Die DFB-Frauen scheiden gegen Spanien im Halbfinale der EM 2025 aus. Bei allem berechtigten Lob für die Leistung muss es jetzt dennoch eine ehrliche Analyse der Schwachstellen geben.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Innerhalb von wenigen Sekunden zerplatzte der EM-Traum von Deutschland. Gerade als sich viele sicher waren, dass es ihnen erneut gelingen würde, eine grosse Nation ins Elfmeterschiessen zu zwingen, schlug Spaniens Genialität doch noch zu.

Aitana Bonmati setzte sich halbrechts durch und schoss den Ball ins kurze Eck. Vorbei an der schlecht positionierten Ann-Katrin Berger, nachdem Sydney Lohmann zuvor nicht klären konnte. Die Finalrevanche gegen England bleibt somit aus.

In der Analyse sollte man sich aber nicht auf diese Szene versteifen und auch nicht darauf, dass es letztlich Pech gewesen wäre. Denn sie war das logische Resultat der Schwachstellen, die die DFB-Frauen schon länger haben.

DFB-Frauen sind spielerisch nicht gut genug

Allen voran ist hier das Spiel mit dem Ball zu nennen. Dass es gegen Spanien nicht möglich sein würde, das Spiel selbst zu gestalten, ist dabei gar nicht das grosse Problem. Vor allem gelang es den Deutschen nicht, die eigenen offensiven Umschaltsituationen auszuspielen. Zwischenzeitlich lag die Passquote bei weit unter 70 Prozent, am Ende bei 72 Prozent.

So lauf- und kampfstark sich das Team abermals präsentierte und so schwer man es den Weltmeisterinnen auf vielen Ebenen machen konnte, rein fussballerisch ist das weit weg von den Top-Nationen. "Wir aus deutscher Sicht würden uns auch wünschen, dass sie auch spielerisch einen Moment weiter sind", analysierte "Sportschau"-Expertin Almuth Schult nach dem Halbfinal-Aus: "Spielerisch eine richtig gute Partie habe ich unter Christian Wück nur eine gesehen, und zwar das Spiel in der Nations League gegen die Holländerinnen."

Schult trifft damit den wunden Punkt der bisherigen Amtszeit des Bundestrainers. Gegen Polen und Dänemark war die fehlende Offensivstruktur des Teams klar zu sehen, weil man dem Gegner nicht den Ball überlassen konnte. Gegen Schweden war es in Unterzahl schwierig, aber auch da deuteten sich die technischen Schwierigkeiten schon vor dem Platzverweis an.

Gegen Frankreich und Spanien fokussierte sich Deutschland endgültig darauf, wie ein Aussenseiter zu spielen. Mauerfussball mit der Hoffnung darauf, dass es die individuelle Klasse bei Kontersituationen regeln kann. Doch sowohl Klara Bühl, die ein sehr gutes, aber unglückliches Turnier spielte, als auch Jule Brand, deren letzte Aktion in den überwiegenden Fällen nicht gut genug war, konnten das nicht in ausreichender Form liefern.

Was letztlich aber weniger eine Kritik an diesen beiden Spielerinnen ist, sondern am Trainerteam. Denn Wück und Co. schafften es bisher nicht, die individuellen Stärken der eigenen Offensive so zu betonen, dass man dort ausreichend Substanz gehabt hätte. Heldinnenfussball mit Teilzeitheldinnen, die Deutschland nicht immer retten können.

Deutschland muss mehr Talente ausbilden – aber auch Wück muss sich strecken

Der Bundestrainer deutete hinterher an, dass man dabei auch die strukturellen Probleme in Deutschland im Blick haben müsse. Dabei rückte er die Ausbildung von jungen Spielerinnen in den Mittelpunkt. Es gehe darum, vor allem technisch bessere Fussballerinnen auszubilden. "Wir müssen uns in der Breite verbessern, wir brauchen mehr Talente", so Wück.

Einerseits ist dieser Punkt wichtig. Denn es ist ein Fakt, dass in Deutschland über viele Jahre hinweg zu wenig passiert ist und sich erst in der jüngeren Vergangenheit wieder etwas getan hat. Andererseits macht er es sich damit auch ein bisschen zu einfach.

Zwar fehlten ihm durch Verletzungen und Sperren immer einige Spielerinnen und gerade in der Defensive mangelt es dem Kader durchaus an Qualität. Aber trotzdem darf man von einem immer noch hochklassig besetzten Team mehr fussballerische Qualität erwarten.

Unter Wück gibt es aber kaum erkennbare Abläufe – weder im Angriffsdrittel, noch im Spielaufbau. Gute Spielsequenzen wirken vor allem deshalb zufällig, weil sie nicht wiederkehrend sind. Es gibt nur wenige Muster im Spiel nach vorn. Das fällt dem Team vor allem dann auf die Füsse, wenn Gegner tief verteidigen. Es ist aber auch ein Nachteil, wenn man, wie gegen Spanien, Entlastungsphasen braucht.

DFB-Frauen verkauften sich bei der EM dennoch teuer

Und dennoch wäre es falsch, nur die Kritik an der fussballerischen Qualität zu sehen. Deutschland hat sich bei der EM auf anderen Ebenen teuer verkaufen können. Mit Frankreich wurde eine grosse Nation geschlagen, Spanien hatte man am Rande des Elfmeterschiessens. Auch gegen die Weltmeisterinnen konnte man die vorhandenen Schwächen lange mit Willen und Laufbereitschaft einigermassen kompensieren.

Wücks Entscheidung, das Mittelfeld mit Janina Minge zu stärken, um die Halbräume mit Elisa Senss und Sara Däbritz effektiver verteidigen zu können, ging durchaus auf. Es ist fast schon bezeichnend, dass das Gegentor fiel, nachdem man wegen der Verletzung von Sophia Kleinherne umstellen musste und taktisch das Dreiermittelfeld aufgegeben hatte. Plötzlich waren die Räume in der Halbspur wieder grösser – und genau dort entstand das spanische Tor.

Zwar gab es am Ende der ersten Halbzeit eine längere Phase, in der Spanien gleich mehrere gute Chancen auf die Führung hatte und in der die DFB-Frauen richtig leiden mussten. Aber gerade im zweiten Durchgang schafften sie es, den spielerisch überlegenen Gegner auf das eigene Niveau herunterzuziehen.

Was abfällig klingt, ist in dem Fall positiv gemeint. Deutschland wusste, dass sie über Nacht nicht ausreichend an technischer und taktischer Qualität zulegen können, um Spanien auf Augenhöhe zu begegnen. Also nutzten sie ähnliche Mittel wie in Unterzahl gegen Frankreich: enormes Laufpensum, möglichst oft Überzahl in Ballnähe, harte und aggressive Zweikampfführung.

In der zweiten Halbzeit kamen die Spanierinnen laut "Fotmob" nur auf fünf Abschlüsse und 0,25 Expected Goals – also statistisch erwartbare Tore anhand der Chancenqualität. Nicht eingerechnet ist hier natürlich die Szene, als Salma Paralluelo knapp am Ball und somit am späten Führungstreffer vorbeirutscht. Trotzdem hatten die Deutschen defensiv mehr Kontrolle, als man das nach den ersten 45 Minuten erwartet hätte.

Der Lucky Punch bleibt aus – eine ehrliche Analyse muss her

Vorwerfen lassen müssen sie sich, dass sie den dann gut umgesetzten Aussenseiterinnen-Fussball nicht mit dem Lucky Punch gekrönt haben. Der Freistoss von Klara Bühl gegen Ende der zweiten Halbzeit war eine gute Halbchance dafür. Und auch die abgefälschte Bogenlampe von ihr in der Nachspielzeit sowie der Nachschuss von Carlotta Wamser hätten Deutschland das Weiterkommen bescheren können.

Letztlich hat aber das Team gewonnen, das mehr Spielanteile und mehr klare und gute Chancen hatte. Es ist ein verdienter Sieg für Spanien, die auf nahezu allen Ebenen schlicht besser sind als das deutsche Team. Wück sprach hinterher von einer angestossenen Entwicklung.

Wenn man die Spiele bei der EM und auch im Vorfeld gesehen hat, muss aber schon die Frage erlaubt sein, ob es tatsächlich eine Entwicklung gibt. So gut das Halbfinale als Ergebnis ist und so stolz die Spielerinnen zu Recht darauf sein können, so selbstkritisch sollte aber auch die Analyse hinterher ausfallen.

Empfehlungen der Redaktion

Mit dieser Spielweise wird man mittel- und langfristig nicht besser performen als in den letzten Jahren. Deutschland bleibt eine Wundertüte, von der man ein EM-Finale ebenso erhalten kann wie ein Vorrunden-Aus bei der WM. Ein "Weiter so" ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit den offengelegten Problemen wäre deshalb fatal. Es braucht in irgendeiner Form neue Impulse – taktisch, strategisch und vielleicht auch personell.

Teaserbild: © IMAGO/Anadolu Agency/Mustafa Yalcin