl im Transfer- als auch im Gehaltsbereich sind für Münchner Verhältnisse deutlich eingeschränkt. Dass über Namen wie Matthias Ginter diskutiert wird, zeigt, dass es momentan nicht um ein klares Upgrade für Süle geht, sondern eher um eine Ergänzung.

Dass darüber überhaupt so intensiv diskutiert werden muss, liegt freilich an den bestenfalls wechselhaften Leistungen von Lucas Hernandez und Dayot Upamecano. Eigentlich dachte man, mit diesen beiden hochveranlagten Franzosen wäre die Innenverteidigung für die kommenden Jahre geklärt. Hernandez spielt meist solide, offenbart aber immer wieder Schwächen in Laufduellen. Upamecano fällt dahinter deutlich zurück. Er wirkte zuletzt verunsichert. Vor allem im eigenen Passspiel hat er immer wieder haarsträubende Fehler dabei. Seine Leistungen schwanken zwischen ordentlich und ganz schwach. Das ist zu wenig für einen Innenverteidiger beim FC Bayern.

Nun ist Upamecano mit 23 Jahren noch jung und entwicklungsfähig. Nagelsmann wird sich darum kümmern, ihn auf ein höheres Niveau zu heben. Manche, die ihm schon die Bayern-Klasse absprechen, sind da definitiv zu schnell.

Der Gewinner heisst Dortmund

Freuen darf sich Borussia Dortmund. Seit Jahren ist die Defensive eines der grossen Probleme des wichtigsten Bayern-Verfolgers. Mit Süle bekommen sie jemanden, der sofort funktioniert, viel Erfahrung mitbringt und die Qualität im Kader sofort erhöht. Glückwunsch nach Dortmund, kann man da nur sagen.

Süle darf sich insgesamt bestätigt fühlen. In der derzeitigen Saisonphase sind die Münchner auf ihn angewiesen, um die höchsten Ziele angreifen zu können. Süle bleibt in den wichtigen Spielen gesetzt. Nur kommt diese Form der Wertschätzung für einen Verbleib in München ein wenig zu spät.

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