Der FC Bayern befindet sich bei der Suche nach einem neuen Trainer in einer Sackgasse. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Die Kaderplanung stockt, weil alles mit der Trainerfrage zusammenhängt. Es ist nur konsequent, dass jetzt sogar über eine mögliche Wende in der Personalie Thomas Tuchel diskutiert wird.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Denn wenn man ganz ehrlich ist: Es wird sehr schwer, im derzeitigen Marktumfeld einen besseren Coach zu finden.

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Schon die Tatsache, dass Tuchel anders als üblich nicht vor dem letzten Saisonheimspiel gegen den VfL Wolfsburg verabschiedet wurde, nährte die Spekulationen, dass es in der Personalie Tuchel nach den zahlreichen Trainer-Absagen der vergangenen Wochen doch noch einmal interessant werden könnte. Gerüchte, dass darüber tatsächlich inzwischen diskutiert wird, blieben bis Dienstagabend zumindest unwidersprochen.

Die vergangenen Tage haben gezeigt: Zu einer ganz grossen Lösung wie Zinedine Zidane oder eine Verpflichtung von Jürgen Klopp für den Sommer 2025 scheinen die Münchner aktuell eher nicht in der Lage. Die zahlreichen Entscheider um Sportchef Eberl, Vorstandschef Dreesen und den nach wie vor einflussreichen Aufsichtsratsmitgliedern Hoeness und Rummenigge scheinen sich in Personalfragen eher zu blockieren als zu ergänzen.

Richtig Zug und Drive ist einfach nicht drin. Sicher auch ein Grund, warum Trainer wie Ralf Rangnick trotz vielversprechender Gespräche – wie beide Seiten bestätigten – am Ende Nein zu den Münchnern sagen. Das Kandidatenfeld dünnt sich aus. Hansi Flick, Roberto de Zerbi. Und dann wird schon ziemlich dünn.

Die fünfte Wahl oder doch weiter mit Tuchel

Egal, wer es am Ende wird: Der neue Coach wird mit dem Makel leben müssen, dass er für Spieler und Öffentlichkeit sichtbar nur die vierte oder fünfte Wahl war. Was für eine Hypothek.

Wenn man also ehrlich auf die Lage blickt, muss man festhalten, dass der beste verfügbare Trainer wohl schon längst beim FC Bayern unter Vertrag steht. Es ist Thomas Tuchel, dessen Aus im Sommer zwar besiegelt, aber wohl noch nicht endgültig vertraglich geregelt ist. Aktuell schweigen sich beide Seiten zum Thema aus.

Nun gab es handfeste Gründe, warum die Münchner Verantwortlichen im Februar entschieden, dass es spätestens im Sommer nicht mehr weitergehen sollte. Die Bilanz von Tuchel ist schwach. Es ist nicht nur die titellose Saison. Es ist der schwache Punkteschnitt. Es ist der Abstand zu Bayer Leverkusen. Es sind die Niederlagen gegen Saarbrücken, Heidenheim, Bochum oder Bremen.

Dazu keine echte spielerische Weiterentwicklung, die Tuchel auch selbstkritisch einräumte. Dazu Schwierigkeiten im Management einiger Führungsspieler.

In der Champions League hat etwas Klick gemacht

Auf der Habenseite stehen vor allem die starken Auftritte in der Champions League gegen Arsenal und Real Madrid, in denen die Münchner trotz grosser Verletzungssorgen auf Augenhöhe agiert haben. Wohl auch, weil Tuchel mit einer etwas defensiveren Spielweise und stärkerem Fokus auf Umschaltmomente einen Stil gefunden hat, der der Mannschaft ziemlich entgegenkommt.

Auffällig ist sowieso, dass bei Tuchel im Verlauf der Rückrunde etwas Klick gemacht haben muss. Der Coach wirkte in den vergangenen Wochen befreit, weniger verkniffen und schnippisch im Umgang mit kritischen Journalistenfragen. Ausserdem weniger fahrig in der Bewertung der Mannschaft, die er zuvor häufig ohne klare Linie mal in den Senkel stellte, mal in den Himmel lobte.

Auch die Bande zur Mannschaft scheint ganz am Ende nochmal deutlich enger geworden sein. Kein Wunder also, dass die Bild-Zeitung in dieser Woche berichtete, dass auch einige Führungsspieler für einen Verbleib Tuchels ausgesprochen haben.

Klar ist auch: Sollte es wirklich zu Ende gehen in München, ist diese Zeit wohl die erste kleine Delle in der herausragenden Trainerkarriere von Thomas Tuchel. Er hat die Erwartungen, die in seine Verpflichtung gesetzt wurden, nicht erfüllt. Das muss man in aller Nüchternheit so festhalten. Und doch haben die Auftritte in der Champions League vielleicht doch nochmal etwas verändert. Tuchel wies nämlich zurecht auf die vielen Verletzten hin, die am Ende wohl auch einen Unterschied gemacht haben, dass nur Minuten fürs Finale fehlten.

Was wäre mit einem vollen Kader gegen die besten Mannschaften Europas möglich gewesen? Reizt Tuchel der Gedanke, es doch noch einmal zu versuchen? Max Eberl, der in die Entscheidungen im Februar formell noch nicht eingebunden war, macht jedenfalls kein Geheimnis aus seiner Wertschätzung für den Coach. Für ihn wäre eine Kehrtwende am leichtesten zu begründen.

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Eitelkeiten könnten im Weg stehen

Am Ende würde eine solche Wende dem FC Bayern sicherlich ein paar Tage öffentliche Häme einbringen. Wenn es schiefgeht, erst recht. Das ist auszuhalten. Denn blickt man Mitte Mai einmal sachlich auf die Lage, ist Tuchel von den realistischen Möglichkeiten auf der Trainerbank am Ende wohl die Beste. Warum sollte man sich hier ohne echte Not verschlechtern?

Klar ist, dass für eine solch spektakuläre Wende die gesamte Bayern-Führung inklusive Hoeness als auch Tuchel selbst zum Wohle des Vereins die eigenen Eitelkeiten ganz weit hintanstellen und in der Sache aufeinander zugehen müssten. Nur wenn beide Seiten dafür bereit sind, wird die Tuchel-Wende möglich.

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