Vom Tellerwäscher zum Millionär - in den USA schien das möglich zu sein. Alles, was cool war, kam gefühlt aus den Vereinigten Staaten: der neuste Food-Trend, die coolste Mode oder der beste Blockbuster. Das hat sich teilweise verändert. Ist die US-Kultur (trotz Trump) noch cool?

Mehr zum Thema Gesellschaft & Psychologie

Jahrzehntelang galten die USA als das Land der Freiheit, der unbegrenzten Möglichkeiten. Was von dort kam, galt fast schon automatisch als angesagt. Cola, Hamburger, Kaugummis und Milchshakes, Blue Jeans, Pop- und Rockmusik, Hip-Hop, Kunst, Literatur und natürlich Filme und Serien.

Doch seit US-Präsident Donald Trump an der Macht ist, gelten die Vereinigten Staaten nach Meinung vieler nicht mehr als kulturelles Vorbild und haben in Sachen Coolness so einiges eingebüsst. Und jetzt?

Der Autor Florian Illies ("1913") beschrieb in der "Zeit" die Rolle der USA als kulturelles Zentrum: "Der Weltgeist liess sich in Amerika nieder, und der Westwind blies uns von dort verlässlich alle Segnungen und Verwerfungen des Kapitalismus herüber." Mit den jüngsten politischen Entwicklungen, vor allem während der Trump-Ära, sieht er eine Chance für Europa: "Nun aber, wo sich der Wahnsinn in Washington für vier Jahre häuslich eingerichtet hat, ist endlich der richtige Moment für Europa gekommen, um es wieder selbst mit dem Weltgeist zu versuchen."

Historische Wurzeln trafen auf Popkultur

Dabei war es doch lange so schön. Mit den anderen Alliierten befreiten die USA 1945 Deutschland vom Nationalsozialismus. Noch heute schwelgen Ältere in Erinnerung an die ersten Kaugummis, die sie als Kinder von den US-Soldaten bekamen. Während die USA ein lässiges Lebensgefühl und Popkultur lieferten, bot Europa historische Wurzeln für Amerikaner, deren Vorfahren einst aus Europa ausgewandert waren. Europa wurde zu einer Art "Disneyland der Traditionen" – mit Kuckucksuhren, Rhein-Romantik, Bratwurst und Oktoberfest. Und es prägte die Hochkultur, in Deutschland sogar mit staatlicher Kulturförderung.

Allerdings verlieren diese historischen Beziehungen an Gewicht, glaubt Meike Zwingenberger, Geschäftsführerin des Amerikahauses in München. Inzwischen stamme ein grosser Teil der US-Bewohner aus dem lateinamerikanischen oder asiatischen Raum. Das Selbstverständnis sei ein anderes, eher in Richtung einer pazifischen Nation.

"Wir haben aus europäischer Perspektive immer noch stark den transatlantischen Raum im Zentrum." Man habe die Beziehung lange für selbstverständlich gehalten und müsse jetzt mit Europa eine neue Rolle finden.

Authentizität wichtiger als prominente Markennamen?

Also doch eher deutsche Spezi statt Coca-Cola? Im Supermarkt sind die Regale gut gefüllt mit Flaschen der Marke mit dem rot-weissen Schriftzug, die schon vor Jahrzehnten Inbegriff des US-Lebensgefühls war und über die der Pop-Art-Künstler Andy Warhol 1975 sagte: "Das Tolle an diesem Land ist die Tradition, die Amerika begründet hat, dass die reichsten Konsumierenden eigentlich das Gleiche kaufen wie die ärmsten." Vom US-Präsidenten über Stars bis hin zu einem selbst - jeder könne Cola trinken.

Während Coca-Cola den Markt für Erfrischungsgetränke dominiert, gewinnen regionale Alternativen wie Spezi oder Fritz-Kola an Boden, insbesondere bei jüngeren, umweltbewussten Konsumenten. Laut dem Bundesverband des Deutschen Getränkefachhandels behauptet Coca-Cola seine Marktführerschaft, doch Nischenmarken erobern sich einen treuen Kundenstamm, passend zum Trend, dass Authentizität und lokale Identität zunehmend wichtiger werden.

Traumfabrik Hollywood gar nicht mal so traumhaft

Und beim Film? Hollywood und die Oscars - das galt als legendäre Kombination. Doch die Traumfabrik hat von ihrem Mythos eingebüsst. Andernorts lässt es sich billiger drehen und in Europa locken staatliche Fördergelder. US-Kultregisseur Wes Anderson etwa drehte seinen neuen Film "Der phönizische Meisterstreich" im Filmstudio Babelsberg in Potsdam.

Lesen Sie auch

Auch die Politik spielt mit rein. Beim Filmfestival in Cannes berichteten Filmschaffende aus den USA von einem Klima der Angst und der Verunsicherung, auch mit Blick auf Trumps Absicht, Zölle auf Filme zu erheben, die im Ausland hergestellt wurden.

In der Gunst des deutschen Publikums standen allerdings 2024 nach wie vor Filme aus den USA auf dem Spitzenplatz, wie der Verband HDF Kino berichtet. Fast zwei Drittel aller Tickets löste das Publikum dafür, gefolgt von Streifen aus Deutschland (20,6 Prozent) und dem europäischen Ausland (9,1 Prozent).

Als eine der grössten Filmindustrien besitze Hollywood die Ressourcen für aufwendige Produktionen, die mit einem anderen Level an Schauwerten überzeugen könnten, so der HDF. Hinzu kommen milliardenschweres Marketing und Namen aus der Superstar-Liga wie "The Rock" Dwayne Johnson oder "Black Widow" Scarlett Johansson.

Streaming wird immer regionaler

Ausgewogener geht es bei den Streaminganbietern zu. Die Produktionen von Netflix etwa kommen nach eigenen Angaben zu etwa je einem Drittel aus den USA, aus Europa und dem Rest der Welt.

"Über 70 Prozent unserer Mitglieder leben mittlerweile ausserhalb der USA", so der Anbieter, den weltweit mehr als 300 Millionen Haushalte empfangen. Man wolle das Publikum mit lokalen, authentischen Geschichten begeistern. Als Beispiel nennt Netflix "Squid Game" aus Südkorea, das Historienspektakel "The Crown" aus Grossbritannien oder "Exterritorial", den bislang erfolgreichsten Netflix-Film aus Deutschland.

Und wie sieht es musikalisch aus?

Auch in den deutschen Single-Charts ist seit 2020 die Bedeutung der US-Musik leicht gesunken, die mit Superstars wie Taylor Swift, Ariana Grande, Kendrick Lamar, Travis Scott oder Beyoncé begeistert. 48,1 Prozent der Platzierungen in den deutschen Charts stammen nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK Entertainment aus Deutschland. 20,7 Prozent der Songs kommen aus den USA - zwischen 2000 und 2009 waren es noch 27 Prozent.

"Ich denke, wir haben noch eine Demokratie, aber wir sehen die Anfänge eines Gleitens in ein autoritäres Regierungssystem."

US-amerikanischer Sänger John Legend

Und so manche Musikschaffende bringen sich in die politische Diskussion ein, etwa Bruce Springsteen oder unlängst Popstar John Legend ("All of Me"). Vor einem Konzert in München zeigte er sich besorgt. "Ich denke, wir haben noch eine Demokratie, aber wir sehen die Anfänge eines Gleitens in ein autoritäres Regierungssystem", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Wenn wir dorthin gehen, wird niemand mehr sicher sein, vor allem diejenigen nicht, die sich entscheiden, ihre Stimme zu erheben, die sich entscheiden, zu widersprechen." (dpa/bearbeitet von mak)