Zahlreiche Talente hat der FC Bayern mit zur Klub-WM genommen, zum Einsatz kommen sie aber kaum. Vergrault der FC Bayern trotz 70-Millionen-Euro-Campus seine möglichen Stars der Zukunft?

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Im Herzen Floridas scheint die Ingolstädter Strasse 272 ganz nah. Zumindest ist der fast 8.000 Kilometer entfernte Campus des FC Bayern auch in dessen Teamquartier in Orlando allgegenwärtig. Weil zahlreiche Spieler aus der Talentschmiede den Münchner Kader auf der Titelmission in den USA verstärken, zum einen. Zum anderen aber, weil sich ein schon seit geraumer Zeit schwelender Konflikt rund um die Nachwuchsarbeit der Bayern ebendort fortsetzt.

Nicht zuletzt für viele Fans der aktiven Szene war die ohnehin unbeliebte Klub-WM wenigstens mit der Hoffnung verbunden, dass sich Talente auf internationaler Bühne würden präsentieren können. Doch daraus wurde – mit kleinen Ausnahmen beim 10:0-Auftaktsieg gegen die Amateurmannschaft von Auckland City – bislang nichts. Spätestens mit dem anstehenden Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain am Samstag (18 Uhr MESZ/DAZN, Sat.1 und im Live-Ticker) ist die Hoffnung dahin.

"Jetzt geht es halt ans Eingemachte", sagte Sportvorstand Max Eberl, angesprochen auf die Einsatzchancen von Adam Aznou. Der 19 Jahre alte Linksverteidiger steht beispielhaft für den angesprochenen Konflikt. Aznou gilt als hoch veranlagt, ist sogar bereits Nationalspieler beim WM-Vierten Marokko. Doch bei der Klub-WM spielte er bislang nur acht Minuten – gegen Auckland. "Wenn wir ihn brauchen, werden wir ihn einsetzen", sagte Eberl. "Momentan haben wir noch Gestandene, die das machen können."

In Abwesenheit des verletzten Stamm-Linksverteidigers Alphonso Davies erhielten bisher der eher formschwache Raphaël Guerreiro und Josip Stanisic den Vorzug. Warum er dafür extra vorzeitig seine Leihe bei Real Valladolid beendete und auf Länderspiele mit Marokko verzichtete, dürfte sich wohl nicht nur Aznou fragen.

Durchschnittsalter der Münchner Startelf bei der Klub-WM: 29,3 Jahre

Trainer Vincent Kompany setzt in seiner bisherigen Zeit bei den Bayern, wie auch viele seiner Vorgänger, nachweislich lieber auf arrivierte Kräfte. In den USA kam einzig der 17 Jahre alte Lennart Karl, der weithin als grösstes Talent des Campus betrachtet wird, zu einem längeren Einsatz: Gegen Auckland wurde er zur Halbzeit beim Stand von 6:0 eingewechselt. Das Durchschnittsalter der Münchner Startelf aber betrug in vier Spielen der Klub-WM 29,3 Jahre.

Klar: Der Erfolgsdruck bei den Bayern ist enorm, zumal es in den USA um ein Preisgeld von über 100 Millionen Euro geht – da scheut man auch mal ein vermeintliches Risiko. Dem klar geäusserten Wunsch der Vereinsführung, den eigenen Nachwuchs gerade mit Blick auf die belastende Gehaltsstruktur verstärkt zu fördern, entspricht die aktuelle Einbindung der Talente jedoch eher nicht.

"Idealerweise", sagte Karl-Heinz Rummenigge erst kürzlich der "Welt am Sonntag", "bringen wir jedes Jahr einen Spieler raus, der es in die erste Mannschaft schafft." Der bisher letzte Campus-Spieler, der sich fest in den Kader der Profis spielen konnte, ist Aleksandar Pavlovic. Sein Bundesliga-Debüt liegt mittlerweile aber auch schon wieder gut eineinhalb Jahre zurück.

Verpflichtung von Tom Bischof sorgt für Ärger

Der Transfer von Tom Bischof von der TSG Hoffenheim soll laut dem "kicker" auch für Wirbel am Campus gesorgt haben. Warum einen (damals) 19-Jährigen verpflichten, wenn man doch den eigenen 70-Millionen-Euro-Campus hat? Markus Weinzierl, Sportlicher Leiter am Campus, hatte damals beschwichtigt: "Bei Bayern gibt es immer Konkurrenz. Wie die Konkurrenz für unsere Campus-Spieler zustande kommt, ist zweitrangig", erklärte er in einer Medienrunde. Es gehe darum, wer sich durchsetzen könne. "Und da werden unsere Spieler in Konkurrenz gehen, wie mit allen anderen Spielern auch. Da müssen sie eben im richtigen Moment gut sein oder vielleicht einen Tick besser", sagte Weinzierl.

Von dem selbst gesteckten Ziel scheinen die Bayern also weit entfernt – was auch den Spielern nicht entgeht. Karl etwa soll mit der Verlängerung seines 2026 auslaufenden Vertrages zögern, Mittelfeldspieler Maurice Krattenmacher reiste vorzeitig aus den USA ab, um auf Leihbasis zu Hertha BSC zu wechseln. Und auch Aznou soll wegen seiner geringen Spielzeit mit einem Abschied kokettieren.

Vorerst dürfte er mit dem FC Bayern noch die Klub-WM zu Ende spielen, wenn auch nur als Sparringspartner. Alle Nachwuchsspieler, die in den USA dabei sind, seien "unglaublich wichtig", betonte Eberl. "Um die Erfahrung zu machen, dieses Training zu machen", und: "um die Stammelf auf die Spiele vorzubereiten". Für die zukünftigen Schweinsteigers, Müllers und Alabas heisst es also: Geduld! (SID/bearbeitet von lh)