Jetzt trifft Deutschlands Kampf-Fee auf die beste Fussballerin der Welt

Elisa Senss ist zwar die zweitkleinste Spielerin im deutschen EM-Kader, aber eine absolute Grösse im Spiel der DFB-Frauen. Für den Bundestrainer "steht Elisa ausser Frage". Gegen Spanien geht es für die giftige Sechserin nun gegen die beste Fussballerin der Welt.

"Aus meiner Sicht hat sie Fähigkeiten, die im Frauenfussball nur selten zu sehen sind. Von daher steht Elisa ausser Frage". Das sagte Christian Wück im Juni über die 1,61 Meter kleine Elisa Senss, die spätestens unter dem neuen Bundestrainer eine ganz Grosse beim DFB geworden ist.

"Elisa hatte mit die meiste Einsatzzeit unter meiner Regie: Das allein ist schon Wertschätzung genug, um ihr zu zeigen, dass sie ein unheimlich wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist", führte der sonst, zumindest im Umgang mit der Presse, eher kühle Franke euphorisch aus.

Pep Guardiola wünschte sich einst "Thiago oder nix", Louis van Gaal sagte, "Thomas Müller spielt immer". Wück, der den DFB-Frauen seit seiner Übernahme im Herbst 2024 eine schmerzvolle und nicht immer reibungslose Verjüngüngskur verpasst hat, baut seine Nationalmannschaft nun um die Sechserin Senss auf.

Schon vor der EM in der Schweiz prophezeite ZDF-Expertin Kathrin Lehmann: "Senss wird der Liebling der Nation" und begründete dies im Gespräch mit "Watson" wie folgt: "Mit grosser Willenskraft und Intelligenz hält sie die Defensive und die Offensive zusammen".

Gesagt, getan. Keine andere Fussballerin hat in den bisherigen vier EM-Partien so viele verschiedene Gegenspielerinnen im Zweikampf gefordert wie Senss (16). Keine andere EM-Teilnehmerin hat im defensiven Drittel des Feldes mehr Zweikämpfe gewonnen (elf).

Eine beinharte Abräumerin mit blütenweisser Schiri-Akte

Im deutschen Kader haben nur die Innenverteidigerinnen und die Torhüterin bislang mehr Pässe gespielt als die defensive Mittelfeldspielerin, die nach vorne den Takt vorgibt.

Nach dem Viertelfinale steht Senss im Daten-Portal "fbref" ausserdem auf Platz eins der begangenen Fouls: 12-mal "sensste" sie ihre Gegnerinnen bereits um im bisherigen Turnierverlauf. Ihr disziplinarischer Rekord ist hingegen blütenweiss: In vier Einsätzen hat Senss noch keine Gelbe Karte bekommen.

Es hilft womöglich, dass die zierliche Frankfurterin ihren robusten Gegenspielerinnen wie Schwedens Stina Blackstenius oder Frankfreichs Sandy Baltimore optisch um mindestens zehn Zentimeter und zwanzig Kilo unterlegen ist.

Eine 1,61 Meter kleine Kampf-Fee, die "beisst" und "aggressiv und eklig" spielen kann

Im Augentest der Schiedsrichterinnen kommt die giftige Senss mit vielem durch, wofür andere Fussballerinnen wohl schnell verwarnt werden würden. So wie Senss' kongeniale Partnerin auf der Doppelsechs, Sjoeke Nüsken, die schon zweimal Gelb gesehen hat, obwohl sie laut "fbref" im gesamten Turnierverlauf erst sechs Fouls beging – bei Senss waren es doppelt so viele.

"Elisa ist eine unheimlich quirlige Spielerin, die einen sehr tiefen Körperschwerpunkt hat und gegen den Ball sehr aggressiv und eklig spielen kann", zitiert der "Kicker" Niko Arnautis, den Trainer der Frankfurter Eintracht, für die Senss seit 2024 spielt.

Senss' Silhouette und Statur gleicht eher der einer Bodenturnerin als einer klassischen Abräumerin. Und so schwebt Senss eben wie eine Kampf-Fee über den Fussballplatz: Kompromisslos in der Defensive, ballsicher im Passspiel, elfenhaft elegant im Spielaufbau. Dass sie es mit physisch überlegenen Gegnern aufnehmen kann, bewies sie übrigens schon zu Jugendzeiten, wo sie bis zur C-Jugend bei den Jungs mitspielte.

"Talentierte Mädchen kicken bei ihren männlichen Altersgenossen mit" heisst die Überschrift einer Lokalzeitung aus Niedersachsen, die schon 2013 über die damals 15 Jahre junge Senss berichtete. "Bei den C-Junioren des VfL Wildeshausen waren die Verhältnisse rasch geklärt: 'Elisa hat gleich im ersten Training einen getunnelt – da war die Messe gelesen', erzählt Co-Trainer Kai Schmale und lacht". So steht es in der Einleitung des Spielberichts, der die Teenagerin Senss als offensive Mittelfeldspielerin mit Torriecher, Technik und Überblick anpreist.

Senss' Gegenspielerin im EM-Halbfinale gegen Spanien: Aitana Bonmatí

Ihre Offensiv-Qualitäten liess Senss unter anderem bei Olympia 2024 aufblitzen, als sie gegen Sambia einen technisch anspruchsvollen Ball einfach mal volley nahm und in die Maschen drosch. Die Zuschauer der ARD-"Sportschau" wählten den Sonntagsschuss damals zum Tor des Monats.

Galerie DFB-Gegner im Halbfinale

Stars und Schicksale: Was Spanien so besonders macht

vor 1 Tag

Im Halbfinale gegen Spanien kommt es nun vermutlich auf Senss' Kerngeschäft an: die Defensivarbeit. Ihre Gegenspielerin ist niemand Geringeres als Spaniens Ballzauberin Aitana Bonmatí, die 2024 und 2025 den Ballon d'Or Feminin für die weltbeste Fussballerin gewann.

Ob Senss auch dieser Herausforderung gewachsen ist? Ja, findet ihre Frankfurt- und Deutschland-Kollegin Sophia Kleinherne: "Elisa ist sehr präsent, unfassbar zweikampfstark. Das mag man vielleicht aufgrund ihrer Körpergrösse nicht glauben, aber sie beisst sich wirklich in jeden Zweikampf."